Das ärarische Hammerwerk in Kleinboden im Zillertal
Von Karl Mair, Uderns.
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Hinweis: Fotos vom Hammerwerk Kleinboden
Einleitung
Als der „Berger Naz“ (Ignaz Stoll) noch Lehrer und Wirt in Pankrazberg war, kamen in seine berühmte Wirtschaft Berliner. Diese fragten den Naz, wo die Fabrik der Zillertaler Handschuhe sei. Der Naz führte sie hinaus aufs Feld und sagte: „Sehen Sie, da drunten am Fuße des Bergerbüchels ist Kleinboden und die drei großen Häuser mit den roten Blechdächern ist die Handschuhfabrik." Hochbefriedigt trugen die Berliner den schweren Bären aus dem Tale hinaus. Die „echten Zillertaler Handschuhe" wurden gewöhnlich auswärts gekauft und auswärts verhandelt. Die drei Gebäude dienten nie einem solchen Zwecke, sondern hatten eine viel vornehmere Vergangenheit. Hier war das ärarische Hammerwerk, die Erz- und Eisengießerei, die Schmelz. Die gotischen Spitzbogenfenster geben ein drei- oder vierhundertjähriges Alter an. Die hohen Pappelbäume erinnern an den Bergsegen, von dem in den guten, alten Zeiten so viele Familien lebten. Bis zum Zusammenbruche nach dem Kriege schmückte ein großer eiserner Doppeladler die Front des Hauptgebäudes. Als dann die Welt verrückt wurde und viele Menschen den Doppeladler mehr fürchteten als den Teufel, ist er eines Tages verschwunden. Man weiß heute noch nicht, wohin.
Uderns - Kleinboden - Pankrazberg - Arzjoch
Zum Hammerwerk gehörten mehrere Häuser, deren Namen sich nach der ärarischen Beschäftigung der männlichen Bewohner richten. „Hammerschaffer" war das Beamtenhaus. Das heutige Noalhaus hieß Hammermeister, mit vier großen Herden für vier Familien. Die jetzige Schuhfabrik Giehl hieß „Gießer" und später „Zimmermeister". Das Langhäusl hieß Glaserhäusl. Beim Welschen war das „alte Haus" mit drei Herden für drei Familien. Lange Zeit gehörte auch der „Troadkasten" in Fügen, jetzt neues Doktorhaus, zum Hammerwerk. Die Grafen von Fügen seien mit 80.000 Gulden (?) Kapital am Hammerwerk interessiert gewesen. Nach Staffler betrug der mitgewerkschaftliche Anteil der Fügener Grafen ein Drittel des Ganzen. Der „Troadkasten" war das Lebensmittelmagazin für die Gewerkschaft. Die „großen" Arbeiter, d. h. Schwerarbeiter und Feinarbeiter, bezogen oder faßten monatlich ein Star Roggen, ein Star Weizen, zehn Pfund Schmalz und Salz. Die „kleinen" Arbeiter faßten die Hälfte. Im Gasthaus beim „Gwercher" in Fügen, jetzt „Watscher", war die gesellige Zusammenkunft. Vielleicht gehörte das Haus auch einmal dem Ärar. Natürlich war in Kleinboden für so viele Leute auch eine Krämerei beim „Floach", der damals ein prächtiges Geschäft machte. Zum Werk gehörte dann das „Zuenschmiedhaus" mit der schönen, großen Kohlenremise, welche einer Kirche ohne Turm glich. Der „Zuenschmied" bekam kleine Stücke Eisen oder Stahl, welche er austreiben, aushämmern musste, oder „Zuenen" machen, wie man sie in der Länge z. B. für Sensen brauchte. Namentlich für die vielen Nagelschmiede wurde hier das Eisen „gezuent", weil es noch kein Walzeisen gab *). An Stelle der „Zuenschmiede" steht jetzt ,das „Neutunhaus". Für den offenen Brunnen beim Werke sorgte der „Brunner". Das heutige Brunnerhaus steht an der Stelle eines großen, in Rundbogenform gebauten Kohlschermes, dessen Mauern für das neue Haus auch verwendet wurden. Dann gab und gibt es heute noch in Kleinboden einen „Lagler", „Messerer" und „Hackeler". „Larch" und „Hela" werden wohl auch Arbeiterhäuser gewesen sein. Auch ein großer Bretterscherm gehörte zum Werke. Dabei war eine Vorrichtung für den Stundenschlag, nämlich eine freihängende Stahlplatte. Die Platte sei stark ausgeschlagen gewesen, denn der k. k. Nachtwächter musste fleißig Dienst machen; die Herren waren sehr streng, besonders der Graf von Fügen. Gearbeitet wurde Tag und Nacht. Beim Hammerwerk sei ein Schleifstein gewesen von zwei bis drei Meter Durchmesser. Ein riesiger Blasbalg, der mit Wasser betrieben wurde, sorgte für ständiges Feuer. Es war auch ein hoher und weiter Kamin, welcher oben mit einer großen glänzenden, fast weißen Kugel aus Blech endete. Diese hohle Kugel hatte unzählige Löcher, aus welchen Rauch und Funken auszogen. Es sei ein einzig schöner Anblick gewesen, wenn bei Nacht ganze Strahlen von Funken nach allen Seiten glänzten. Wenn der Graf von Fügen wissen wollte, ob die Leute wohl arbeiten, ritt er in der Nacht bis zum Rischbachl und schaute von dort in dem Kleinboden hinein, ob wohl die Funken sprühen. In den drei großen Gebäuden waren untergebracht die Zimmerei, Dampfgießerei, Schleiferei und Stahlmagazin. Nach Staffler wurden rund 1429 Zentner Stahl jährlich erzeugt. Grobeisen 3265 Zentner. Der Stahl wurde, in Stroh eingemacht, in Bottichen verschickt.
*) Nach Staffler dürfte das Streckeisen das „gezuente" Material für die Nagelschmiede gewesen sein. Davon wurden jährlich durchschnittlich 930 Zentner erzeugt.
Anfänge des Hammerwerks
Wie und wann die Eisengewinnung im Zillertal begann und insbesondere das Eisenwerk in Kleinboden entstand, ist nicht genau festzustellen. Bis ins 16. Jahrhundert liegen (nach Wolfsstrigl-Wolfskron „Die Tiroler Erzbergbaue") nur Nachrichten über Bergbau auf Silber, Kupfer und Gold vor, und auch dieser kann nicht sehr bedeutend gewesen sein, weil erst im Jahre 1546 ein eigener Bergrichter für das Zillertal erwähnt ist. Aus 1557 stammt das älteste Zeugnis für den Bestand eines Radwerkes (Eisenhochofens) mit Hammerschlag „am Fügenerbach". Mit diesem „Fügenerbach" kann nur der Finsingbach, also mit dem Eisenwerk das in Kleinboden gemeint sein. Dieses besaß im Jahre 1594 bereits zwei „Plaöfen", d. h. Hochöfen. Wir erfahren weiter, dass es u. a. auch geschmiedete Kanonenkugeln und Harnischblech an das Innsbrucker Zeughaus lieferte und der Hauptlieferant für das Pfannhaus in Hall und die Schwazer Bergwerke war. Die Zillertaler Eisenwerke hatten einen harten Stand; einerseits machte ihnen das an Güte weit überlegene, wenn auch kostspieligere Leobener Eisen Konkurrenz, anderseits wurden sie von der Regierung recht stiefmütterlich behandelt. Sie waren verpflichtet, für eine gewisse Geldsumme eine bestimmte Menge Schmiedeisen und Stahl nach Schwaz und Hall zu liefern, die Bezahlung seitens der Regierung ließ jedoch immer sehr lange auf sich warten, so dass die Werke oft den Arbeitern die Löhne nicht auszahlen konnten, die Samer den Hochöfen kein Erz mehr zuführen wollten und es zeitweise geradezu zur Verweigerung der vorgeschriebenen Lieferungen an das Ärar kam. Auch die Versorgung mit Kohle (Holzkohle) und Proviant war mangelhaft und gab häufig zu dringenden Klagen Anlass. Da war es wohl ein Glück für die Eisenwerke, dass sich im Laufe der Zeit in ihrer Nähe eine lebhafte Privatindustrie entwickelte, die von ihnen den Rohstoff bezog und ihnen die Lebensfähigkeit bis in das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts sicherte.
Woher wurde das Erz bezogen?
Es war in früheren Zeiten auch in der Pfuns, zuhinterst im Finsingtal, ein Bergwerk. Und vor nicht vielen Jahren hat sich wieder eine Gesellschaft dafür interessiert. Es wurde hochprozentiges Erz gefunden. Aber die Lieferung aus dieser Entfernung schreckte gründlich ab. Und die Schwierigkeiten der Zulieferung dürften der Grund gewesen sein, dass auch das Hammerwerk in Kleinboden am Finsingbach von dort kein Erz mehr bezog. Die kirchlichen Matrikenbücher nennen die Knappen am Eisenstein. Ungefähr ein Dutzend Knappen gingen von dieser Gegend in den Eisenstein **). Vom Eisenstein ging ein Fahrweg über die Kaunzalm auf das Arzjoch (Erzjoch) ober Fügen. Das ist die sogenannte Karrnergasse, auf welcher das Erz in Karren auf den Lagerplatz des Arzjoches gezogen wurde. Auf dem Joche steht heute noch die Knappenkapelle. Auf dem Arzjoch wurde dann das Erz in rohe sauhäutene Säcke mit den Haaren nach auswärts gepackt und auf dem „Sackziehersteig" über die Wildaualm zur Kirche in Pankrazberg gezogen und von dort durch die kurze „Sackgasse" ins nahegelegene Hammerwerk. Wann die Erzlieferung aufhörte und die Schmelz nach Jenbach kam, ist mir nicht bekannt. Vor hundert Jahren war das wirtschaftliche Unglück schon längst geschehen.
**) Die letzten Knappen, welche von Uderns aus nach dem Eisenstein gingen, waren Ignaz Wasserer und Gottlieb Lechner, welche zu Anfang dieses Jahrhunderts starben.
In der „Bergerkirche" feierten die Knappen am Florianstag ihr Fest mit einem feierlichen Gottesdienst. Dabei gingen die Knappen, Arbeiter und Beamten des Hammerwerkes zum Opfer. Jeder opferte ein Stück Stahl, in Form eines Ziegels fein geschliffen. An diese guten Zeiten erinnert auch das große, schöne Knappenbild aus dem 18. Jahrhundert im Presbyterium der Kirche in Uderns mit den Bergwerkspatronen Daniel und Barbara.
Bei der großen Entfernung des Eisenstein von Kleinboden wundert man sich, dass der Staat hierher Schmelze und Hammerwerk baute, nachdem doch der Finsingbach eine Wasserkraft ist, die im Winter sehr oft und lang streikt. Der Bach tut stark „aufeisen", Bachbett und Rinnsale sind voll Eis; die Werke müssen stillstehen. Das Ärar fragte nicht danach. Ausgedehnte Waldungen lieferten ihm Holz für Kohle. Das musste ausgenützt werden. Und schließlich ließ sich ja mit Fleiß und Achtsamkeit vieles verhindern und das nötige Wasser für den Betrieb fließend erhalten. Dazu war ja auch der Wassergeber angestellt, welcher zu „Wassergeber" zu hinterst in Kleinboden wohnte, wo der Finsingbach das erste Mal menschliche Werke und Wohnungen findet.
Die Kohlstatt
Die Verkehrsverhältnisse im Zillertal boten damals dem Ärar keine Möglichkeit, seine riesigen Holzvorräte zum Tale hinauszubringen; das Holz hatte auch keinen Wert. Es musste daher getrachtet werden, das Holz im Tale selbst nutzbringend anzulegen. Es wurde auf dem Ziller herausgetriftet bis in die Kohlstatt jenseits des Ziller, Gemeinde Hart. Dort war dann die Kohlbrennerei für das Hammerwerk. Zugleich konnte „das Kohl" an die Schmiede verkauft werben, deren es entlang des Finsingbaches mehrere gab. Die Kohlstatt gehörte dem Ärar mit Ausnahme des Tomalonghauses, welches zum Fügener Schloss gehörte, während das „Kohlhaus" für den Kohlmeister und dessen Kanzlei diente. Die Auszahlungen erfolgten in Kleinboden. Die alten Kohlenbrenner hatten eine eigene Pensions- und Sterbekasse: die Bruderlade. Das letzte Mitglied war Felix Abendstein, gestorben in Uderns. Nach Auflassung des Hammerwerkes war die Kohlstatt nur mehr Lendplatz. Die Bahn hat aber auch der Holztrift ein Ende gemacht, weil sie verdienen wollte. Der große Kohlscherm und die Brücke nach Uderns wurden abgebrochen. Das „Beamtenhaus" des Kohlmeisters ist zerfallen. Die Kapelle mit der Kreuzigungsgruppe steht noch, aber sie hat niemand, der sich um sie kümmert; die alten Statuen gehen zugrunde.
Der Schöffstall
Das Ärar sowohl als auch andere Leute mussten Lebensmittel einführen und anderes ausführen, z. B. Stahl. Verkehrsweg war der Ziller, Verkehrsmittel die Flöße oder „Schöffe". Landungplatz und „Seehafen" war der Schöffstall an der Zillerbrücke unter Finsing. Hier waren die Schöffrosse einquartiert, welche, am Ufer gehend, die Schöffe ziehen mussten. Wo günstiges Wasser war, konnten die Rosse talauswärts „aufsitzen" und mitfahren. Der Schöffstall dürfte wohl auch dem Ärar gehört haben.
Ende und Fortsetzung
Anfangs der Siebzigerjahre stellte das Hammerwerk den Betrieb ein. Arbeiter und Beamte wurden abgebaut oder in Häring [Anm: heute Bad Häring] verwendet. Die Herrlichkeit in Kleinboden war zu Ende. Ein gewisser Pistorius, genannt „der Franzose", kaufte das Werk und hauste auf. Seine Frau hat sogar für Lebensmittel ihren Schmuck als Pfand gegeben. Der Stahl wurde von Jenbach als „Flossen" (ungefähr meterlange Stücke) eingeführt. Auchdas Ärar hat das Floßeisen von Jenbach bezogen, seitdem die Schmelz dorthin verlegt war. Das hat sich für das Ärar nicht rentiert und für seine Nachfolger auch nicht. Nachfolger des Pistorius war ein gewisser Müller, dann Baron Dreifuß, dann Schmid von Absam, welcher alle zum Hammerwerke gehörigen Häuser an Private verkaufte. Dann wurde ein elektrisches Werk aus den drei großen Gebäuden gemacht. Das ging auch nicht. Es hat eine Zeit gegeben, wo die drei großen Gebäude niemand geschenkt mögen hat, wegen der großen Lasten, die darauf liegen. Verschiedene Besitzer versuchten mit diesen Gebäuden ihr Glück und fanden es nicht. Nun sind sie im Besitz des rührigen Elektrizitätswerksbesitzers Joh. Larch in Uderns. Schmied und Mechaniker sind in denselben untergebracht. Hammerwerk im kleinen! Erinnerung an die goldenen Zeiten von Kleinboden. Weil im Fügener Kleinboden das Hüttenwerk stand, heißt die Ortschaft heute noch im Volksmunde „bei den Hüttnen". Heute schaut Kleinboden viel zierlicher und schmucker aus als in jener Zeit. Schließlich mag der Vollständigkeit halber hierher gesetzt werden, was der Chronist von Uderns, Kaplan Zimmermann, 1827 bis 1836 aufgeschrieben hat. Es heißt: „Vor etwas mehr als zweihundert Jahren bestand im Zillertal ein großes Bergwerk, bei dem es sehr viel zu verdienen gab. Nicht wenige waren im Bergwerk in der Schmelz angestellt und andere lieferten Holz und Kohlen; selbst Kinderhätten auf der Lend manchen Kreuzer verdient *). Im Verlauf der Zeit kam aber das Bergwerk, wie auch das Hammerwerk nach Pillersee und Haidach, die Schmelz aber nach Jenbach und in Kleinboden blieb nur mehr ein einfaches Hammerwerk zurück, wie es heute noch besteht. Dadurch entging dem Tal eine sehr wichtige Nahrungsquelle und der eben sonst nicht unfruchtbare Boden ernährte die durch das Berg- und Hammerwerk angewachsene Zahl der Menschen nicht mehr. Ein Teil musste daher sein Brot auswärtig suchen." Es war also tatsächlich im Finsingtal ein großes Bergwerk. Daraus erklärt sich auch, dass die Seelsorge Uderns rund 250 Seelen mehr hatte als heute. Es gab Verdienst genug.
*) Auch oberhalb des Hammerwerkes ist nämlich heute noch wie damals „eine Lent".
Fleißige Leute
Die Wassertraft des Finsingbaches, das Hammerwerk, wo Eisen, Erz und Stahl zu haben waren, dann das Brennmaterial nach Bedarf in nächster Nähe, waren im höchsten Grade geeignet, Handel und Gewerbe aufkommen und blühen zu lassen. Vom Schöffstall an zwanzig Minuten dem Finsingbach entlang waren fast lauter Arbeiterhäuser oder Gebäude für Eisenindustrie, Stahl- und Erzerzeugnisse. Im „Schöffstall" war eine Nagelschmiede und im Haus daneben die Glockengießerei des Jakob Alois Dengg, welcher sehr schöne, wohlklingende Glocken erzeugte, welche leider dem Krieg zum Opfer fielen. An der Finsingbrücke war der „Brückenschmied" mit einer Huf- und Nagelschmiede. Im Uderner Kleinboden waren am rechten Ufer eine Nagelschmiede in der oberen Kohlwies für fünf Arbeiter, beim Wassergeber für vier Arbeiter und beim Neuschmied (steht heute nicht mehr) am linken Ufer für sechs Arbeiter. Beim „Tomalong" (steht nicht mehr) war auch eine Nagelschmiede. Von den Nagelschmieden betreibt ein gewisser Johann Hörhager von Bodner in Pankrazberg noch dieses Handwerk drunten in Kramsach. „Das Kohl" bezogen die Nagelschmiede teils vom Ärar, teils hatten sie eigene Kohlplätze in den Waldlichtungen, z. B. am Seebachboden und im „Uderner Schlag" hinter dem Riedberg. Ein sehr einträglicher Erwerbszweig war dann die Sensenindustrie. Beim Penzen in Kleinboden waren eigentlich drei „Schmitten" für 36 Arbeiter. Aber Bauen und wieder Abreißen vertrug auch der reiche Sensenschmied nicht. Lange Zeit hatte Penz eine eigene Köchin, die Frau konnte zweispännig ausfahren. Die andere Sensenschmiede war beim Hackenschmied in Finsing, wo ungefähr zwanzig Arbeiter beschäftigt waren. Von denen ein gewisser Simon Moser in Uderns noch lebt. Die Sensenschmiede hatten, wenigstens in früheren Zeiten, jeden Samstag einen Rosenkranz in der „Bergerkirche". Die Sensenindustrie hat ganz aufgehört. Vom Penzenwerk steht nur mehr das Wohnhaus und das nicht mehr gut. Die Geschlechter der Sensenschmiede Penz in Kleinboden und Graus beim Hackenschmied sind uralt. Die Penzenschmiede und die Hackenschmiede dürften ins 16. Jahrhundert zurückreichen und so alt sein wie das Hammerwerk. Der letzte Graus war der Hackenschmied Ander, welcher, von der Jenbacher Konkurrenz gedrückt, 1878 oder 1879 mit der Sensenfabrikation aufhörte. Das Werk wurde als Zeugschmiede weitergeführt, auch unter dem neuen Besitzer David Ebster. Auf dem Hause ober der hinteren Haustüre war das Wappen: zwei gekreuzte Sensen mit der Jahreszahl 1530 (?). Leider wurde dieses Erinnerungszeichen, das für das Haus geschichtlichen Wert gehabt hätte, überstrichen. Der Hackenschmied Ander starb vor wenigen Jahren im Alter von 93 Jahren im Spital zu Fügen, wo er sich eingekauft hatte. Der letzte Penzenschmied, Thomas Penz, hat schon bedeutend früher das alte Sensenwerk stillgelegt und ist nach Frankreich ausgewandert *). Nachdem auch der „Zeller Penz" und der „Kollmaner" auf der Merz und Graus auf der Merz ihre Sensenwerke aufgegeben hatten, triumphierte das Sensenwerk in Jenbach.
*) Ein Sensenschmied Thomas Penz von Kleinboden spielte in den Befreiungskriegen von 1809 gemeinsam mit dem Hauptmann Josef Ebster in der Gemeinde Fügen eine große Rolle unter dem Major Aschbacher.
Ein kleiner Abstecher in ein Sensenwerk möge dieses Kapitel abschließen. Außer den verschieden großen Hämmern, welche das Wasser in Bewegung setzt, sehen wir einen Arbeiter beim „Abstucken" der Flossen in kürzere Stücke, welche gewogen werden. Der Meister besorgt das „Zuenen" oder austreiben derselben. Das ist die Hauptarbeit. Dann kommt diese so angefangene Sense an den „Hammeraufbieger" (Sensengriff). Von diesen drei Arbeiten kann nur der Meister alle drei; die anderen zwei Arbeiter verstehen nur ihren Teil, das andere bleibt für sie Geschäftsgeheimnis. Dann wird die Sense gespitzt, am Handgriff „gewarzt", mit dem Firmaabzeichen „gemarcht", gebreitet; dann „zrucknet" (Rücken geschmiedet), geschlichtet; es folgt was Ausschneiden, Schaben oder Schleifen, Härten, Durchschlagen; dann gehts in die Ausmachkammer und in die Schleiferei. Die grauen Sensen mit Naturfarbe wurden nicht feingeschliffen, sondern in verschiedenen Zeichnungen mit einem kleinen Hammer punktiert.
Ketten und Nadeln
Die Fügener Grafen, welche mit einem riesigen Vermögen dem ärarischen Hammerwerk angeschlossen waren, konnten sich das zunutzemachen und hatten eine Ketten- und Nadelfabrik. Dort, wo heute in Finsing die große Larchsäge steht, stand vor fünfzehn Jahren noch der alte Kettenzug und Drahtzug und daneben das Tomalonghaus, wo der Meister und Aufseher wohnte. Im Kettenzug waren sechszehn Schmiede beschäftigt und vier Drahtzieher. Tomalong Ander und seine zwanzig Untergebenen waren tüchtig im Arbeiten, aber sie verstanden es ebenso, den Grafen Fieger hinten und vorn zu „beluxen". Ander machte den Aufpasser. Wenn der Graf kam, spritzten sich alle mit Wasser an, damit ihnen der „Schwitz" überall herabrinnt. War der Graf fort, zog sich der Ander auf seine liebe Ofenbank zu Tomalong zurück. Im Kettenzug war auch die Schleiferei, wo die Nadeln in einem Fasse silberweiß geschliffen wurden. Die Nadeln selbst wurden im sogenannten Drahtzug in Fügen aus dem Draht gemacht, der im Kettenzug gezogen wurde. Vom Drahtzug weg kamen die Nadeln in die „Härtekuchl" im Mittelhof des Fügener Schlosses. Sie wurden mit Knochen und dergleichen in einen Hexenkessel eingestampft und erhitzt. Da entstand einmal ein Brand und „es hat gestunken, als ob die Hölle fügenerseits ein Loch gekriegt hätte und alle Teufel ausgekommen wären". Der Graf wurde verhalten, einen Hochkamin zu bauen, was er aber nicht erschwingen konnte. So hörte die Nadelfabrik auf. Seit etwa fünfzig Jahren wird im Kettenzug nicht mehr gearbeitet. Von den Kettenschmieden leben in Uderns noch Johann Berger und Daniel Troppmair. Der junge „Floach" in Kleinboden, Franz Berger, hat die Arbeit von seinem Vater gelernt und sich in seinem Hause eine kleine Kettenschmiede eingerichtet. — Die fertigen Nadeln wurden in Bündeln verschickt. Der gegenwärtige Herr Dekan in Fügen fand unter dem Freithofdachl ein solches verrostetes Nadelbündel.
Viel Leute - viel Mehl
Um das rege Leben am Finsingbach noch besser zu verstehen, sei noch auf andere Werke hingewiesen, deren Lebenskraft das Wasser war. In Finsing und Kleinboden waren wie heute noch zwei Sägewerke. In Finsing zwei Mühlen, von denen die Hackenschmiedmühle eingegangen ist. Im Fügener Kleinboden zwei Mühlen; im Uderner Kleinboden die Lochmühle mit sieben Gängen. Diese ist vollständig verschwunden. Heute kann man sich nur noch wundern, dass einmal schwere Fuhrwerke zu dieser Mühle gelangen konnten und dort umzukehren vermochten. Fünf Mühlen! Da kann man verstehen, dass in alten Häusern die Kornspeicher größer sind als der Heuboden. Heute ist die Wirtschaft gerade umgekehrt. — Finsing und Kleinboden bildeten also das Industrieviertel des äußeren Zillertales. Hier war Glück und Segen, Arbeit und Verdienst. Hier war aber auch, wie aus den alten Stiftungen hervorgeht, Religion. An Gottes Segen ist alles gelegen, das war der christliche Grundsatz, der den Leuten lange Zeit rosiges Glück brachte. Es ist ein interessantes Zusammentreffen, dass am äußersten Ende des „Industrieviertels" neben der Lochmühle das „Rosenblüehäuschen" den Abschluß macht (jetzt Koppenhäusl). Jüdisch klingende Namen findet man im Zillertal mehrere. Es ist ja sehr wahrscheinlich, dass in den Zeiten, wo im Zillertal noch etwas zu suchen war, die Juden auch etwas holten.
Quelle: Karl Mair, Das ärarische Hammerwerk in Kleinboden im Zillertal, in: Tiroler Heimatblätter, Monatshefte für Geschichte, Natur- und Volkskunde, 6. Jahrgang, Heft 2, Februar 1928, S. 41 - 45 und Heft 3, März 1928, S. 67 - 70.
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