Klausen.
Klausen erscheint dem Fremdling stets als eine der merkwürdigsten Ansiedelungen des Landes.
Die alten massigen Häuser, manch romanischer Bogen in den kühlen Hausgängen, Burgtrümmer und uralte Überlieferungen aus weltlichen wie geistlichen Geschichten, Weingeflecht um alte Mauern - das gibt ein Bild wie es so voll und gestaltenreich selbst im Etschlande nimmer vorkommt.
Klausen am Eisack
Das merkwürdigste an Klausen ist freilich seine Akropolis, Säben, deren Mauerwerk in Sage und Geschichte sich allen Wandlungen angeschlossen hat, welche die auftauchenden wie die absterbenden Volksstämme in der Tiefe des Tales bewegten.
Es ist augenscheinlich, daß der hohe Felsen, auf welchem so viel Leben entstand und zu Grunde ging, schon durch seine Lage, den weit talab und talaufschauenden Gipfel, die Aufmerksamkeit von Gründern und Zerstörern herausforderte.
Zuerst erzählt eine – gewiß nicht volkstümliche, sondern von irgend einem Klügler abgesponnene - Sage von dem „Heidenkönig“ Arostages, der da gehaust haben soll und dessen güldene Schätze noch immer an unzugänglichem Ort vergraben liegen.
Dann erscheint in der Einbildungskraft der Historiographen eine „räthische“ Burg, mit der es vielleicht die selbe Bewandtniß hat, wie mit so manch’ anderem räthischen und gelehrten Geflunker, das an die unfassbaren Antochthonen der Berge anknüpft.
Dagegen wollen die Kundigen dem einstigen Dasein eines römischen Kastells Wirklichkeit zusprechen, welches zum Schutze des Zuganges „Mansio Sublabione" erbaut worden sein soll, welche Mansio in der Nähe von Kollmann gestanden haben mag. Der Ort zu einem Castell war hier, wo sich das Eisacktal so sehr verengt, gewiß ein günstiger. Denn Klause, (wälsch Chiusa) deutet schon auf eine Talsperre hin und es kann uns nur in Verwunderung setzen, daß es der allseitig regen Befestigungslust, die im Kaiserstaate überall Hilfsmittel für ihre Launen fand, nicht beliebte, dem geistlichen Mauerwerk auf dieser Höhe, den Bollwerken gegen die Macht der Hölle, ihrerseits ein Obdach für Kanonen beizufügen.
Des Weiteren wird von einem Tempel der Isis Myrionyma berichtet, der sogar mit einem Hospiz der Isispriester verbunden gewesen sein soll.
Zu höchstem Ansehen aber gelangte die Klausener Akropolis erst, nach dem den finsteren Bergbewohnern das Licht des Christentums in's Land getragen worden war. Vom Ende des sechsten bis zum Ende des zehnten Jahrhunderts hausten dort oben Bischöfe mit ihrem Krummstab, und erst der heilige Alboin vertauschte die grüne Brixener Flur mit dem steilen Felsen, auf welchem hier mehr als drei Säcula hindurch der Leuchtturm des wahren Glaubens gebaut war.
Das Nonnenkloster, aus dessen neuerer Geschichte die Fabel von jener Vestalin erzählt wird, die sich vor den zugedachten Liebkosungen eines französischen Soldaten in den Abgrund stürzte, steht noch keine zweihundert Jahre und wurde zum ersten Male von Nonsberg und Salzburg her bevölkert.
Quelle: Heinrich Noe, B. Johannes, Die Burgen von Tirol in Bild und Wort, Partenkirchen ca. 1890, Nr. 11.
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