Die Höhlen am Pölven.


Von Hermann Delago.
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Im Unterinntal, in der Nähe von Kufstein, über dem Mittelgebirge von Schwoich und Häring, erhebt sich der frei stehende Bergstock des Pölven, ein bis zu seiner Scheitelhöhe bewaldetes, nach allen Seiten steil abfallendes, klotziges Berggebäude von geringer Ausdehnung. Wegen seiner bescheidenen Höhe (die westliche Eckkuppe, Großer oder Häringer Pölven genannt, mißt 1596 Meter, die entgegengesetzte Kuppe, der Kleine Pölven, 1546 Meter) erhält der Pölven nur selten Besuch von Bergwanderern, bei diesen hat er keinen „Namen". Für den Heimatforscher dagegen ist dieser bescheidene Berg immerhin von einiger Bedeutung. Der Pflanzenfreund mag auf seinen Höhen nach seltenen Blumen und Kräutern suchen, der Erdkundler den Spuren der Eiszeit folgen, die an keinem Berg des Inntales so deutlich zutage treten wie hier, auch der Sagenforscher wird manches Neue um den Pölven herum finden. Mit der Eiszeit im Zusammenhang stehen nun wohl auch einige Höhlen, die sich in seinen felsigen Abstürzen finden und die schon vor Jahren von Ministerialrat Dr. Willner, einst Vorstand der Amtlichen Höhlenkommission in Wien, eingehend untersucht worden sind. Herr Professor Sinwel ließ mich Einblick nehmen in einige briefliche Berichte, die er darüber von Dr. Willner erhielt und die ich hier teilweise wiedergebe. Da ist zunächst die Pölvenkirche am Kleinen Pölven, nach der Großen Rinne zu, doch nicht in dieser selbst, eine sogenannte Durchgangshöhle, d. h. eine Grotte mit zwei Eingängen von verschiedener Höhenlage. Die Tiefe und die Höhe betragen je 6 Meter, die Breite 18 Meter. Inhaltlich ist sie bedeutungslos, höhlenkundlich jedoch interessant.

Eine andere Höhle, das Pölvenlueg, auch Schaftloch genannt, liegt etwa 915 Meter über dem Meere in der Südwestwand des Großen Pölven. Sie besteht aus einer 40 Meter langen und ungefähr 8 Meter breiten Felsennische, in welcher der Eingang zur Höhle liegt. Diese ist, soweit begehbar, etwa 20 Meter lang, 2 bis 7 Meter breit und 0.90 bis 2.60 Meter hoch. Ein Teil der Höhle ist trocken, die andere Hälfte (bis zum Ende) bildet einen Sickerwassertümpel. Der Bodenbelag ist lehmig (grau und braun), ohne Spuren tierischer oder menschlicher Besiedlung. Dr. Willner vermutet, daß die Haupthöhle durch Geröll verschüttet ist und wollte Versuche zur Freilegung machen; ob er diese Absicht ausgeführt hat, ist mir nicht bekannt.

Eine dritte Höhle ist der von mir selbst besichtigte Greadlofen, zu dem man auf dem bezeichneten Steige kommt, der von Häring auf den Großen Pölven führt. Der Aufstieg ist nicht gerade gemütlich; außerordentlich steil windet sich der schmale Steig durch einen großen Holzschlag empor; im darauffolgenden Walde kommt man dann zum Greadlofen, einer ausgesprochenen Halbhöhle (Felsennische oder Gufel) unter senkrechter Kalkwand in etwa 1400 Meter Meereshöhe. In alten kriegerischen Zeiten soll sie den Bewohnern von Häring und Schwoich als Zufluchtsstätte gedient haben; darunter war auch eine Bäuerin Greadl (Gretel), daher der Name der Gufel. Vor etwa zwanzig Jahren wurde der Greadlofen von Holzknechten, deren Lagerstätten noch teilweise erhalten sind, als Unterkunft benützt. Der auffallend ebene Boden dieser Gufel fiel mir schon auf, als ich das erstemal zum Großen Pölven hinaufstieg; er schien mir in Erinnerung an einen Aufsatz von Professor Ranke in der „Zeitschrift des D. u. Ö. Alpenvereins", Jahrgang 1899, über die vorgeschichtlichen Bewohner der Ostalpen einer Untersuchung wert. An einem kalten, nebeligen Dezembertag war ich wieder beim Greadlofen oben, ausgerüstet mit einem Eispickel zum Graben. Ich durchgrub den Boden nach allen Richtungen, kam bis zum Felsengrunde der Gufel — doch zu finden war nichts außer einigen verkohlten Holzstückchen und einem kleinen Rippenstück. Ermüdet von vierstündiger Arbeit, beschmutzt und enttäuscht, stieg ich nach Häring hinab. Der Greadlofen wird mich nie wieder sehen.

Quelle: Hermann Delago, Die Höhlen am Pölven, in: Tiroler Heimatblätter, 14. Jahrgang, Heft 1, Jänner 1936, S. 31 - 32.
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