Vom Markscheidewesen in Tirol
Nach Dipl.-Ing. Dr. mont. Franz Kirnbauer, Freiberg
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Als 7. Heft der „Blätter für Technikgeschichte" gab das Forschungsinstitut für Technikgeschichte in Wien eine große, reich bebilderte Arbeit über „Die Entwicklung des Markscheidewesens im Lande Österreich" von Ing. Franz Kirnbauer heraus. Wir entnehmen dieser Arbeit folgende, zum Teil wörtlichen Hinweise. —W.
Unter Markscheidekunst oder Schinkunst versteht man das gesamte bergmännische Vermessungswesen über und unter Tage einschließlich des Rißwesens, das ist der Anfertigung von Grubenkarten. Die Wiege der deutschen Markscheidekunst stand ohne Zweifel in der Ostmark, in der ja schon zur frühesten Bronzezeit reicher Bergbau getrieben wurde und an ihrer Entwicklung, wie überhaupt an der des Bergbaues, hatte Tirol einen wesentlichen Anteil. Die älteste gesamtdeutsche Bergordnung stammt aus Trient: es ist dies ein am 24. März 1185 in lateinischer Sprache abgefaßter, aber zahlreiche deutsche Bergmannswörter enthaltender Vertrag zwischen Bischof Albert von Trient und den Gewerken des Bergbaues am Calesberge. Beziehungen zum Markscheidewesen fehlen jedoch darin. Wertvolle und ausführliche Mitteilungen hierüber enthält aber das „Schwazer Bergwerksbuch", das aus dem Jahre 1556 stammt (Titelbild s. Abb. 1), Da wird auch ein „Schiner" mit seiner Wasserbussole abgebildet (Abb. 2). Das Wort Schiner hat mit „Schiene" nichts zu tun, sondern hängt mit Schinzeug, dem alten Markscheidegerät, und dem dazugehörigen Tätigkeitswort „schinen, verschinen, abschinen" zusammen. „Schin und Min geben" bedeutet in der älteren deutschen Rechtssprache „durch Vermessung die Grenze festlegen"; Min ist das gütliche Einvernehmen, Schin die rechtliche Entscheidung.
Abbildung 1: Schwazer Bergwerksbuch
Als Längenmaße werden im Schwazer Bergwerksbuch Gmind und Däumel verwendet und wie folgt beschrieben: „Gmind ist also: wenn du in der einen Hand die vier Finger ganz zusammenziehen, als wolltest eine Faust machen, dann setze die Hand auf den kleinsten zugetanen Finger und strecke den Daumen gerade über sich in die Höhe; das nennt man bei dem Berg ein Gmind (also nicht ganz 2 dm). Setze deinen Arm auf den Ellenbogen gerade über sich, das heißt man ein Däumel" (ungefähr 4 dm). Ferner kannte man das Bergklafter („zwei wienerische Ellen und 6 Zwerchfinger lang"), den Bergstab (ein halbes Bergklaster), sowie das Lehen (gleich 7 Bergklaster zu je etwa 1.90 Meter). Ein weiteres Maß ist der Tyroler Schuh zu genau 1/3 Meter.
Abbildung 2: Wasserbussole Schiner
Zur Winkelmessung wurden anfänglich überall Schnurdreiecke verwendet, später sog. Wachsscheiben mit oder ohne Kompaß. Die älteste Darstellung einer solchen Wachsscheibe mit Wasserbussole gibt unsere Abb. 2 aus dem Schwazer Bergwerksbuche wieder. Der berühmte Kartograph G. M. Vischer aus Wenns / Pitztal bildet auf seiner Karte von Oberösterreich (1669) den von ihm verwendeten, im wesentlichen ähnlichen „Alpenkompaß" ab. Bemerkenswerterweise wird in der „Schwatzer Erfindung (= Bergordnung)" von 1490 erstmals der Kompaß in der Hand eines Markscheiders erwähnt. Als der älteste in österreichischen Sammlungen aufbewahrte Setzkompaß ist ein im Wiener Technischen Museum befindlicher anzusprechen, der aus Hall i. T. stammt. Eine umwälzende Neuerung im Markscheidewesen war dann der Versuch, den Setzkompaß in einen Hängekompaß umzuwandeln, wie solche Versuche im Schwazer Bergwerksbuch auch abgebildet sind. Ein sehr wichtiges Zwischenglied in der Weiterentwicklung der Hängekompasse stellt nun ein im Wiener Technischen Museum befindlicher Hängekompaß mit abwechselnd gleich- und gegenständigen Aufhängehaken dar. Simon Oberhauser in Schwaz hat ihn 1748 hergestellt (Abb. 3), mit einer schön gravierten dünnen Elfenbeinplatte belegt und unterseits mit Einlegearbeit aus Holz und Elfenbein geschmückt.
Abbildung 3: Hängekompass von Simon Oberhauser
Die eigenartigen Aufhängehaken ermöglichen ein waagrechtes Aufhängen auch bei schräg gespannter Schnur. Das Stück ist technikgeschichtlich ein europäisches Einzelstück. In der großartigen historischen Instrumentensammlung der Montanistischen Hochschule in Leoben befindet sich ferner ein noch etwas weiter entwickelter Hängekompaß mit der Inschrift: „Johann Oberhauser Von Schwz Ano 1754". Es ist bewundernswert, mit wie viel Kunstfertigkeit und Liebe zur Sache Johann Oberhauser sein Gerät angefertigt hat. Dieser Kompaß meist bereits eine Kardanaufhängung auf. Zum dritten Male begegnet der Name Oberhauser mit einem Hängekompaß aus Bleiberg mit der Inschrift: „Ernest Beregrin Oberhauser zu Hall". Es scheint sich hier um eine ganze Markscheider- und Instrumentenmacherfamilie aus der Zeit um die Mitte des 18. Jahrhunderts zu handeln, von der aber anscheinend nichts Näheres bekannt wurde. Es wäre sicherlich eine lohnende Arbeit für Liebhaber der Heimatforschung, dieser Familie Oberhauser nachzugehen.
Die Druckstöcke zu diesem Aufsatz hat uns in dankenswerter Weise das Institut für Technikgeschichte in Wien zur Verfügung gestellt.
Quelle: Franz Kirnbauer, Vom Markscheidewesen in Tirol, in: Tiroler Heimatblätter, 18. Jahrgang, Heft 11/12, 1940, S. 176 - 178.
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