Die ersten Rechtsgrundlagen des Schwazer Bergbaues.
Von Dr. Ludwig Knapp, Schwaz in Tirol.
© digitale Version: www.SAGEN.at
Die ersten Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts, in die der Beginn der Erschließung des Schwazer Bergsegens fällt, waren hochbewegte, unruhige Zeiten. Die fortwährenden Kämpfe Herzog Friedrichs mit seinen Widersachern innerhalb und außerhalb des Landes waren nicht dazu angetan, im Wirtschaftsleben Tirols eine günstige Wirkung hervorzurufen und eine zielbewußte Wirtschaftspolitik in die Wege zu leiten. Inwieweit und auf welche Weise sich diese Wirren zu Anfang des 15. Jahrhunderts auf die Entwicklung des Schwazer Bergbaues auswirkten, ist noch nicht festgestellt. Daß diese mißlichen Verhältnisse den jungen Schwazer Bergbau nicht gerade fördern konnten, versteht sich von selbst. Andererseits ist aber mit allem Nachdruck hervorzuheben, daß gerade durch die Streitigkeiten und den darauffolgenden Sieg des Landesfürsten auf dem Gebiete des Bergbauwesens eine grundlegende Umwälzung hervorgerufen wurde: Der endgültige Sieg Herzog Friedrichs über seine adeligen Feinde im Lande und seine Wiedereinsetzung in die früheren Hoheitsrechte waren in der Hauptsache maßgebend, daß der Streit um das Bergregal im Gegensatz zu anderen Staaten und Ländern eine für den Landesherrn günstige Wendung nahm. Während in den österreichischen Vorlanden der Streit um das Bergregal noch unentschieden war und keinen sicheren Ausgang verhieß, hatte sich im Machtbereich des tirolischen Landesfürsten der Kampf um das Bergregal zugunsten des Territorialherrn entschieden. Herzog Friedrich zählte auch zu den glücklichen deutschen Landesherren, die im prinzipiellen Kampf um das Bergregal den Sieg über Grundherrn und König erfochten.
Es erscheint selbstverständlich, daß Herzog Friedlich, dem die langwierigen Kämpfe alles eher als eine gute Finanzlage geschaffen, den Erzfunden um Schwaz von Anbeginn seine Aufmerksamkeit schenkte und die Unternehmungslust der Bergbauinteressenten durch Gewährung der für den Bergbau unentbehrlichen Freiheiten und Rechte förderte; Herzog Friedrich wußte doch allzugut, daß ihm das zugefallene Bergregal die guten Einkünfte aus den Bergwerken sicherte, die im Hauptbuch der herzoglichen Raitkammer so schön die Habenseite füllten. Die Genehmigung der notwendigen Freiheiten, die als Grundlage zur Eröffnung des Betriebes dienten, war aber nicht hinreichend, um die weitere Entwicklung des Bergbaues zu sichern; der Landesfürst als Regalherr mußte deshalb Sorge tragen, durch entsprechende Bergwerksordnungen das Emporblühen und Gedeihen des Bergbaues sicherzustellen. Nun erhebt sich die wichtige Frage: Welche Rechts- und Wirtschaftsgrundlagen hat Herzog Friedrich dem neu aufblühenden Schwazer Bergbau gegeben, erhielt der Bergbau schon in seiner Entstehungszeit eine eigene Bergordnung oder wurden für Schwaz die Rechte eines schon bestehenden Bergwerkes rechtsgültig gemacht?
In den Anfangszeiten des Bergbaues um Schwaz hat Herzog Friedrich keine eigene Bergordnung für Schwaz erlassen, die bewegten Zeitläufte mögen daran wohl schuld gewesen sein; Herzog Friedrich hat vielmehr die Bergordnung eines schon länger bestehenden Bergbaues für Schwaz rechtskräftig gemacht.
Nach der ersten erreichbaren Grubenverleihungsurkunde vom Jahre 1427 steht fest, daß in der Entstehungszeit des Bergbaues den Schwazer Gewerken die Bergordnung des obersteirischen Bergwerkes Schladming vom Jahre 1408 als Rechts- und Wirtschaftsnorm verliehen wurde; in der zitierten Grubenverleihungsurkunde heißt es: „...damit si und ir erben das nu fürbaß mügen üben und arbaiten, nuczen und nießen in allen den rechten, die unser perkhwerk zu Sledming hat..." — Die Richtigkeit dieser Tatsache wird noch durch weitere Urkunden bestätigt. In einem Ansuchen der Gewerken von Schwaz und Gossensaß um Bestätigung ihrer Freiheiten und Rechte, das ungefähr gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts dem Landesfürsten vorgelegt wurde, weisen die Bittsteller darauf hin, daß für beide Bergbaue die Schladminger Bergordnung Rechtsgültigkeit hatte. Einen weiteren Beweis finden wir noch in der bekannten Gossensasser Bergordnung, die uns noch einmal begegnet. — Wir besitzen also die unumstößliche Gewißheit, daß der Bergbrief von Schladming in der ersten Zeit des Schwazer Bergbaues durch landesfürstlichen Erlaß rechtsgültig wurde und bis zur großangelegten Regelung der Bergwerksangelegenheiten im Jahre 1449 im Schwazer Bergbaurevier grundlegende Geltung hatte.
Nun stellt sich uns eine weitere Frage in den Weg: Entsprach das Schladminger Bergweistum allein vollkommen den bestehenden Bergwerksverhältnissen zu Schwaz oder waren neben den Schladminger Grundnormen noch andere Bergbaugesetze in Rechtsgeltung? — Im früher erwähnten Ansuchen der Gewerken von Schwaz und Gossensaß erhalten wir zuverlässige Antwort auf unsere Frage, ebenso in der Bergordnung von Gossensaß aus dem Jahre 1427, die auch für Schwaz rechtskräftig erklärt wurde. Im Ansuchen der Gewerken sind neben dem Schladminger Bergbrief noch drei Erlässe angeführt, die Herzog Friedrich zu Beginn des Schwazer Bergbaues ergehen ließ, deren Inhalt in übersichtlicher genereller Skizzierung gekennzeichnet ist. Diese drei Erlässe können wir wohl ihrem Inhalt nach als den Schlußakt des Ringens um das Bergregal ansehen, da sie uns den Landesfürsten als alleinigen Inhaber des Bergregals und Schirmherrn der Bergbaufreiheit nennen. Diese Verordnungen sind jedenfalls bald nach der Betriebseröffnung erlassen worden, denn die erste bekannte Bergverleihungsurkunde von 1427 nennt den Landesfürsten in klarer Deutlichkeit als Regalherrn; es heißt: „... nuczen und nießen in allen den rechten, die unser perkhwerk zu Sledming hat... uns und unseren erben unvergriffenlich an unseren rechten, die uns als Lantsfürsten pilleich davon gepürden, angeverde."
In diesen drei Erlässen Herzog Friedrichs erblicken wir also fürs erste die Grundgesetze des Bergregals der tirolischen Landesfürsten im allgemeinen, fürs zweite erkennen wir in ihnen die unumgänglich notwendigen Grundlagen der Lebensbedingungen des Schwazer Bergbaues, dem diese prinzipiellen Entscheidungen des Landesherrn im Kampfe gegen die in Schwaz ansässige Grundherrschaft zu Hilfe kamen. Es ist ja nicht unschwer zu begreifen, daß die Schwazer Grundherrschaft, das Geschlecht derer nun Frundsberg, bei der für die Grundeigentümer ungünstig gewordenen Lage des Bergregals nicht zur Förderung des in ihrem Herrschaftsgebiet liegenden Bergwerkes beitrug und in ihren Maßnahmen und Handlungen vielfach einen dem Bergbau unfreundlichen Standpunkt an den Tag legte, weil sie durch den allenthalben in ihrem Gerichtsbereich aufstrebenden Bergbau in den Machtverhältnissen gestört wurde, selbst aber höchstwahrscheinlich keine irgendwie gearteten Anteile am Bergbau hatte. Durch diese drei landesfürstlichen Verordnungen wurden den Frundsbergern die Rechte der Einmischung in Bergwerksangelegenheiten, wie z. B. in der Schurffreiheit, entzogen und dem Bergbau die ungehinderte Entwicklung zu Nutz und Frommen der Landesfürsten gesichert; die Verleihung von Gruben geschah nicht aus edler Fürsorge und humanen Gefühlen für die Untertanen, sondern wie eine Freiberger Bergordnung offenherzig sagt: „... um der Herrschaft Nutz und Frommen halber."
Der Inhalt des ersten Erlasses, in dem wir das Fundament des landesfürstlichen Regalrechtes verankert sehen, ist folgendermaßen skizziert: „Item am ersten ainen brief von unferm gnedigen Herrn Herzog Friedrichn loblicher gedachtnuß, wie sein gnad schafft stolln ze suchn und aufzeflahn in ängern, in ackern und anderswo, do man erzt erlangt hat oder erpawen mag." — Nach der Inhaltsangabe dieser Verordnung wurde den Bergbautreibenden vom Landesfürsten als Regalherrn die Bergbaufreiheit verliehen, d. h. das Recht, überall, also auch auf fremdem Grund und Buden, unter Beobachtung der von dem Regalherrn vorgeschriebenen Bedingungen Bergbau auf die dem Regal unterworfenen Mineralien zu treiben. Mit der jetzt zitierten Formulierung des Erlasses über die Bergbaufreiheit nahm der Landesfürst nun Tirol keine Sonderstellung ein. In dem Trientiner Bergwerksvertrag vom 24. März 1185, den Bischof Albrecht von Trient mit den Bergleuten abgeschlossen hatte, wird zwischen Gemeinland und Privatbesitz kein Unterschied gemacht; es heißt in der Urkunde: „…Quibus solutis omnibus mons ipsis omnibus tam pauperi quam diviti communis esse debeat.“ Auch nach dem Schemnitzer Bergrecht aus dem 12. Jahrhundert war den Bergbauunternehmern erlaubt, auf jedermanns Grund und Boden, ohne daß die Grundeigentümer um Erlaubnis gefragt werden mußten, Gruben aufzuschlagen und Bergbau zu betreiben. Auf den Grundeigentümer wird nach diesem Bergrecht nur insoweit Rücksicht genommen, als dieser den dritten Teil der Urbure, einer Ertragsabgabe, erhielt; im tirolischen Bergbauerlaß wird diese Ertragsabgabe an die Grundeigentümer nicht erwähnt. — Den ähnlichen Standpunkt finden wir im Freiberger Bergrecht, das vom Markgrafen Heinrich von Meißen im Jahr 1255 bestätigt worden ist; es heißt darin: „….Wo man erz suchen myl, das mag man wol thun, unde daz sol von rechte nymannt weren." Dem ersten grundlegenden Erlaß folgten zwei weitere Verordnungen Friedrichs als Ergänzung; sie trugen den allerwichtigsten Lebensbedingungen des jungen Bergbaues Rechnung. Der Auszug aus dem Inhalt dieser zwei Erlässe lautet: „Item ainen brief von Herzog friedrichn loblicher gedachtnuß, wie sein gnad schafft wasser zu den hüttn, und weg und fteg gen holz und wäld ze arbaiten und fürn zu notturft des pergtwerchs." — „Item ainen brief von Herzog friedrichn loblicher gedachtnuß, wie sein gnad schafft holz aus den freyen walden ze fürn und pringen durch wisen und äcker der nachtpaurn und daz daz der richter und gesworn des pergkwerchs erkennen, was man den nachtpaurn fur ir scheden zuen soll." — Dieser Inhaltsangabe entnehmen wir, daß Herzog Friedrich in konsequenter Durchführung des Prinzips der Bergbaufreiheit fiskalische Wälder für den Holzbezug zu Bergwerksbedarf freigab, den Gewerken den Wasserbezug und die Zuleitung zu den Bergwerkshütten, den Aufbereitungsanlagen und den Behausungen der Bergleute erlaubte und den Bau von Wegen und Stegen durch fremden Grund gestattete und die Benutzung fremder Wege zu Bergwerkszwecken freistellte; Bergrichter und Geschworene hatten die Höhe der Vergütungssumme für allenfalls entstandene Schäden festzustellen. — Diesen drei Entscheidungen grundlegender Natur wurde von Herzog Friedrich zunächst die Schladminger Bergordnung vom Jahr 1408 beigegeben, welche die Rechts- und Wirtschaftsangelegenheiten des Schwazer Bergbaues regeln sollte.
Die Bergordnung von Schladming beeinflußte im allgemeinen die im nördlichen Teil der Ostalpen liegenden Bergbaue, in der Hauptsache ist sie aber die Grundlage der nordtirolischen, bayerischen und salzburgischen Bergordnungen. Eine andere Frage, die schon seinerzeit Hartwig Peetz anschnitt, ist die, ob und wie weit die Beschlüsse der Trientiner Bergwerkssynode vom Jahre 1208 die Rechtsverhältnisse der Nordtiroler Bergbaue, also auch des Schwazer Bergbaues, beeinflußten. Aus dem in höchst bescheidenem Umfang vorhandenen Urkundenmaterial der Entstehungszeit des Bergwerkes läßt sich nichts ermitteln, woraus man auf einen unmittelbar wirkenden Einfluß der Trientiner Synodalbeschlüsse schließen könnte. Erst mit dem Jahre 1427 lassen sich mittelbare Einflüsse — auf dem Umweg über Gossensaß — feststellen.
Am 26. Juni 1427 erließ Herzog Friedrich eine Bergordnung für Gossensaß, die gleichzeitig für alle Bergwerke des Landes Tirol Geltung bekam. Diese Bergordnung trat nun dem Schladminger Bergweistum in Schwaz zur Seite, ein deutliches Zeichen, daß die Schladminger Ordnung dem aufstrebenden Bergbau nicht mehr genügen konnte. Wir kommen noch einmal auf die Beschlüsse der Bergwertssynode von Trient zurück und machen die Feststellung, daß sich in dem Bergrecht von Gossensaß von 1427 allerdings einzelne Spuren der Synodalbeschlüsse verfolgen lassen, aber ohne zwingende Beweisführung, denn das Erkennen von Einflüssen, die nicht unmittelbar Einzelfälle der Bergwerksrechtsprechung betreffen und aus den Urteilen ersichtlich sind, ist im allgemeinen sehr erschwert, nachdem wir ja im deutschen Bergrecht eine Reihe von gleichartigen Grundsätzen finden, die einer gemeinsamen Quelle, dem römischen Recht, entstammen. Zu den genannten drei Erlässen Friedrichs traten also die Bergrechte von Schladming und bald danach die Bergordnung von Gossensaß. Die fortwährenden Entscheidungen des Landesfürsten bei Beschwerden und Wünschen der Gewerken, Lehenhäuer und Bergarbeiter in der Folgezeit lassen erkennen, daß beide Bergordnungen mit dem kräftigen, ungeahnten Aufblühen des Schwazer Bergbaues nicht Schritt halten konnten und nicht mehr in der Lage waren, dem Bergrichter und seinen Geschworenen beim Schöpfen der Urteile als lückenlose Rechtsbasis zu dienen. Doch erst im Jahre 1449 wurden die Schwazer Rechts- und Wirtschaftsverhältnisse einer gründlichen Regelung unterzogen: das Ergebnis war die große Bergordnung von Schwaz, die noch im gleichen Jahre die landesfürstliche Genehmigung erhielt. — Um die Mitte des 15. Jahrhunderts hatte der Bergbau von Schwaz die Bergwerke in den Alpenländern überflügelt; die Entwicklung ging sprunghaft. Die Schwazer Bergrechts- und Wirtschaftsnormen erlangten schon im Laufe des 15. Jahrhunderts bei einer Reihe von benachbarten Bergbauen Einfluß; bei einigen Bergwerken, wie z. B. Kufstein, Rattenberg und Kitzbühel und anderen Bergbauen in Bayern und den österreichischen Vorlanden, besaßen die Schwazer Bergrechte für einige Zeit völlige Rechtsgeltung.
Quelle: Dr. Ludwig Knapp, Die ersten Rechtsgrundlagen des Schwazer Bergbaues, in: Tiroler Heimatblätter, 10. Jahrgang, Heft 1, 1932, S. 14 - 17.
© digitale Version: www.SAGEN.at