Von den Tyrolischen Bergknappen: ihren Leibs -und Gemüthseigenschaften


von Joseph von Sperges

Die Bergarbeiten, welche in den Zechen und Grubengebäuden geschehen, sind mit einer immerwährenden Gefahr, und noch größerem Ungemache begleitet, ja der Gesundheit selbst schädlich.

Es ist die natürliche Feuchtigkeit der unterirdischen Luft nicht allein, die derselben schadet, sondern auch das böse, dunstige Wetter, welches entweder aus Mangel der äußern Luft, wann diese, zumalen in tiefen Schächten, ihren Zug dahin nicht haben kann, oder aus der Ausdünstung der Erztgänge und Mineralien, bevorab der schwefelhältigen und arsenikalischen, entsteht: derselbe setzet sich hernach in die Zechen, wo schon lang nicht gearbeitet worden, und wohin kein gutes Wetter kömmt. Ist dieser Schwaden giftig, so kann er die Bergleute auch auf einmal tödten: wie ich denn in dem ettenhardischen Bergbuche gelesen habe, daß im Jahr 1550 drey Knappen miteinander in der Grube S. Jacob zu Schwatz [Schwaz] durch das böse Wetter um das Leben gekommen, und sieben andere tödlich erkranket sind. Gemeiniglich nimmt das dämpfige Wetter den Bergleuten den Athem, und machet sie so siech, daß sie kaum in der frischen Luft sich wieder erholen können: die Lunge leidet davon am meisten, und es entsteht daraus ein stilles Fieber mit einer faulen Huste, und darauf folgenden Abzehrung: man nennet es die Bergkrankheit. Am Rörerbühel ist das böse Wetter viel gemeiner und heftiger: die Schwefeldünste sollen daselbst zuweilen so dick werden, daß sie sich von einem Grubenlichte, welches ungefähr in eine solche Zeche gebracht wird, von selbst, gleich einem Blitze, entzünden. Man hat ihnen sogar den Ursprung des Feuers, wovon vor ungefähr fünfzehen Jahren eine Brunst daselbst in einem Grubengebäude entstanden ist, zuschreiben wollen. So viel ist durch die vielfältige Erfahrung gewiß, daß das böse Wetter, wenn der Schwaden zu dick ist, die Grubenlichter nicht leidet, sondern sie auslöschet.

Aus allen diesen Umstanden läßt sich leicht schließen, daß die Erztknappen selten alt werden. Lucrez hat es schon angemerket; dessen Verse, weil er der älteste lateinische Dichter ist, welcher der Bergleute gedenket, ich hierunten beysetze. (*).

(*) Lib. VI. Denique ubi argenti venas aurique sequentur,
Terrai penitus ferutantes abdita ferro;
Quales expirat xxxxxx xxxx xxxx?
Quidve mali fit, ut exhalent aureta metalla?
(weitere zwei Zeilen unlesbar)

Sogar ihre äußere Gestalt giebt zu erkennen, daß sie eine natürliche Neigung zur Schwindsucht haben. Man darf die schwazerischen Bergleute nur gegen den Salzbergknappen, und den übrigen Einwohnern des Inthals [Inntal], ja selbst ihren Nachbaren, denen auf dem Wererberge, ansehen, welche Adam Flettus Dec. VII. Hist. S. J. . auf das J. 1608 artig beschreibet. Diese letztern sind sehr wohl gewachsen, von frischer Farbe, und starken Gliedmassen, sehen mannhaft aus, und erreichen gemeiniglich ein hohes Alter. Bey den Bergknappen zu Schwatz hingegen nimmt man in allem dem Unterschied wahr.

Der Charakter der Bergknappen ist ihrer Lebensart gemäß, die in einer gefährlichen Arbeit besteht, und fast allemal mit der Armut begleitet ist: sie sind daher kühn, und verwegen. Die Hoffnung, welche allen Bergleuten mit einem bessern Bergsegen schmeichelt, machet, daß sie nichts weniger, als die Wirtschaft lieben, von einem Tage zum andern ohne Kummer dahin leben, und bey ihrer Müheseligkeit immer gutes Muthes sind. Man hat in Tyrol die Pfenningswerthschaft, oder sogenannte Pfennwerthshandlung eingeführet: das ist, Herrenarbeitern wird ihr Löhnung nicht in barem Gelde allein gezahlet, sondern dafür auch Korn, Schmalz, Tuch, und dergleichen zur Haushaltung unentbehrliche Bedürfnisse abgereicht, welche denselben wieder abzukaufen verboten ist, damit deren Genuß nicht nur ihnen, sondern auch der Frau und den Kindern zu Gute komme. Herrenarbeiter, oder Hauer werden genannt, die sich von den Gewerken gegen einen gewissen Wochenlohn zur Arbeit dingen lassen : die Lehenhäuer hingegen bekommen von jenen eine Zeche auf Gewinn, und Verlust zu bauen.

Nach der gemeinen Einrichtung bey den Bergwerken sind sie an den strengsten Gehorsam, an Ordnung, und Mannszucht gewöhnet. Dieß und die vorbemerkten Umstände sind die Ursache, daß die Knappenbursche gerne Kriegsdienste nimmt.

Im J. 1525 hat der Oberste Conrad von Bemelberg, der kleine Hesse genannt, allein aus den Erztknappen zu Schwaz etliche hunderte zum Feldzuge nach Italien angeworben. Auch zu unserer Zeit, als im J. 1745 von den tyrolischen Ständen das Land- und Feldregiment aufgerichtet wurde, hat die Werbung im Lande nirgend einen so guten Fortgang, als eben zu Schwatz gehabt. Man hat auch die Bergknappen einige male in Kriegsfällen wider den Feind gebraucht (*)

(*) xxx xxx xxx xxx xxx schreibt zu den Zeiten Maximilians des Ersten:
Hinc pedites centum fudit praeclara metallo
Sbocia (Svacia) & antricolas descripsit in arma xxxxx.

Und Pucius Denicola (?) was spatters L. I. Danubii. (?)
Incosta, & horribiles, quos mistie(?) Nigria, civos(?)
Argenti venis dilissima Nigria & aeris
Er versteht unter diesem Namen Schwaz.

Im J. 1499 lagen ihrer viele gegen den Schweitzern, und Graubündern zu Felde: Johann Stumpf in der Chronik der Eidgenossen 10. B. sagt, daß es fünfzehnhundert der fröudigsten Erztknappen aus Etschland , genennt der stächlin Hauf, gewesen. So giebt ihnen auch der andere schweitzerische Geschichtschreiber Michael Stettner das Lob, daß sie kecke und starke Leute waren, die mit ungemeiner Erbitterung wider ihre Feinde gestritten haben. Ursinus (?) Bellus rühmet ebenmäßig derselben gute Dienste in den Kriegen Marimilians des Ersten, und daß ihre Geschicklichkeit in den Kriegsxxx(?) von den Spaniern, welche den Kaiser Karl den Fünften im Jahr 1530 nach Schwatz begleiteten, bewundert worden ist. (*)

(*) Lib. VII. de bello Pannon. Erat ea res perjucunda visu, praecipue Imperatori Caesari atque Hispanis, qui magnopere admirati sunt, uno in pago tantum hominum numerum extare, omnesque arte militari & xxxx excellere. Sunt autem plerique virtute singulari, in bello & armis exercitati, (?).

Ich weiß also nicht, wie es zugegangen ist, daß sie nebst dem vom Kaiser Maximilian aufgebotenen Landvolke in Wallgeu, von den Eidgenossen bey Frastenz an der Ill sich haben schindlich, und aufs Haupt schlagen lassen. Heut zu Tage könnte man sich dieser Leute zum Miniren in den Befestigungen bedienen: schon zur Zeit, da die Türken Wienn [Wien] im J. 1529 das erste Mal belagerten, und der Stadt mit Graben sehr heftig zusetzten, wurden die tyrolischen Erztknappen, die man vorher dahin eigens hatte kommen lassen, zum gegenminiren mit glücklichem Erfolge gebraucht, und die Stadt dadurch erhalten; wie P. Fuhrmann im alten und im neuen Wienn 2. Th. 3. B. anmerket. Als vermöge des im J. 1739 mit den Türken geschlossenen Friedens, die Befestigungswerker zu Belgrad oder Griechischweißenburg, vor der Übergabe dieser Stadt, niedergerissen und geschleifet werden mussten, die Arbeit aber, weil dieselben zum Theile in den lebendigen Felsen eingehauen waren, langsam vor sich gieng, sind dreyhundert Knappen aus Tyrol berufen, und zu Wasser dahin gebracht worden.

Die Lebensart der Bergleute bringet es mit sich, daß sie eben nicht das geschliffenste Volk seyn können. Sie sind dennoch, zumalen gegen Fremde, freundlich, und gefällig: und wenn gleich ihr Landesmann Joh. Ducius Oenicola (?) sie ein rauhes Volk (gens inculata, sed insignis patiensque laborum) nennet, so kan man doch diesem Dichter einen auswärtigen entgegen setzen, dem die Bergleute zu Sterzingen [Sterzing] auf seiner Zurückreise aus Italien sehr willfährig begegnet seyn müssen, indem er sie in seiner Reisebeschreibung, worinn er der dortigen Bergwerke im Vorbeygehen gedenket, deswegen rühmet (*).

(*) Georg Fabricius in Itinere Chemnicensi:
Comiter hic habiti; nec enim gens aspera cultu (?) & Moribus alpinis, quamvis in montibus erret, Visa fuit.

Noch schmeichelhafter ist das Zeugnis, so Robert Turner, ein gelehrter Engländer Epist. LXXI. An Jacoben Erlacher zu Brixen, von den tyrolischen Bergleuten, ihrer Redlichkeit, und gutem Willen gegen vorbeyreisende Gäste, giebt. Seitdem ihre Zahl, und mit dem abnehmenden Bergsegen auch der Muth sich sehr vermindert hat, sind sie ruhig und sittsamer: aber in den älteren Zeiten mußte die Landesregierung alle Vorsicht brauchen, dies Bergvolk in den Schranken zu halten.

Ihre älteste Tracht in der Kleidung xxx(?) aus den noch vorhandenen xxxxx xxx Kreuzgange des xxxxx xxxx Schwatz auf den Kirchenfenstern, xxx xxxx alten Häuser
[4 Zeilen unlesbar]
Der Bergmann trug weder Mütze xx noch Hut, sondern er zog die Kappe, welche an dem Küttel angemacht, und weit xxxx: xxx xxxx, das Haupt hervor. Die Bergbeamten hingegen kleideten sich, wie die xxxx Landleute, nur daß sie in der Hand eine xxxx xxxx Stabes führten.
[5 Zeilen unlesbar]

genannt, war mit jenem seiner Hausfrau Prisca Frölichin, zu Inspruck [Innsbruck] im stöcklischen Hause zu sehen. Im übrigen sind die Bergmänner gemeiniglich und fast aller Orten fromme Leute, die viel Neigung zur Andacht haben: die in Tyrol haben den Propheten Daniel zu ihrem Schutzheiligen: man sieht ihn in sehr vielen Orten, und daneben das Bergwerkswappen, das ist, Schlägel und Eisen im rothen Felde, an den Wänden und auf den Glasscheiben der Kirchenfenster gemahlet.

Die Erziehung der Kinder der gemeinen Bergleute, und ihre Unterweisung sowohl in den Sitten, und in jenem, was sie von den Bergwerkswesen wissen sollen, könnte viel besser bestellet seyn. Die meisten wachsen, weil die Ältern unvermögend sind, sie schreiben und lesen lernen zu lassen, in der größten Unwissenheit auf. Sobald ein Knabe zehn oder zwölf Jahre erreichet hat, wird er schon zur Bergarbeit heraussen am Tage unter den Klauberjungen, welche den Bruch und Zagel scheiden, und säubern, angestellet, bis er mit dem Alter die Kräfte über kömmt, mit der Bergtruhe laufen zu können: zeiget er mehr Fähigkeit so machet machet man einen Hauer und mit der Zeit einen Hutmann aus ihm: Verstand und Geschicklichkeit können ihn zu einem mehrern Glücke fuhren. Man hat viele gute Bergbeamte, welche mit Truhenlaufen im Berge zu dienen angefangen haben.

Es hat auch in Tyrol niemals an geschickten Bergmännern und Mechanikern gefehlt (*), und die Fremden haben manchmal(?) ihre Kunstmeister und Bergwerksbeamte von dorther geholet. Um ein Beyspiel davon allein aus den alten Zeiten zu bringen, hat Pabst Clemens der Siebente, um das J. 1530. zween Bergwerksverständige Männer von Schwatz nach Italien berufen, um die Gebirge in dem Kirchenstaate bergmännisch zu untersuchen; wie Georg Agricola L. I. de xxx &nov. metallis und Ulysses Aldrovanous L. I. Musei metall. melden. Das steyrische Bergwerk in Eisenairzt, und die Eisenhandelsgewerkschaft in der Stadt Steyer haben, wie Valens Preuenhuber

(*) Wolfgang Lazius hat in der Cherograph Tyrol das Lob von Tyrol im Bergbaue mit drey Worten ausgedrückt:
Rimatur(?) viscera terrae.

in den dortigen Jahrbüchern auf das Jahr 1577 erinnert, einem gemeinen tyrolischen Bergzimmermanne, namens Hans Gasteiger, zu danken, daß von ihm der Ensfluß [Enns] zu großem Vortheile des Eisen- und Stahlhandels schiffbar gemacht auch unter andern Kunstgebäuden, die grossen Holzrechen(?) zu Reifing(?) in der Hifelau, und xxxxx dem Schöpfwerke, für die Schmelz- und Hammerhütten in Eisenärzt erbauet worden. Er trug eine goldene Kette am Halse, und starb zu Wien wohin der Kaiser ihn berufen hatte. Ungarn selbst hat sowohl in den älteren, als neueren Zeiten verschiedene oberste Kammergrafen, die dem dortigen Bergwesen vorgestanden, aus Tyrol gehabt. Ich werde aus ihnen diejenigen hier nennen, dir mir bekannt sind. David Hag unter Kaiser Rudolphen dem Zweyten; Joh. Andreas Freyherr Joanelli, Herr zu Telvana und Stein am xxxx(?); Joh. Andreas Wechter(?) Freyherr von Grub, und Ludwig Albrecht Freyherr von Thavonat, Herr von Sachsengang, alle drey unter dem Kaiser Leopold: in diesem Jahrhunderte Joh. Andreas, und Franz, die Freyherrn von Sternbach zu Stock und Luttach; das Lob des erstern ist in Keißlers Reisebeschreibung in Ungarn zu lesen, und wird durch seinen Nachruhm , welcher in den ungarischen Bergstädten immerwärend seyn wird, bestättigt. Herr Ludwig von Hegengarten, von Kitzbühel, ist ietzt daselbst königlicher Unterkammergraf, und auch in großem Ansehen.

Anmerkung: wir werden versuchen, die fehlenden Textpassagen zu ergänzen. Hinweise willkommen!

Quelle: Joseph von Sperges, Tyrolische Bergwerksgeschichte, mit alten Urkunden, und einem Anhange, worinn das Bergwerk zu Schwatz beschrieben wird, Wien 1765. Sechzehnter Abschnitt, S. 238 - 250
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