Wolkenstein.

Als König Etzel, die Gottesgeißel, das Land Italia heimsuchte, floh ein edler Graf vor der Brandfackel - und dem Mordschwert seiner Schaar mit den Seinigen in das rauhe Gebirge, des Grödener Tales. Dort erhebt sich die gelbgraue Wand des großen Stabia-Berges. In ihr Gestein, ansehnlich über das Tal erhaben, wurde von Menschen eine Höhlung geschaffen und in die Höhlung hinein die Veste eingemauert.- Die Geschichte des Flüchtlings wird von der Sage erzählt, die eingemauerte Burg aber steht vor unseren Blicken. Nur auf einer in den Felsen eingemeisselten Treppe war der "Wolkenstein" zugänglich.

Wolkenstein, www.SAGEN.at

Wolkenstein

Das heutige Geschlecht derer von Wolkenstein wurde von Konrad, dem Edlen zu Villanders, gegründet, der die Veste käuflich erwarb, und dessen Sohn Friedrich sich mit der Erbtochter Katharina von Trostburg vermählte. Das geschah im letzten Jahrzehnt des dreizehnten Jahrhunderts. Unter den Wolkensteinern, deren Geschlecht noch heute nach sechshundert Jahren, blüht, ist aus vielen, durch hohe Ehren, ausgezeichneten Männern vornehmlich Oswald der Minnesänger zu erwähnen. Er ruht zu Neustift, im Kreuzgange am Dome zu Brixen aber ist er auf einem großen Denksteine zu sehen. Die Wechselfälle seines. Lebens, die ihn von Persien bis England, vom Prunksaale, in die Nacht der Felsenkerker führten, sind unvergessen im Land Tirol und von der Dichtung verherrlicht.

Seit, am Anfange des siebenzehnten Jahrhunderts, die, alte Wolkensteiner Veste durch einen Blitzstrahl in Flammen aufging, so daß nur mehr die äußeren Mauern stehen, bröckeln auch diese Überreste von Jahr zu Jahr ab und verwittern. Nach dem Brande erbauten sich die Wolkensteiner draußen im breiteren Tal bei St. Christina die Fischburg.

Aber dieser Neubau konnte das Andenken an diese seltsamste und wildeste aller Tiroler Felsenburgen nicht abschwächen. Noch lebt im kleinen Völkchen der Ladiner manche Sage, die sich um die zerfallenden Trümmer rankt. Jeder weiß von der finstern Unglücks-Wolke, die lange Zeit, bevor der Blitzstrahl zündete, über der Burg schwebte, von den Schätzen die unter dem glitzernden Glimmerschieferboden liegen, von dem Zauberglanz, der manchmal die einsamen Trümmer erhellt. Das einstige Leben ist verschwunden und nur Hirten und Raubvögel unterbrechen zur Zeit die Stille, in welcher, die berühmte Veste langsam und sicher allmählich verfällt. Schon das künftige Geschlecht wird ihr Gemäuer nur mehr mühsam von den andern Blocktrümmern unterscheiden können, von denen umgeben heute noch als Zeichen einer jahrhundertelangen Zerstörung die bis jetzt erhaltenen Mauern aufragen. (Ein großer Teil des Gemäuers stürzte unmittelbar nach vollendeter Aufnahme herunter.)

Quelle: Heinrich Noe, B. Johannes, Die Burgen von Tirol in Bild und Wort, Partenkirchen ca. 1890, Nr. 20.

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