Das Schwazer Bergbuch


Von Ludwig Lässl
© digitale Version: www.SAGEN.at

Gott der Allmächtige hat es durch seine göttliche und mildreiche Gnade und Barmherzigkeit für den Menschen so eingerichtet und zum größeren Trost und zur Besserung seiner Lebensbedingungen so gefügt, dass man durch seine einfließende göttliche Gnade Bergwerke aufsuchen, bauen, Erze probieren, schmelzen und zu Nutz und Gute bringen kann. Er lässt sie meist an wilden, unbewohnten Orten, in Einöden und Gebirgen suchen. Und wenn von ihnen nur eins gefunden und ein wenig gebaut wird, erfreuen sich des die umwohnenden Menschen sehr und hoffen, dadurch zu größerem Reichtum und Fortschritt zu kommen. Daher kaufen sich oft baulustige Herren und Personen aus dem In- und Auslande bei den Bergwerken ein. Sie legen große Summen an und zahlen den Mutern der Bergwerke hohe und ansehnliche Beträge. Sie wagen ihr Geld und Gut, um ein größeres, ansehnlicheres Bergwerk als Gottesgabe zu erbauen und zu erlangen. Deshalb sind auch in diesem Lande der fürstlichen Grafschaft Tirol und an anderen ausländischen Orten ansehnliche, gute und beständige Bergwerke erbaut und betrieben worden. Davon haben nicht allein die Gewerken und Erzknappen, die dort bauen und mit ihrer Hand arbeiten, Nutzen und Wohltaten, Nahrung und Unterhalt empfangen; sie sind auch allen anderen Personen hohen und niederen Standes, ebenso Städten und Märkten trefflich zugute gekommen, so dass sie zu höherem Ansehen und größerer Blüte gelangten, wie man aus eigener Anschauung und gründlicher Erfahrung sieht.

Nachdem, wie oben gesagt, in diesem Lande der fürstlichen Grafschaft Tirol und an anderen Orten die Bergwerke errichtet worden sind und sich eine so große Mannschaft angesammelt hat, haben sich, wie es zu Schwaz und in anderen umliegenden Flecken geschehen ist, die Gewerken und Bergwerksverwandten häuslich niedergelassen. Sie haben viel Geld angelegt, Häuser, Grund und Boden gekauft und gebaut, innegehabt und gebraucht. In Schwaz und anderen Orts wurden (bevor daselbst Bergwerke waren) ein Gut und das Baurecht für etwa hundert Gulden ge- und verkauft, wogegen nun, nachdem der Bergbau aufgekommen ist, dieselben Güter oder das Baurecht nicht mit fünfhundert Gulden erkauft und bezahlt werden können. Zudem haben die Bergwerksverwandten in solchen Flecken an vielen Stellen steinige Gründe, Hecken und Einöden ausgerodet, zunutze gebracht, gute Gründe und Gärten daraus gemacht und bebaut, was vorher wenig oder gar nichts wert gewesen ist, wird jetzt für viel Geld gekauft und verkauft.

Daneben verkaufen die Lehnsassen ihre Waren und Lebensmittel, die sie früher nicht für den halben Preis absetzen oder zugute bringen konnten, jetzt zu einem hohen Preis.

Es muss sich also ein jeder vergegenwärtigen, was die Bergwerke, wo sie auch gefunden und erbaut werden, an Nutzen und Gutem bringen und welche ansehnliche und stattliche Volksmenge sich dabei erhalten und ernähren kann. So sind die Bergwerke eine Gabe Gottes, die vielen Menschen zum Unterhalt, Nutzen und Vorteil erschaffen ist. Durch sie erfolgt eine große Hebung und eine Förderung des allgemeinen Wohlstandes, die auch dem Herrn und Landesfürsten an Fron und Wechsel und durch Vermehrung seines Volkes nützen. Lob, Ehre und Beistand bringen sie ihm, zudem genießt er davon Münzen, Zoll, Maut, Zinsen und anderes Einkommen. Auch alle anderen Personen hohen und niederen Standes in den Städten und auf dem Lande haben das merklich genossen und genießen es noch täglich. Besonders aber ist dieses Land, die fürstliche Grafschaft Tirol, mehr als alle anderen Orte und Flecken dadurch zu stärkerem Aufstieg gebracht worden. Deshalb ist es auch für einen Herrn und Landesfürsten, wie für jeden anderen, wenn ihnen der Allmächtige ein Bergwerk zu bauen verleiht, sehr vonnöten zu bedenken, dass die Bergwerksverwandten, es seien Gewerken, Erzknappen und andere, mit ihren Angehörigen vor allen anderen Personen (aus nachfolgenden Gründen) gefördert, begünstigt und mit besonderen Freiheiten, Rechten und Gebräuchen nach Rat und Gutdünken bergwerksverständiger Männer versehen, begabt und dabei erhalten, geschützt und beschirmt werden müssen. Sie sollen weder durch Stadt- noch Landgerichte, noch durch andere Obrigkeiten und Behinderungen beschwert werden, sondern bei gutem Willen und baulustig erhalten bleiben.

Der Allmächtige hat die Gnade verliehen, zu Schwaz am Falkenstein und in den umliegenden Orten ansehnliche Bergwerke und Gottesgaben aufzufinden und zu erbauen, wo alsdann eine große und ansehnliche Mannschaft zusammengekommen ist (die in diesen Bergwerken tätig ist), weil aber die Bergwerke nur bei guter Ordnung in Gang gebracht und erhalten werden können, haben anfangs weiland Erzherzog Sigmund von Österreich hochlöblichen Angedenkens und nach seiner fürstlichen Gnaden Absterben weiland Kaiser Maximilian hochlöblichen Angedenkens begonnen, mehrere Synoden, Versammlungen und Beratungen abzuhalten, um darin Ordnungen aufzustellen und über das Beschlossene Briefe und Befehle anzufertigen. Diese sind nacheinander in ein Buch geschrieben worden, das man die Erfindung nennt.

Es kann sich jeder gut erinnern, dass es sich in hochwichtigen Handlungen und langen Jahren vielmals zuträgt, dass in einer Sache zwei oder mehr Artikel hin und wieder versetzt werden und dadurch eine Unordnung aufkommt. So ist diesem Buch die Ordnung des Leonhard Eckelzain, Bergrichter zu Schladming, einverleibt, doch gilt diese Erfindung nicht. Nach ihr wird vor Gericht weder gütlich noch rechtlich gehandelt.

Damit aber eine ordentliche und verständige Erfindung, nach der bei Gericht vorgegangen werden soll, zum Abschluss kommt, haben Ihre Römisch-Königliche Majestät als jetziger Herr und Landesfürst und Ihrer Majestät Regierung vor etlichen Jahren befohlen, die alten Ordnungen und Erfindungen richtig ausgelegt in einer neuen Form der Erfindung zusammenzufassen. Diese neu korrigierte Erfindung und Ordnung ist in diesem fünfzehnhundertsechsundfünfzigsten Jahr noch nicht veröffentlicht, sondern zurückgehalten worden. Weil sie aber billigerweise an den Tag gebracht werden soll, wird sie nachstehend gebracht. Ich hoffe, dass sie nach dem rechten bergmännischen Verstande korrigiert ist. Wer sie aber besser und ordentlicher herauszubringen weiß, dem soll das nicht abgeschlagen sein, dem wünsche ich Glück. Er mag seinen Verstand dazu schärfen, die Feder gebrauchen und sein Werk an die Öffentlichkeit bringen.

Quelle: Ludwig Lässl, Bergwerk usw., 1556 (Das Schwazer Bergbuch).
© Transkription Dr.-Ing. Heinrich Winkelmann, Bochum 1956.
Korekturgelesen und behutsam an die neue Rechtschreibung angepasst: Wolfgang Morscher.
© digitale Version: www.SAGEN.at