Der Silber- und Kupferbergbau Röhrerbühel bei Kitzbühel in Tirol
3. Die bergbaulichen Verhältnisse.
Das eigentliche Röhrerbüheler Erzvorkommen besteht aus einem Ost-West streichenden Gangsystem mit mehreren Gangklüften und Erzgängen von denen vornehmlich drei näher bekannt sind. Es ist dies die Liegendkluft, die Mitterkluft und die Hangendkluft mit annähernd parallelem Streichen und einem Einfallwinkel von ca. 45° gegen Süden. Der Abstand der Liegend- zur Hangendkluft betragt beim Geistschacht etwa 35 Klft = 66 m. Die Mitterkluft ist nur in einem Teil der Gruben, nicht überall bekannt.
Soweit die Erzgänge bekannt und abgebaut wurden, liegt die Grenze im Osten etwa beim alten Rosenberger Richtschacht, die streichende Erstreckung bis zum Reinankenschacht bzw. der Reitherache beträgt 2 km. Von hier erstrecken sich die Fuggerbaue im Edertal in gerader Fortsetzung der Lagerstätte noch ca. 1,5 km gegen Westen. Von den Richtschächten waren der Rosenberger-schacht und der Fundschacht auf den zu Tage tretenden Erzgang angesetzt, ebenso der Tagschacht beim Geisterbau, auch Reinanken war nahe am Liegenden angesetzt, dagegen waren die Richtschächte Daniel, Geist und Gsöllenbau auch Ruedlwald im Hangenden angesetzt und trafen erst in einigen 100 m Tiefe die Erzgänge. Genaues darüber lässt sich auch heute noch nicht sagen. Verlässliche Grubenkarten darüber fehlen, die sehr schöne Feistenbergersche Karte von 1621, ebenso Sennhofers Karte von 1765 sind Längsaufrisse, schön zum Anschauen, doch weder einen Grundriss noch Querprofile enthaltend.
Die frühere Annahme, dass die tonnlägigen Richtschächte dem Einfallen der Erzgänge gefolgt wären, trifft nicht zu, wie die letzten Versuchsarbeiten 1908 - 1916 mit dem Untersuchungsschacht beim alten Geistschacht zeigten, dass das Einfallen der Gänge 45° gegen Süden beträgt. Eigentümlich berührt einem die gleichmäßige Tonnlage sämtlicher Richtschächte mit ca. 85° gegen Süden oder Mittag. Dies dürfte mit dem damaligen Stand der Technik zusammenhängen. Bei saigeren (senkrechten) Schächten war eine sehr gute Führung für die Förderkübel notwendig, die sich bei tonnlägigen Schächten durch einfache Bretterführung von selbst ergab. Ein Schlittengestell für die ledernen Wassersäcke, die Wasserhaltung aus den Schächten war auch fertig. Dies ist das so einfache Geheimnis der damals allgemein üblichen tonnlägigen Schächte mit sehr schwacher Tonnlage.
Die reichen Funde der ersten Schürfe verursachten einen solchen Rausch, dass schon in kürzester Zeit über 1000 Schächte entstanden. Abenteurer aus der ganzen Welt kamen zusammen und versuchten ihr Glück, das nur die wenigsten fanden.
Die kleinen Grubenfelder, je etwa 180 m² groß, führten zu vielen Streitigkeiten und zum vollständigen Chaos, das nur durch rasches Eingreifen der Regierung verhütet wurde. Aus den 1.000 Schächten wurden nun 11 Zechen mit entsprechenden Grubenfeldern, die dem gewaltigen Kostenaufwand eher entsprachen. Die neuen Richtschächte, teils mit Ross- teils mit Wassergöpl eingerichtet waren leistungsfähig und wurden mit einer solchen Hast und Geschwindigkeit niedergebracht, dass man noch heute staunen muss. Innerhalb weniger Jahre 300 - 500 m Tiefe, sind Leistungen, die einmalig sind in der Geschichte.
Zum besseren Verständnis sei mir gestattet, die Ursachen klar zu legen. Die Röhrerbüheler Gänge führen zweierlei Erz mit ganz verschiedenen Gehalten. Das Kupferfahlerz in reinem Zustand ca. 35% Cu und 0,35% Silber enthaltend und den Kupferkies mit ca. 25% Cu und 0,02% Silber. Analysen sind mir sehr viele bekannt, doch keine einzige von reinen unvermischten Erzen. Der Bergbau war ein Silberbergbau, Kupfer nahm man mit, doch hätte es allein nie die Kosten gedeckt. 100 kg Fahlerz gab 1/2 Zentner Kupfer und 1 Mark = 280 gr Silber. 100 kg Kupferkies ergab kapp 1/2 Zentner Kupfer, doch im besten Fall nur 1/10 Mark Silber. Von dieser Erwägung ausgehend wurde Wert auf die Fahlerz-gewinnnung gelegt, der Kies vielfach in der Grube gelassen und versetzt oder wenn er gefördert werden musste und nicht reich oder stark mit Fahlerz gemischt war, auf die Halde gestürzt. Nur diese Suche nach dem reichen Gewinn bringenden Fahlerz (Stuf und Bruch) und der Sucht schnell reich zu werden, macht das unvorstellbar schnelle Niedersenken der Schächte erklärlich. Nehme ich das beste Jahr 1552 mit 38.395 Star Stuf und 22.685 Star Bruch = rund 3.600 t Fahlerz und einer Silberausbeute von 6.430 kg, so ergibt das ungefähr einen Silbergehalt von 0,18% oder 1,8 kg pro t Erz. Den mitgeförderten Kies kann man dabei außer Rechnung lassen wegen seines niederen Silbergehaltes, der die hohen Kosten der Abscheidung des Silbers aus dem Kupfer kaum deckte. Das Gebirge war beim Röhrerbüheler Bergbau nicht besonders standhaft und erforderte viel Holz zum Ausbau. Sparsamer Betrieb durch Offenhaltung nur weniger Strecken, rascher Abbau, dann erst Auffahrung weiterer Strecken, damit nicht viele Baue gleichzeitig offen standen, kannten die Alten nicht. Die vielen offenen Strecken erforderten zum Ausbau viel Holz, das bei trockenem Schiefergebirge rasch fault. Frisches, gesundes Holz ist oft in 2 Jahren vollkommen durch Trockenfäulnis zerstört, dies ist, anders betrachtet ein Vergasungsprozess. Die Schachtmündungen lagen alle in gleicher Höhe, so dass auch kein stärkerer natürlicher Wetterzug entstand, wie dies bei Stollenbergbauen mit größerem Höhenunterschied immer der Fall ist. So bildeten die aus der Holzfäulnis entstandenen brennbaren Gase eine dauernde Gefahr, ähnlich den Schlagwettern in manchen Steinkohlengruben. Am offenen Licht entzündeten sich diese Gase und konnten verheerende Wirkungen haben.
Auch die Förderung verursacht große Schwierigkeiten, so erfahren wir, dass die Förderseile des Reinankenschachtes, allerdings für 500 Klafter Tiefe, samt den Förderkübeln 160 Zentner wogen. Nach Weithofer sollen die Seile ca. 65 mm stark aus bestem Vorarlberger Hanf hergestellt, etwa zweifache Sicherheit gehabt und öfter zu Seilbrüchen geführt haben. Schon der Ausgleich der ungeheuren einseitigen Belastung, 500 Klft Seil mit gefülltem Kübel, der 10 Zentner Nutzlast hatte, war bei dem damaligen Stand des Maschinenbaues eine gewaltige Leistung, über die man auch heute noch staunen muss. Ein Treiben aus 250 Klft Tiefe dauerte ohne Störung eine Viertelstunde. Aus der vollen Schachttiefe mit 500 Klft = 950 m waren im allerbesten Fall, stündlich 3 Züge = 3 Kübel möglich. Bei der großen Tiefe der Schächte musste die Mannschaft am Seil ein- und ausfahren, mehr wie höchstens 3 Mann auf einmal hatten in der Tonne keinen Platz, das Holz für den Grubenausbau musste am Seil eingelassen, das Wasser aus den Schächten auch mit der Tonne oder großen Ledersäcken gehoben werden. So blieb für die Erzförderung eigentlich wenig Zeit übrig, da vielfach taubes Gestein, Berge nennt es der Bergmann, vom Schachtabteufen und Streckenauffahren mit gefördert werden musste. Hieraus ergibt sich, dass die Zahl der Erzhauer klein war, wegen der Schwierigkeit, diese an ihren Arbeitsort und nach beendeter Schicht wieder zutage zu bringen. Die Gewerken waren gezwungen, nur gutes reiches Fahlerz in erster Linie zu fördern, da nur dieses durch seinen hohen Silbergehalt die großen Kosten decken konnte. Der silberarme Kies blieb zurück, wurde versetzt oder nur im Notfall mit gefördert. War er nicht reich, wurde er besonders in der ersten Zeit auf die Halde gestürzt. Hält man sich dies vor Augen so wird die verschiedene Bezahlung der Erze, Fahlerz (Stuf und Bruch) hoch, dagegen Kies sehr gering, verständlich. Die Kosten und Gewinne der Gruben konnten nur durch das Silber gedeckt werden. Die verständliche Klage der Lehenhäuer wegen der niederen Bezahlung des Kieses hat daran ihre Ursache, dass die Erzhauer für Kies die gleiche Bezahlung wie für Stuf und Bruch haben wollten, ist begreiflich. Diese niedrige Bezahlung des Kieses wurde immer als eine Bedrückung der Arbeiter ausgelegt, war aber durch die Verhältnisse bedingt, damit die Gruben überhaupt bestehen konnten, da bei den sehr beschränkten Fördermöglichkeiten wertvolles Erz gefördert werden musste. 2 Zentner, ca. 2 Star reines Fahlerz brachten 1/2 Zentner Kupfer und 1 Mark Silber im Verkaufserlös der Metalle von Fl 18,-, 2 Zentner reiner Kies brachte 1/2 Zentner Kupfer, kein Silber im Verkaufserlös von F1 6,-. Von diesen Verkaufspreisen ist etwa 1/3 für Verhüttungskosten abzuziehen, um auf die Erlöse der Gruben für Erze zu kommen.
Auch das Verhältnis der Erzhauer und Lehenhauer zu den Herrenarbeitern war ein äußerst ungünstiges, da gerade der Schachtbetrieb mit seinen komplizierten Fördereinrichtungen sowie die dauernde Offenhaltung weit ausgedehnter Grubenbaue viele Arbeitskräfte beanspruchten. Der Leerlauf war sehr groß, der Nutzeffekt dagegen gering.
Die Erzverhüttung erfolgte für die Fronerze in der landes-fürstlichen Schmelzhütte bei Schloss Kaps. Die Kessentalerische Gesellschaft hatte ihre Schmelzhütten in Kitzbühel und Kössen, die Fugger in Litzelfelden, die Rosenberger bei Fieberbrunn und am Pillersee, die Kirchberger zu Kirchberg, andere Gewerken zu Haslau bei Hopfgarten. In diesen Hütten wurden auch die Erze der im Hochgebirge gelegenen Gruben, an denen vielfach die gleichen Gewerken beteiligt waren, mit verhüttet. Es waren dies die Gruben bei der Kelchalpe, Kupferplatte, Schattberg, Sinnwell, Brunnalpe und viele kleinere Gruben.
Die Besitzverhältnisse waren bei Beteiligung mehrerer Gewerken an einer Grube so, dass diese in 9 Neuntel, jedes Neuntel in 4 Viertel, also die ganze Grube in 36 Viertel eingeteilt war. Diese Viertel waren Anteile, heute würde man sie Kuxe nennen. Es musste jeder Gewerke den auf sein Viertel treffenden Kostenteil, die Samkost zahlen und erhielt auch den auf sein Viertel treffenden Anteil der Erzförderung bei der Raitung oder Abrechnung, die in Kitzbühel im Jahre meist 8 mal erfolgte, ausgeliefert.
Die letzte Haltung im Jahr, meist um Weihnachten herum, war der sogenannte Hinlass, bei dem in Gegenwart des Bergrichters und aller Beamten und Gewerken die Lehenschaften für das nächste Jahr vergeben, alle Arbeitsverhältnisse geregelt auch die landesfürstlichen Hilfen für den Bergbau, „Gnad und Hilf“, sowie die Abgaben, Fron und Wechsel für das kommende Jahr festgelegt wurden.
Die damalige heute unbekannte Bezeichnung Samkost bedeute die Grubenkosten, also Löhne, Material und dergleichen, mithin die gesamten Kosten des Bergbaues.
Die Fron war der Zehnte, neun Kübel Erz gehörten den Gewerken, der 10. Kübel dem Landesfürsten als Abgabe, der Fron.
Der Wechsel war ursprünglich die sogenannte Prägegebühr bei Umtausch der Silberbarren in der Haller Münze gegen Silbermünzen. Aus dieser Prägegebühr auch Schlagsatz oder Wechsel genannt, entwickelte sich mit der Zeit eine regelrechte Abgabe, deren Höhe je nach dem Erträgnis der Grube festgesetzt wurde und die beim Einlösen des Silbers in der Haller Münze vom Übernahmepreis in Abzug gebracht wurde. Der freie Silberverkauf war schon nach dem Schmalkaldeneinfall der Gewerken an fremde Abnehmer verboten.Quelle: Albert Nöh, Der Silber- und Kupferbergbau Röhrerbühel bei Kitzbühel in Tirol, Schwaz 1949.
© Digitale Version Dez. 2009 Ing. Gerd Kohler / Oberndorf in Tirol