Trostburg.

Burgenreich waren einst die Höhen von Castellrutt [Kastelruth] über der Straße, welche nach dem Itinerar des Antonius sich zu ihren Füßen von „Mansio“ zu Mansio zog. Dort stand auch die alte Trostburg, die Zur Zeit der Völkerwanderung zu Grunde ging.

Man kann die ersten sieben Jahrhunderte christlicher Zeitrechnung in Tirol nicht minder die Zeit der Einwanderungen nennen, wie im gesammten übrigen Europa, vielleicht wurde das Bergland eben so, stark von Eindringlingen heimgesucht, als irgend eines der am Meisten durchstürmten Länder des Erdtheiles. War es doch, selbst nach Theodorichs, Königs der Ostgoten, Ausspruch, ein Bollwerk Italiens und ein Tor des Reiches. Aus dem zweiten Jahrhundert ist ein allgemeines Vordringen der Germanen nach Rhätien bekannt und zwar waren es die Markomanen und die Quaden, welche den römischen Heerführern zu schaffen machten. Diesmal kam die lateinische Herrschaft noch knapp davon, ein dreizehnjähriger Krieg verscheuchte die Barbaren wieder von den Schutzwällen der Zivilisation.

Indessen diese Siege verschafften der Römerherrschaft nur jeweilige Galgenfristen. Wie eine Flut gegen, halbgeborstene und von Rissen durchzogene Mauern drängten die Germanen unablässig gegen die Grenzen. Bald waren es statt der Markomanen und Quaden die stammverwandten Goten, Alemannen und Franken, die hier und dort durch die Pässe einbrachen. Gegen dieses Gewoge halfen vereinzelte Triumphe nichts mehr. Schon geraume Zeit vor dem Untergange des römischen Reiches sehen wir fortwährend Germanen in Tirol, und mit seinem Sturze sind sie im Etschland, Vintschgau und Oberinntal, seßhaft. In solchen Bewegungen mochte die Zerstörung der alten Trostburg erfolgen, deren Namen Niemand mehr weiß. Wann sie im mittelalterlichen Gewande wiedererstand, ist nicht minder den Geschichtsforschern verborgen geblieben. In solchem taucht sie übrigens erst während des dreizehnten Jahrhunderts auf. Ihr ist der Minnesänger Oswald von Wolkenstein entsproßen, dessen Ruhm die Geschichte deutscher Dichtkunst verkündet. Seine Bildsäule steht noch heute im, Rittersaal.

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Trostburg

Der Anblick der Trostburg, die noch heute vom Grafen von Wolkenstein bewohnt wird, ist ein eigentümlicher und mit dem Eindrucke keiner der übrigen in diesem Werke vereinigten Burgen zu vergleichen. Während alle übrigen Burgen Schaustücke der Verlassenheit und des Verfalles sind, erblickt der Reisende von der Eisenbahn aus über dem schäumenden Einfluß der Grödener Ache in den Eisack mit Staunen eine Ritterburg, unversehrt, unverwittert, den Eindruck des Lebens an sich tragend, wie aus einem Romane des vierzehnten Jahrhunderts hervortretend.

Zu diesem Bild der Burg an sich muß der Reiz der Gegend qefügt werden. Bis weit ins Grödener Tal hinein schauen ihre Zinnen und Türme, weit auch in's Eisack-Tal und auf die grünen Mittelgebirge, auf welchen alle die weißen Kirchen, Ansitze und Schlößer stehen.

Eben so wohl erhalten als das Gemäuer ist das uralte Geschlecht der Besitzer. Die Wolkenstein sind eines jener wenigen Adelsgeschlechter des Berglandes, welche glänzenden Namen und hohe Ehren ungeschwächt durch sechs Jahrhunderte hindurch sich bewahrt haben.

Quelle: Heinrich Noe, B. Johannes, Die Burgen von Tirol in Bild und Wort, Partenkirchen ca. 1890, Nr. 14.

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