Das „Schlenkerbohren“ im heimatlichen Bergbau.
Von Hans Wallnöfer
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In jedem Bergbau sind bedeutende Arbeitsleistungen erforderlich, welche den verschiedensten Zwecken zu dienen haben. Zur Schaffung von Stollen und Schächten ober- und unterirdischer Baue benützt der Bergmann die verschiedensten Arbeiten, sei es Hand- Spreng- oder Maschinenarbeit.
In diesen Zeilen soll von der Häuer Handarbeit als Gewinungsarbeit und insbesondere vom Bohren und zwar vom „Schlenkerbohren“ die Rede sein.
Unter der Handarbeit unterscheidet man:
Die Wegfüllarbeit; Gewinnung von wenig zusammenhängenden losen Massen, sowie zum Teil die Fortschaffung solchen Materials oder von Hauwerk. Gezähe (Arbeitsgeräte): Schaufeln und Kratzen verschiedenster Form, Bergtröge, Rechen und Hauen.
Die Keilhauarbeit: zunächst für mildes Gestein aber auch als Vor- oder Nacharbeit anderer Gewinnungsmethoden. Gezähe: hauptsächlich die Keilhaue, Pickel oder Bergeisen, Berghammer, die Breithaue, die Axt.
Die Schlägel- und Eisenarbeit: Diese war in früheren Zeiten vor Einführung der Sprengarbeit eine allgemeine Gewinnungsmethode. Gegenwärtig wird sie als solche nicht mehr angewendet, wohl aber zu besonderen Zwecken, z. B. zur Herstellung von Bühnlöchern, der Widerlager für Mauerungen, zum Nachführen der Stöße (Stollenseiten) bei der Sprengarbeit. Gezähe: das Eisen, das Spitzeisen, der Schlägel oder das Fäustl.
Die Hereintreibearbeit als Schlägel- und Eisenarbeit im großen verbunden mit vorhergehender Keilhauarbeit oder Sprengarbeit. Sie findet die ausgesprochenste Anwendung als Gewinnungsmethode beim Steinsalz. Gezähe: die bei den einzelnen Arbeiten bereits genannten, sowie Keile und Brechstangen. Sprengarbeit: Die erste sichere Nachricht über die Verwendung des schon einige Jahrhunderte früher bekannten Pulvers für Sprengarbeit findet sich in einer Niederschrift des Berggerichtsbuches vom Jahre 1627, wonach ein Tirolerbergmann namens Kaspar Weindl bei Schemnitz in Ungarn die erste Sprengung durchgeführt hat. 1632 kam die Sprengarbeit nach Deutschland: Ende des 17 Jahrhunderts wahrscheinlich erst in die Alpenländer.
Im Principe wird die Sprengarbeit in der Weise ausgeführt, dass in das zu lösende Gestein ein Loch von entsprechender Tiefe gebohrt und dieses mit einem Sprengmittel besetzt wird.
Die Herstellung der Bohrlöcher erfolgt drehend, stoßend oder schlagend. Beim schlagenden Bohren steht der Bohrer mit seiner Schneide auf der Bohrlochsohle und empfängt in dieser Stellung durch den Fäustel Schläge, die bewirken, dass die Schneide etwas in das Gestein eindringt und Gesteinsstückchen abtrennt. Damit das Loch rund werde und keine „Füchse“ entstehen, muss der Bohrer umgesetzt werden.
Das Gezähe für das schlagende Bohren sind Fäustel und Bohrer. Außerdem benutzt man für abwärts gerichtete Bohrlöcher den Krätzer und einen Wassereimer mit Schöpfgefäß. In letzterem Falle pflegt man auf den Bohrer eine Lederscheibe zu schieben.
Das Fäustl besteht aus Stahl und ist etwas gekrümmt, das Helm besteht aus Holz. Die Bohrer bestehen aus runden oder achteckigen Stahlstangen. Gebohrt wird einmännisch und zweimännisch, letzteres in Bergwerken seltener und wohl nur bei Tagbauen und in Steinbrüchen.
Das "Schlenkerbohren" an der Thinnebacher Erzstraße
Eine besondere Methode des Handbohrens ist nun das „Schlenkerbohren“.
Dem Bergmanne legt man verschiedene Charaktereigentümlichkeiten bei, so ein gewisses Standesbewusstsein, einen Hang zum Idealismus und Selbstlosigkeit, treue Kameradschaft, selbst mit Einsetzung des eigenen Lebens in Stunden der Gefahr, ein Mitarbeiten im Berufe auch ohne Entgelt.
Es ist dies wohl auch begreiflich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Bergbau in der Regel in Gegenden betrieben wird, welche weit entfernt sind vom hastenden und nach „dem Glücke“ jagenden Leben der Großstadt oder des Industrieortes, das so ernüchternd und nivellierend wirkt und Feind alles Konservativen ist. Auf diese Weise konzentriert sich notwendigerweise das Sinnen und Trachten des Bergmannes ganz auf seinen Beruf, vermehrt noch durch das Bewusstsein, selbst zur Grube zu gehören, in der bereits sein Vater, Großvater und oft wohl auch schon der Urahne gearbeitet haben und deren Stollen und Schächte er täglich durchfährt.
Ein Beispiel beruflicher Mitarbeit sehen wir nun in dem bereits erwähnten „Schlenkerbohren“.
Mit der Einführung des Dynamits als Sprengstoff, wesentlich stärker als das bisher in Verwendung gestandene Schwarzpulver, mussten bei der Sprengarbeit verschiedene Änderungen platzgreifen, darunter auch, dass die Bohrlöcher länger gebohrt werden mußten. Das bisher gepflogene „Würgen“ der Bohrlöcher (Bohren der Bohrlöcher von unten nach oben bei mäßigem Winkel und ohne Zugießen von Wasser) war unter den neuen Verhältnissen zu unwesentlich und unrationell. Und so bildete sich aus diesem und dem bereits erwähnten zweimännischen Bohren mit Fäustel und starrem Helme das unten noch weiter behandelte „Schlenkerbohren“ mit ab- und aufwärts Fäusteln und elastischen Stielen heraus, wie es von der Knappschaft der Betriebe am Pfundererberg und am Schneeberg der Klausner Bergverwaltung bis zur Stunde immer noch gehandhabt wird. Man war gezwungen, eine vollkommenere Methode des Bohrens zu finden und fand dieselbe im „Schlenkerbohren“. Der „Katzenkopf“ (Fäustel in mehr runder Form) wich der gedrungeneren Bauart des neuen Fäustels, der starre Helm dem elastischen. Wir sehen bei dieser Arbeit, wie weit praktischer Fleiß und Intelligenz es bringen. Die Methode wurde bekannt, mit großem Interesse aufgenommen, Fachzeitschriften berichteten darüber und bewirkten so allgemeine Anwendung.
Ob Betriebe anderer Alpenländer sich an die Klausner Methode anlehnten oder „das Schlenkerbohren“ in ähnlicher Form erlernten und entwickelten, ist mir nicht bekannt. Das eine ist sicher, dass diese Art des Bohrens in den 70er und 80er Jahren durch Klausner Bergknappen nach Böhmen verpflanzt wurde.
Acht sogenannte „Musterhäuer“ wurden damals über ministeriellen Auftrag von Seite der Klausner Bergverwaltung nach Pribram in Böhmen beordert, um die Belegschaft des dortigen Blei- und Silber-Bergwerkes das „Schlenkerbohren“ zu lehren. Sie mögen der Vergessenheit entrissen und ihre Namen genannt werden. Es waren die Villanderer: Ploner Thomas „Zilderer“, nachmaliger Grubenoberaufseher am Schneeberg, Huber Johan „Fink“, Gruber Alois „Gruber“, Schölzhorn Johann „Wilboth“ und die Latzfonser: UnterthinerJakob „Flor“, Siller Josef „Garnsteiner“, Maier Stefan „Tschiffnar“ und Anranter Josef „Freisinger“.
In treuer Mitarbeit beim Grubenbetriebe mögen sie wohl oft empfunden und gewünscht haben, wie es im Liede heißt:
Es grüne die Tanne,
Es wachse das Erz!
Möge dieses Tannenreis ihren Hügel schmücken als Zeichen geringer Dankbarkeit: sie sind alle bereits angefahren zur letzten Schicht, Mutter Erde deckt ihre Söhne.
"Vierspitz" Fäustel mit Fäustel mit elastischen / starrem Helm Stielen
Das Wesen der Methode des „Schlenkerbohrens“ liegt in der Benützung elastischer Stiele zu den Fäusteln. Hierdurch wird ein bequemes Bohren nach aufwärts ermöglicht, wobei ein Fäustl an einem 50 Zentimeter langen elastischen Stiele mit gekrümmter Handhabe zur Anwendung kommt, das bei einem Gewichte von etwa 1.2 Kilogramm durch eine schlenkernde Bewegung des Armes mit Schwung auf den vom anderen Arme gehaltenen Bohrer geführt wird. Der Arbeiter kann auf diese Weise bei entsprechender Übung mit verhältnismäßig geringer Anstrengung dem Bohrer außerordentlich wuchtige Schläge versetzen und mit Vorteil Bohrlöcher nach aufwärts herstellen, außerdem lassen sich bei gebückter oder kniender Stellung des Arbeiters auch horizontale Sohlschüsse durchführen.
Die elastischen Stiele der Schlenkerfäustel bestehen aus frischen Trieben eines zähen Nadelholzes (Lärchen, Föhren, Fichten, Latschen), um schon von Natur aus die gekrümmte Handhabe oder aber durch Biegen zu erhalten.
Abwechselnd mit den gewöhnlichen Schneidbohrern werden beim „Schlenkerbohren“ noch vierspitzige Kronenbohrer „Vierspitze“ benützt, welche beim Durchbohren von Gesteinslagen wechselnder Härte besonders für weniger geübte Arbeiter zur Geradeführung und gehörigen Offenhaltung des Bohrloches bequem und vorteilhaft sind.
Die beiliegenden Bilder stammen aus dem Nachlasse des Klausner Bergverwalters Michael Junger und wurden an der Tinnebacher Erzstraße nach Garnstein belichtet. Der Häuer ist leider in Vergessenheit geraten. Wie ersichtlich, bedarf es ziemlicher Geschicklichkeit, diese Bohr-Methode zu handhaben. Die Erlernung derselben erfordert in vollstem Maße viele Schweißtropfen und Schwielen, des öfteren Quetschungen und nicht selten Verletzungen: ja es kann vorkommen, dass der Häuer anstatt des Bohrers seinen eigenen Kopf trifft und verletzt vom Gerüste fällt.
Bei erlangter Übung jedoch ist die Art dieses Schlenkerbohrens bei Handbohrbetrieb zweifellos die beste und vorteilhafteste, da sie auch in schwierigen Lagen ein bequemes Arbeiten ermöglicht und dabei am wenigsten ermüdet.
Benutzte Quelle . Das Schlenkerbohren im Vergleiche zum gewöhnlichen Handbohren. Bergverwalter W. Göbl. — Öster. Zeitschrift für das Berg- und Hüttenwesen. Jahrgang 1881.
Quelle: Hans Wallnöfer, Etwas über das „Schlenkerbohren“ im heimatlichen Bergbau, in: Der Schlern, Illustrierte Monatsschrift für Heimat- und Volkskunde, 15. Jahrgang, 8. Heft, August 1934, S. 364 - 366.
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