Wie das Behexen geschieht.
Das Verrufen kann in mannigfachster Weise geschehen, ja ohne alle Absicht erfolgen. Ein kräftiges, gesundes und hübsches Kind wird verrufen, wenn man es zu sehr bewundert - es verkümmert nachher. Schönes Jungvieh wird man nicht groß ziehen, wenn man sich zu sehr über dasselbe freut oder es gar lobt. (N. Pr. Pr.-Bl. I, S. 36.) Auch kann Vieh sehr leicht verrufen werden, wenn man viele Personen in den Stall läßt, um diesen die Schönheit der Thiere zu zeigen; sicher geschieht es, wenn ein altes Weib in den Stall tritt, die Thiere streichelt und dabei sehr lobt. (Littauen. [Litauen])
Beschreibt man das körperliche Gebrechen eines andern, z. B. eine Wunde, ein Geschwür, so darf man an seinem eigenen Leibe die betreffende Stelle nicht mit dem Finger zeigen, weil man dadurch dasselbe Uebel an sich ziehen würde. Thut man es dennoch, so muß man dabei die Worte sprechen: "Keinem Menschen zugemessen!" und man bleibt verschont. (Dönhoffstadt.)
Gefährlicher schon ist der böse Blick. Mancher Mensch hat solche Augen, daß er Alles, was er ansieht, verderben und tödten kann. (N. Pr. Pr.-Bl. I, S. 36 und S. 391 f.)
Boshaft ist das absichtliche Verrufen. Der Verrufende hat die Absicht, dem Menschen oder Thier an Leib und Leben zu schaden, und mannigfach sind die Zaubermittel, deren er sich zu diesem Zwecke bedient.
Es geschieht zunächst durch Verbeten. Dieses erfolgt in der Weise, daß die Person, welche andere dadurch krank zu machen oder gar zu tödten gedenkt, drei Sonntage hinter einander hinter dem Altare betet, theils gewisse Lieder, theils einen Fluchpsalm - dann auch eine Kleinigkeit auf dem Altare opfert. Das herabgebetete Elend stellt sich wirklich ein, wenn der Betende nicht durch irgend eine Anrede gestört wird*). - Der Psalm muß rückwärts gebetet oder gelesen und hinter jedem Verse der Name des Gegners genannt werden. (v. Tettau und Temme, S. 267.)
*) Vgl. Pr. Prov.-Bl. X, S. 594, wo ein derartiges Verbeten durch eine Hirtenfrau als Gegenstand einer gerichtlichen Klage näher besprochen ist.
Ein ähnliches Mittel ist das Todtsingen. Der Verhaßte stirbt gewiß, wenn man ein bestimmtes geistliches Lied ein Jahr lang Morgens und Abends singt. (Töppen, S.40.)
In Littauen [Litauen] gab es eine Art Zauberer, die den Namen Szynys
führten, und die, wenn sie von einem Menschen ein Hemde oder ein
anderes Kleidungsstück bekommen konnten, machten, daß er vertrocknete
oder aufschwoll oder Reißen in seinen Gliedern bekam, so daß
er nicht bei Nacht, nicht bei Tage Ruhe hatte, bis er hinstarb. Vermochten
sie aber kein Kleidungsstück zu erhalten, so suchten sie auf dem
Wege, wo der, dem sie schaden wollten, gegangen, die Spur seines Fußes
auf, schnitten solche, sammt der sie umgebenden Erde aus und begruben
sie unter allerhand Beschwörungsformeln, wodurch sie bewirkten, daß
derselbe bald, nach längerer oder kürzerer Qual starb. (v. Tettau
und Temme, S. 267).
Krankheiten hext man seinen Feinden dadurch an, daß man ihnen bezauberte
Haare nachwirft, oder solche vor eine Thür hinstreut, durch welche
der zu Beschädigende hindurch gehen muß. Erde, von einem Scheidewege
unter Beschwörungsformeln und Anrufung des Teufels entnommen, dient
zur Verhexung des Viehes und der Milch; ferner Tränke von bestimmten
Kräutern, Kränze, in welche Schlangen und Kröten hineingeflochten
sind. (v. Tettau u. Temme, S.265).
Das Beschütten ist ein ferneres Mittel der Verzauberung. Es geschieht mit einem gewissen Pulver, und erzeugt dieses einen Ausschlag, eine Art Flechte auf Händen und Füßen, welcher Beschüttung heißt. Das Pulver ist der Staub einer verbrannten schorfigen Kröte, wird aber auch vermittelst der geraubten Hostie gewonnen, welche man über einem Stücke Brot aufhängt. Das aus derselben herab-träufelnde Blut Christi giebt eben dem pulverisirten Brote die verrufende Kraft. (Töppen, S. 38).
Nicht minder wirksam ist die Berührung, das Handauflegen. Es wirkt vorzugsweise bei abnehmendem Monde und an Feiertagen und muß dreimal wiederholt werden. Das zu verrufende Glied wird mit der Hand überstrichen und dabei gesprochen:
Dies thue ich für Schweine, für Haare und für Haut,
Für Fleisch und Blut, für Adern, Mark und Bein,
Ich decke es zu mit meiner Hand
Und überstreiche das Glied, daß es verlahmt!
(Neudorf bei Graudenz.)
Auch durch bloßes Anhauchen
vermag der Zauberer das Glied eines Körpers zu schädigen. Oft
aber läßt derselbe auch, was er einem andern Menschen anthun
will, mit dem Winde auf ihn angehen. (Töppen, S. 38.)
Wer im Besitze eines Lappens ist, mit welchem eine Leiche abgewaschen wurde, vermag durch diesen, Menschen und Vieh etwas anzuthun. Ebenso kann man mit dem Abwaschwasser dem Nachbarn das Vieh behexen. Man kocht in dem Wasser eine Kröte und gießt es dem Vieh ein, indem man noch eine Zauberformel "betet". (Samland.) Gießt man dieses Todtenwasser vor die Thür eines andern, so wird der Erwerb des betreffenden Hauses todt gelegt*).
*) In Königsberg noch im Jahre 1867 ausgeübt. Vgl. Ost-preuß, Ztg. Nr. 129 vom 5. Juni 1867 unter Lokalnachrichten.
Böswillige Menschen bewahren sich Schoten, welche neun Erbsen enthalten, um durch diese den Fuhrwerken ihrer Nachbarn zu schaden. Man darf nämlich eine solche Schote nur über das fremde Fuder werfen und es muß, selbst auf dem ebensten Wege umwerfen. (Ermland.)
Die Maiblume (Convallaria majalis) unter die Schwelle des Kuhstalles eines Feindes gesteckt, verhext dessen Kühe und deren Milch. (Ermland.) - In Littauen [Litauen] wirft man zu gleichem Zwecke faule Eier in den Stall oder hängt vor die Thür desselben zwei alte Strauchbesen über Kreuz.
Gelingt es, von der Wäsche eines Andern, die während der Zwölften noch nach Sonnenuntergang draußen gehangen, etwas zu entwenden, so kann man, benutzt man ein Stück davon als Sieblappen, dem Eigenthümer der Wäsche sämmtliche Milch seiner Kühe entführen. (Samland.)
Würde eine Melkerin einem unberufenen Frager die Quantität der gewonnenen Milch nach bestimmtem Maße angeben, so könnte sie dadurch beitragen, daß der Segen der Kuh verrufen würde. (Dönhoffstädt.)
Um in die Ehe eines jungen Paares Zank und Zwietracht zu bringen, läßt
man zwei an den Schwänzen zusammengebundene Katzen
den zur Kirche ziehenden Brautleuten über den Weg laufen, oder wirft
ihnen mit dem Besen nach. (Töppen,
S.88). Im Samlande nimmt derjenige, der dem jungen Paare nicht wohl will,
ein Schloß in die Kirche mit,
schließt dieses, wahrend das Ja ertönt auf und vergräbt
alsdann den Schlüssel. So lange, bis Schloß und Schlüssel
wieder zusammen kommen, herrscht Zwietracht unter den Eheleuten.
Gar gerne pflegt man den Ertrag des Ackers anderer zu mindern. Streut
man hinter dem Säemann drei Hände voll Erde aus, so baut er
schlechtes Getreide. (Goldap.) Knüpft man in das Säelaken eine
beim h. Abendmahl zurückbehaltene Oblate, so bewirkt man dadurch,
daß das Korn von anderer Leute Acker auf den eigenen kommt. (Bericht
über den Conitzer Hexenprozeß vom J. 1623. Pr. Pr.-Bl. II,
S. 133 f.)
Als den zum Zaubern geeignetsten Tag bezeichnet man den Donnerstag.
(Marggrabowa. Dönhoffstädt).
Quelle: H. Frischbier, Hexenspruch und Zauberbann.
Ein Beitrag zur Geschichte des Aberglaubens in der Provinz Preußen,
Berlin 1870. S. 3 - 7.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Gabriele U., Juli 2005.
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