Wie man sich gegen das Behexen sichert.
Es bedarf wohl keiner besondern Auseinandersetzung, daß der gewitzte Volksgeist es verstanden hat, der böswilligen Hexe ein Schnippchen zu schlagen. Das Volk kennt daher mehrfache Mittelchen, durch welche es sich und seine theuren Besitzthümer gegen das Verrufen sichert.
Spricht man über das blühende Aussehen, die Gesundheit eines andern, so fügt man dem Lobe sogleich die Worte an: "Nicht zu verrufen! Gott segen'! Gott stärk' !" Müttern und Wärterinnen giebt man den Rath, wenn ein kleines Kind von einem Fremden als schön gepriesen wird, stille vor sich hin zu murmeln: "Leck ihm neun und neunzig mal im A.!" und dies so lange zu wiederholen, als das Lob andauert. (Creuzburg.) In Königsberg sagt man: "Gestern war es besser!" oder: "Knoblauch, Hyazinthenzwiebel, dreimal weiße Bohnen!" In der Wehlauer Gegend heißt es: "Hei (Sei) hefft ok e Lochke öm A."
Trägt man Strümpfe, Handschuhe, das Hemde etc. verkehrt, d. h. auf die linke Seite gewendet, so kann man nicht verrufen, verhext werden. In Kinderhemdchen pflegt man daher ein Aermelchen verkehrt einzusetzen oder an irgend einem Kleidungsstücke eine Naht verkehrt zu nähen.
Knoblauch, im Volksmunde Knoffeldook, ist ein treffliches Mittel gegen alle Hexerei. Man trägt ihn daher bei sich und giebt ihn auch dem Vieh.
Geht es mit dem Kinde zur Taufe, so steckt die Hebeamme, um das Kind vor Verrufung zu bewahren, in das Taufzeug einen Feuerstahl und etwas Schwefelfaden. (Natangen). Im Samlande giebt man dem Kinde ein Bündelchen mit neunerlei Wunderkräften (Tarant, Baldrian, Kreuzkümmel, Teufelsdreck, Knoblauch, Salz, Brot, Stahl und Geld) in die Kirche mit, läßt es dort stillschweigend mit besegnen und bewahrt es dann auf. Das Kind kann nun nie behext werden und hat dereinst Glück in allen seinen Unternehmungen. Auch muß die Person, welche das Kind zur Taufe trägt, über eine Axt und einen Besen, welche man vor die Thür der Stube legte, schreiten und zwar mit dem rechten Fuß zuerst.
Will man der Hexe und dem Teufel jede Macht über sich auch während der Nacht nehmen, so muß man beim Schlafengehen die Schuhe nicht mit der Spitze unter das Bett, sondern nach auswärts gewandt stellen*). Es würde sonst der Teufel oder der Mar sie anziehen und uns peinigen.
*) v. Tettau und Temme geben S. 275 die Stellung gerade umgekehrt an.
Wenn man eine Frau kommen sieht, von der man meint, sie sei eine Hexe, so wirft man den Besen vor die Thür hin; dann kann sie nicht hinein. (Töppen, S. 39.)
Da, wie angegeben, der Donnerstag der den Zauberern günstigste Tag ist, so darf an demselben nach dem Abendbrote nicht mehr gesponnen werden.
Dem Landmann ist es vorzugsweise darum zu thun, sein Vieh vor allem bösen Zauber zu behüten. Wird es gelobt, so heißt es ähnlich wie beim Lobe der Kinder: "Du kannst ihm im A. lecken!" ja man wird oft in unhöflicher Weise zum Stalle hinauscomplimentirt.
Damit der Zauberer keine Macht über das Vieh habe, macht man am St. Johannistage (24. Juni) vor Sonnenaufgang auf die Thür des Stalles drei Kreuze mit einem Theerpinsel. (Jerrentowitz. Dönhoffstädt). Im Ermlande zeichnet man an diesem Tage mit einem vom Priester geweihten Stück Kreide einen Kranz an die Thür des Viehstalles, während man im Samlande, wo möglich mit dauerhafter Oelfarbe, Kreuze an alle Thüren malt, damit der Hexe jede Macht benommen werde. (N. Pr. Pr.-Bl. VI, S. 230, Nr. 121.) In Littauen wird zu gleichem Zwecke ein Kreuz an jede Stallthür gezeichnet. Ferner wird aus neunerlei Blumen ein Strauß gebunden und oben in denselben ein Dornstrauß gesteckt. Dieser Doppelstrauß wird mit zwei Stöckchen an einem Zaune im Dorfe befestigt. Wenn die Hexe kommt, setzt sie sich auf die Dornen und kann nicht herunter.
Der Johannistag ist überhaupt für den Landmann sehr bedeutungsvoll,
und namentlich ist's der Abend, der ihm große Sorge macht. Am Johannisabende
treiben die Hexen vorzugsweise ihr Wesen, wie am Christabende. Daher die
schützenden Kreuze; auch wird Stahl in die Krippen oder vor die Stallthür
gelegt; das Vieh aber wird mit Strängen von Bast angebunden, denn
"Bast - hölt fast (hält
fest)!" sagt die Hexe. - Ferner versäumt es der Landmann nicht,
an demselben Abende Bilsenkraut, Kletten, Beifuß, Baldrian, Coriander
oder Dill unter das Dach oder in die Pfosten des Stalles zu stecken, den
Kühen Kerbel oder Kalmus zu geben und ihre Hörner und Euter
mit Fenchel zu bestreichen. Auch Pflegen in jeder guten Wirthschaft noch
vom ersten Pfingstfeiertage her drei große Aeste Laub über
dem Eingange des Stalles zu stecken, und bilden diese die trefflichsten
Wächter. Die eintretende Hexe muß nämlich sämmtliche
Blätter an den Aesten zählen, und oft ereilt sie die abrufende
Mitternachtsstunde, ehe sie dieses Werk vollbracht hat.
Wichtig ist es, sich die sogenannten Johanniskräuter zu verschaffen. Diese müssen jedoch (nach Pr. Pr.-Bl. VI, S. 228, Nr. 113) den 23. Juni gesammelt worden sein, wenn sie wirken sollen. Als solche gelten dem Volke: die Ragwurzarten, die Orchisarten (Bullenbeutel und Kuheuter genannt), Wiesenknöterich, Baldrian, Hahnenfuß u. a. Die Wurzeln dieser Kräuter werden fein zerhackt, mit Gerstenmehl verknetet und in Pillen geformt, von welchen jeder Kuh neun Tage vor Johanni *) drei eingegeben werden. - Nach den N. Pr. Pr.-Bl. X, S. 119, Nr. 194, zählt man zum Johanniskraut: Nachtschatten, Nachtlilie (Orchis), Christi-Wundenkraut (Hypericum perforatum), Alant (Inula), Larant (Gentiana Pneumonanthe), Udrano (Glechoma hedreracea), Liebstock, Besenmill (Beinmill, Symphitum?) etc. Sieben, neun oder dreizehn solcher Kräuter nimmt man zusammen, streicht damit den Rücken jeder Kuh in's Kreuz und giebt ihr eine Hand voll ein; dann hat die Hexe keine Macht, die Milch zu benehmen.
*) Neun Tage vor Johanni und vor dem Christabende sollen die Hexen bereits ihr Wesen beginnen.
Wie schon gesagt, ist der heilige Christabend, mit welchem die Zwölften beginnen, gleichfalls ein den Hexen und ihrem Wesen besonders günstiger Zeitpunkt. Der kluge Bauer streut, um dem Zauber zu begegnen, sobald die Sonne untergegangen, Salz in den Stall und in die Krippen, schreibt Kreuze an Stall- und Hausthüren, schneidet auch solche in die Bordschaben, welche sich über den Stallthüren befinden, und verwahrt Häckselmesser und sämmtliches Schneidewerkzeug. Er thut dies, damit kein Anderer, der etwa die Bordschaben entwendet, sie mit dem Häckselmesser zerschneiden könne. Gelänge einem feindlichen Nachbar solches und verfütterte er das zerschnittene Dachstroh an sein Vieh, so würde dieses gedeihen, das Vieh des Bestohlenen jedoch vermagern. Ferner legt man eine Axt von innen vor die Stallthür: - die Hexe kann nicht über Stahl schreiten. Die Sielen und Zäume werden ebenfalls in's Haus genommen; letztere legt man unter den Tisch und läßt sie dort während der Zwölften liegen, damit die Pferde im Frühjahre beim Weidegang sich zusammenhalten. (Samland).
Geschützt ist das Vieh gegen jeden Zauber, wenn man an beide Pfosten der Stallthür Blätter nagelt, worauf man Nachfolgendes geschrieben:
+A+C+S+M+S+C+V+
S+T+S+S+M+T+M+T+M
S+S+T+S+S+C+S+M+
S+C
Das achte Gebot.
Du sollst nicht falsch Zeugniß reden etc.
Jerem. 18, 7u. 8: Plötzlich rede ich wider ein Volk und Königreich, daß ich's ausrotten, zerbrechen und verderben wolle. Wo sich's aber bekehret von seiner Bosheit, dawider ich rede, so soll mich auch reuen das Unglück, das ich ihm gedachte zu thun.
Buch der Weisheit, 3, 1 - 3: Aber der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand, und keine Qual rühret sie an. Von den Unverständigen werden sie angesehen, als stürben sie; und ihr Abschied wird für eine Pein gerechnet. Und ihre Hinfahrt für ein Verderben, aber sie sind im Frieden.
(Die Verse sind jedoch genau wie sie in der Bibel stehen abzuschreiben,
sonst hilft es nicht. - Neudorf bei Graudenz. Eine Auslegung der Buchstabenformel
war nicht angegeben, auch nicht angedeutet, ob die Reihentheilung richtig.)
Ist ein Stall derart versichert, so ist die Hexe ohnmächtig. Als
einst eine alte Hexe von ihrer Tochter gebeten wurde, nach Milch zu gehen,
sprach sie: "Min' Dochter, da öss
nuscht to kriege, alles öss bekriezt on bekarwelt!" (Bekerbelt
von Kerbel. Samland.) Im Ermlande dagegen können die Hexen aus einem
Stricke Milch herausziehen und sich auf ähnliche Weise Butter verschaffen.
Sie kommen also nie in Verlegenheit.
Wesentlich ist es, in welcher Weise neu gekauftes Vieh in den Stall gebracht
wird. Führt man es nicht rückwärts, mit dem Hintertheile
zuerst, "närschlings", hinein, so kann es sehr leicht verrufen
werden und gedeiht nicht. Gewöhnlich spricht man dabei: "Dat
du magst wasse on gediehe!" (Dönhoffstädt.)
Hat man eine Kuh gekauft und schon bezahlt, so thut man gut, dem Verkäufer noch eine Kleinigkeit obenein zu geben und wären es auch nur wenige Pfennige. Es ist dies nöthig, damit der Verkäufer nicht die Milch von der Kuh behalte, d. h. damit er nicht mache, daß die Kuh wenig oder gar keine Milch gebe.
Wenn man einer Kuh, die eben gekalbt hat, eine stählerne Nadel in's Hörn schlägt, so ist sie gegen jeden Zauber gesichert.
Will man ein Füllen, ein Kalb, ein Lamm etc. vor jedem Zauber bewahren, so spricht man gleich nach der Geburt des Thieres:
Du kommst rauh auf die Welt wie ein Bär (Bar plattd.),
Wer dir will Böses anthun, der zähl' dir die Haar!
(Bürgersdorf bei Wehlau. N. Pr. Pr.-Bl. VIII, S. 26.)
Dann bindet man dem Thier ein rothes Band um den Hals und legt in das
Gefäß, woraus es säuft, einen Stahl. (Samland.)
Hat man auf dem Markte Milch gekauft, so thut man gut, auf dem Heimwege
etwas Salz in dieselbe zu streuen: sie ist dadurch gesichert gegen den
bösen Blick, das Verrufen mißgünstiger Leute. (Ermland.)
Wie oben angegeben, kann man den Acker des Nachbarn verrufen, wenn man drei Hände voll Erde hinter dem Säemann ausstreut. Um solches unmöglich zu machen, säen viele Wirthe bei Nacht oder doch vor Sonnenaufgang das erste Getreide. Als Schutzmittel gegen das Behexen oder Verrufen knüpft man in das Säelaken - und vorzugsweise geschieht dies in Littauen - Asa foetida, Knoblauch und einen Silbergroschen. Glaubt man seinen Acker dennoch vom Nachbarn bezaubert, so nimmt man von dessen besäetem Acker in das eigene Säelaken drei Hände voll Erde mit Samen, sprechend: "Ich nehme meinen Plon *) zurück!" (Kr. Goldap.)
*) Plon, poln., nach Mrongovius poln.-deutsch. Wörterb. Ertrag, Segen. Man nennt so auch den Erntestrauß, Erntekranz.
Führt der Pflüger die Zugochsen zum erstenmal aus dem Stall, so thut er gut, dieselben über ein Tischtuch schreiten zu lassen, in welches er einen Stahl gehüllt. Die Ochsen sind dadurch gefeit gegen das Verrufen, und der Ertrag des Jahres wird ein reicher sein.
Mit Strenge muß auch darauf gehalten werden, daß in der Zeit
der Zwölften (25. Decbr. bis 6. Januar) nichts ausgeliehen werde,
man würde sonst sein Vieh bedingungslos in die Hände der Hexen
liefern.
Quelle: H. Frischbier, Hexenspruch und Zauberbann.
Ein Beitrag zur Geschichte des Aberglaubens in der Provinz Preußen,
Berlin 1870. S. 9 - 16.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Gabriele U., Juli 2005.
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