Bei Diebstahl.

Nächst der Bewahrung des Leibes und Lebens, des Hauses und Hofes, läßt man sich die Sicherung des Eigenthums gegen Diebe vorzugsweise angelegen sein. Ist man jedoch bestohlen, so wendet man sich zur Erlangung des Gestohlenen weniger an die Kriminalpolizei, als an den Beschwörer, welcher den Dieb durch seine Formeln zu bannen und zur Herausgabe des Gestohlenen zu zwingen weiß. Doch auch den Dieben sind diabolische Mittel und Wege bekannt, ihre Unternehmungen gegen Entdeckung zu sichern.

Wenn Diebe bei ihrer That ein Licht von Menschenfett brennen, so können sie nicht ertappt werden. Solchen Lichten schreibt man die Kraft zu, daß sie Schlafende nicht aufwachen lassen und Wachende in tiefen Schlaf versetzen. Sie können weder durch Zugwind noch von Menschen ausgeblasen werden; nur mit Milch vermag man sie auszulöschen. (v. Tettau und Temme, S. 266. Töppen, S. 57, Note.*)

*) Für Räuber und Diebe galten früher als ein Schutzmittel die Herzen ungeborener Kinder; diese wurden roh, wie sie dem Leibe der Mutter und dem Körper des Kindes entrissen waren, in so viel Stücke geschnitten, als Theilnehmer waren, und deren eins von jedem genossen. Wer so von neun Herzen gegessen, konnte, welchen Diebstahl oder sonstiges Verbrechen er immer begehen mochte, dabei nicht ergriffen werden, und wenn er dennoch durch einen Zufall in die Gewalt seiner Gegner gerathen sollte, sich unsichtbar machen und so seinen Banden sich wieder entziehen. Die Kinder mußten aber männlichen Geschlechts sein; weibliche taugten dazu nicht. Die Bande des Räuberhauptmanns König Daniel, wie er von den Seinen, Kix Teufel aus der Hölle, wie er vom Volke genannt wurde, welche in der Mitte des 17. Jahrhunderts das Ermland in Schrecken setzte, bekannte nach ihrer Ergreifung, daß sie bereits vierzehn schwangere Weiber zu jenem Zwecke getödtet, jedoch nur in den wenigsten männliche Kinder gefunden habe. (v. Tettau und Temme, S. 266.)

Ist eine Uhr im Zimmer befindlich, so hält der Dieb sie sofort an; auch dies schützt vor Entdeckung. Hat der Dieb das Zimmer aber bereits wieder verlassen und dessen Thür verschlossen, so muß er durch deren Ritzen Wasser hineingießen. Läuft dieses in die Stube, so ist das ein unfehlbares Zeichen, daß er nicht entdeckt wird.
(v. Tettau und Temme, S. 266.)

Diebe treten den Gang zum Hause, das sie bestehlen wollen, rückwärts an.

Ehe der Dieb in ein Haus einbricht, verrichtet er vor demselben ein großes Bedürfniß und schreitet dann schnell zur That. So lange der Haufen warm bleibt, ist er vor Entdeckung sicher. (Samland.)

Vermuthet der Dieb, daß das zu Stehlende besegnet, oder gar mit einem Bannspruche, der ihn festhalten würde, besprochen sei, so steckt er einen Pfennig in eine Ritze des Hauses oder Wagens, worin das Gut aufbewahrt wird und macht durch dieses Opfer den Bannspruch unwirksam.
(Samland.)

Durch nachfolgende Formel, wird der Dieb festgebannt:

Maria ging in den Himmel hinauf mit ihrem lieben Kindelein, was begegnet ihr auf dem Wege? Es begegneten ihr drei Diebe. Sie sprach: Petrus, bind'! Petrus, bind'! Petrus, bind'! Petrus spricht: Ich habe schon gebunden, mit Eisen und Band, mit Gottes Hand und Christi fünf Wunden, daß er soll stehen wie ein Stock und sehen wie ein Bock, und zählen alle Sterne am Himmel, alle Körnlein Sand auf der Erden, alle Tropfen Wasser in dem Meer, alle Bäume in dem Wald, alle Aeste an den Bäumen, alle Zweige an den Aesten, alle Blätter an den Zweigen, alle Vögel unter dem Himmel, alle Fische in den Wassern, alle Kreaturen auf dem ganzen Erdboden. Das gebe die heilige Dreifaltigkeit von nun an bis in Ewigkeit!
(N. Pr. Pr.-Bl. a. F. XI, S. 157.)

Eine andere Bannformel theilt Töppen, S. 60, mit:

Es ging die allerheiligste Jungfrau in den Garten. Ihr dienten drei Engel, der erste hieß St. Petrus, der andere St. Gabriel, der dritte St. Zachariel. Diesen begegnen drei Diebe, welche das Kind Jesu spielen (stehlen?) wollten. Petrus spricht zu Zachariel: Gehe und fessele sie mit Strang, Ketten und Gottes Wort, damit selbige stehen, unbeweglich wie Säulen. Sie sollen die Sterne am Himmel zählen und nicht eher von der Stelle können, bis mein Mund und meine Zunge sie löset. Vater unser etc.

Das Festbannen des Diebes durch den sogenannten Diebssegen ist unter den samländischen Fischern noch heute im Schwange. Sie müssen oben auf der Düne ihre mit Fischen beladenen Wagen oft längere Zeit stehen lassen, während sie unten am Strande beschäftigt sind. Nm die Fische im Wagen gegen Diebe zu sichern, sprechen sie über dieselben den Diebssegen. Ist dies geschehen, so gehen sie rückwärts von dem Wagen fort; gingen sie vorwärts, so würde der Bannspruch seine Macht verlieren.

In Littauen und Masuren schreibt man dem Glockengeläute die Kraft zu, den Dieb zu bannen und erbittet daher ein solches von dem Geistlichen. (Hintz, S. 4.) - Hört der Dieb das Geläute, so denkt er, es ertöne zu seiner Beerdigung und giebt das Gestohlene heraus. (Memel. Neue Königsb. Ztg. vom 13. Mai 1866, Nr. 109.) Bindet man etwas von dem gestohlenen Gute an den Klöpfel der Glocke, so mahnt das nächste Geläute den Dieb, das Gestohlene wiederzubringen; unterlaßt er's, so stirbt er beim zweiten Glockengeläute. (Töppen, S. 60.)

Hängt man den Rest gestohlener Sachen in einem Säckchen in den Schornstein, oder bringt ihn an einem Donnerstage in ein frisch aufgeworfenes Grab (auf dem Hin- und Rückwege darf man keinen Laut von sich geben); so hat der Dieb keine Ruhe, bis er das Gestohlene dem Eigenthümer zurückbringt. (Willenberg. Töppen, S. 58.)

Sind Pferde gestohlen, so kehre man, sobald man den Diebstahl bemerkt, einen Tisch um, so daß die Füße aufwärts gerichtet stehen. Ist der Dieb noch nicht über die Grenze, so kommt er nun nicht mehr über dieselbe hinaus, er ist gebannt und bringt die Pferde zurück. (Sensburg.)

Um das gestohlene Gut wiederzubekommen, mache man in einen Birnen- oder Pflaumenbaum ein Loch mit einem Bohrer, das bis in die Mitte des Baumes reicht. In das Loch stecke man etwas von dem gestohlenen Gute. Dann mache man von dem Holze desselben Baumes einen Nagel und schlage ihn in das Loch. So wie das in den Baum geschlagene gestohlene Gut verdirbt, so verdirbt auch der Dieb. Will er nicht sterben, so bringt er das gestohlene Gut zurück. Wird der Nagel in das Loch aber ganz hineingeschlagen, so stirbt der Dieb in acht Tagen. (N. Pr. Pr.-Bl. a.F. XI, S. 158.) - Man gehe rückwärts zu einer Espe und bohre mit einem Bohrer, der linksum gedreht werden muß, in diese ein Loch; stecke in dieses etwas von dem gestohlenen Gut und verkeile es mit einem Pflock von demselben Holze. Bald wird der Dieb zittern wie Espenlaub und das Gestohlene zurückbringen. (Hohenstein. Töppen, S. 59.)

Durch nachfolgenden Segen zwingt man den Dieb das Gestohlene wiederzubringen:

Du Dieb, den ersten Nagel, den ich dir in dein Gehirn thu' schlagen,
Daß du das gestohlene Gut an seinen gehörigen Ort sollst tragen!
Es soll dir so weh und wehe werden, wie dem Jünger Judas, da er den Herrn Jesum verrathen hat!
Den andern Nagel, den ich dir in dein Herz thu' schlagen,
Daß du das gestohlene Gut an seinen gehörigen Ort sollst tragen!
Es soll dir so weh und wehe werden, wie dem Pilatus, der den Herrn Jesum gekreuziget hat!
Den dritten Nagel, den ich dir in deine Lunge thu' schlagen,
Daß du das gestohlene Gut an seinen gehörigen Ort sollst tragen, wo du es gestohlen hast!

Es soll dir so weh und wehe werden, wie dem Ahasverus, da er den Herrn Jesum unterm Kreuze hat fortgestoßen! Du sollst verflucht in Ewigkeit bei allen Elementen des Himmels sein, du sollst keine Ruh' haben, bis du das gestohlene Gut an seinen Ort thust tragen! Es sollen dich alle Geister quälen, die zwischen Himmel und Erde sind und in der Luft schweben, wo du nicht das gestohlene Gut an seinen gehörigen Ort thust tragen! Du sollst laufen wie der Mond, daß du das gestohlene Gut an seinen gehörigen Ort sollst tragen! I. N. G. etc. +++ Ohne Amen.

Der Segen muß in der Mitternacht oder Mittags zwischen 11-12 Uhr geschehen. Die drei Nägel werden vom Kirchhof genommen und unter Sprechung obiger Worte nach einander dort eingeschlagen, wo der Dieb mit dem Gestohlenen hindurchgegangen, z. B. Thür, Fenster etc.
(Jaworze, Dorf im Kreise Strasburg, Westpr.)

Zur Ermittelung des Diebes wendet man mancherlei Mittel an. Am ehrlichsten gemeint sind die kirchlichen Fürbitten zur Ermittelung der Diebstähle, welche in der Absicht erbeten werden, daß der etwa in der Kirche anwesende Dieb sich veranlaßt sehe, dem Beschädigten sein Eigenthum zurückzugeben. (Memel. Hintz, S. 12.)

Man nimmt zwei Schüsseln; in die eine legt der Bestohlene zwei Pfennige, einen für sich und den andern für den Dieb. Dann wird Bier in die Schüssel gegossen, und ein Kreuz mit Kreide auf den Boden derselben gemacht; zuletzt wird die Schüssel geschüttelt. An welche Seite nun des Diebes Pfennig zu liegen kommt, nach derselben Seite ist der Dieb gelaufen und dorthin wird er gesucht. Vorher wird noch die andere Schüssel voll Bier gegossen und darüber ein Gebet gesprochen. Wenn sich nun während des Gebets eine Blase auf dem Biere zeigt, so ist dies ein gutes Zeichen, daß man den Dieb finden werde; zeigt sich aber keine Blase, so wird das Bier ausgetrunken und neues in die Schüssel gegossen, bis sich zuletzt eine Blase zeigt. Gewöhnlich sind in jedem Dorfe besondere Männer, welche Schaumseher genannt werden. (Erläut. Preußen, I, S. 134. V, S. 719. v. Tettau und Temme, S. 259.)

Vermuthet man den Dieb unter den Hausgenossen, so läßt der Hausherr diese zusammentreten und vertheilt unter sie Strohhalme von gleicher Länge. Nach einer Viertelstunde werden die Strohhalme untersucht, und soll alsdann der in der Hand des Diebes gewesene gewachsen sein. Das böse Gewissen treibt den Dieb, von seinem Strohhalme, dessen Wachsen er befürchtet, etwas abzureißen. Ein solcher Fall ist erzählt in den N. Pr. Pr.-Bl. III, S. 472.

Auf einem Gute im Goldaper Kreise versammelte bei solcher Veranlassung der Hausherr sein Gesinde, stellte die Leute in einem Kreise auf, ließ sie drei Vaterunser beten und gab jedem alsdann einen Strohhalm in den Mund. So mußten sie eine Viertelstunde stehen und sollte in dem Munde des Diebes der Strohhalm wachsen. Um dies unmöglich zu machen, hatte der Dieb ein Stück von dem seinigen abgebissen.

Um den Dieb ausfindig zu machen, wird auf einen Erbtisch eine Erbbibel und auf diese ein Erbschlüssel (d. h. Tisch, Bibel und Schlüssel müssen Erbstücke sein) gelegt; über letzterm wird ein Sieb mit einem Faden freischwebend an den Balken gehängt. Der Beschwörer ruft dreimal den Namen Gottes an und nennt hierauf in kleinen Zwischenräumen die Namen aller verdächtigen Personen. Bei Nennung des Diebes soll sich das Sieb bewegen.
(N. Pr. Pr.-Bl. III, S. 471.)

Im Samlande bedient man sich zur Ermittelung des Diebes eines Erbbuches und eines Erbschlüssels. Ist das Erbbuch eine Bibel, so schlägt man das Evangelium Johannis auf, steckt den Erbschlüssel auf den rechten Zeigefinger, legt diesen auf das genannte Evangelium und spricht:

Evangelium Johannis, leeg nich on dreeg nich, segg de reine Wahrheit, hefft der (Name) mi dat (der gestohlene Gegenstand wird genannt) gestahle?*)

Der Schlüssel bleibt so lange am Finger, bis der Name des Diebes genannt wird, alsdann zieht er sich vom Finger und fällt auf das Buch. Besitzt man als Erbbuch ein Gesangbuch, so schlägt man die Lieder "vom Lobe Gottes" auf und spricht:

Lobe Gottes, leeg nich on dreeg nich etc.
(Alt-Pillau.)

*) "Das Evangelium Johannis ist uns zu einem viel höhern Gebrauch gegeben, als daß der Aberglaube durch selbiges das Fieber vertreiben, oder wenn er einen Erbschlüssel dazu genommen, Diebstähle entdecken soll." (Pisanski, Nr. 24, §. 15.)

In andern Gegenden wird in das geerbte Andachtsbuch der Erbschlüssel mit dem Barte hineingesteckt, so daß der Ring draußen bleibt. Das Buch wird hierauf kreuzweise mit einem Bande bebunden, um den Schlüssel zu befestigen. Zwei Personen halten das Ganze nun so, daß jede mit dem Zeigefinger der rechten Hand den Ring des Schlüssels unterstützt und das Erbbuch zwischen den Fingern herabhängt. Der Eigenthümer von Buch und Schlüssel fragt nun das Buch:

Liebes Erbbuch, hier ist dem (der) …. das ….
gestohlen. Du sollst mir sagen, wer es gethan! Ist
es (Name) etc.?

Die Namen der verdächtigen Personen werden der Reihe nach genannt. Hat man den "Rechtschuldigen" getroffen, so machen Buch und Schlüssel von selbst eine Wendung zum Hinabfallen, müssen jedoch daran durch schnelles Zugreifen verhindert werden. (Dönhoffstädt.)

Glaubt man den Dieb zu kennen, so darf man ihm nur ein Dekokt von Belladonna in den Speisen beibringen; hat er wirklich gestohlen, so gesteht er den Diebstahl alsbald. (Memel. Neue Kgsbg. Ztg. vom 13. Mai 1866, Nr. 109.)

Kann man einen Dieb selbst nicht ergreifen, so muß man bei seiner Flucht wenigstens eins seiner Kleidungsstücke zu erhaschen suchen. Prügelt man dies dann, so wird der Dieb krank. (v. Tettau und Temme, S. 283.)

Will man einen Dieb durchaus mit dem Tode strafen, so legt man einen zufällig geretteten Theil des gestohlenen Gutes einer Leiche in den Sarg: der Dieb muß bald nach der Beerdigung sterben. Hierbei muß man sich jedoch hüten, auf den eigenen Schatten zu treten; geschähe das, so würde man innerhalb eines Jahres selbst sterben. - Der Dieb muß auch sterben, wenn man etwas von dem gestohlenen Gute auf dem Kirchhofe vergräbt.
(Töppen, S. 58 und 59.)

Man legt einen geretteten Theil des Gestohlenen unter die Ziegel des Herdes und brennt Donnerstag nach dem Abendbrot Espenholz darauf. Wie das Feuer und die Hitze allmählich das Verwahrte angreifen, so reiben unbekannte, übernatürliche Einflüsse den Dieb auf. Hat man nichts von dem Gestohlenen in Händen, so holt man sich Donnerstag in der Mitternacht schweigend und ohne Umsehen vom Glockenthurme die Knoten von den Glockensträngen. Mit diesen macht man es ebenso, wie mit dem noch vorhandenen Rest des gestohlenen Gutes. Wer jedoch dies Experiment nicht ganz versteht, oder auch nur ein kleines Versehen darin begeht, der gräbt sich dadurch selbst die Grube und stirbt. (Gilgenburg. Töppen, S. 59.)

Die Formel zum Losspruch des gebannten Diebes ist folgende:

Man stößt den Dieb auf die Erde und spricht:

Gehe hin, wo du bist hergekommen, und hüte dich, daß du deine Hand weder an mein oder fremdes Gut legest. Gehe hin in drei Teufels Namen!
(N. Pr. Pr.-Bl. XI, S. 157.)

Der Losspruch muß jedoch vor Sonnenaufgang erfolgen.

Quelle: H. Frischbier, Hexenspruch und Zauberbann. Ein Beitrag zur Geschichte des Aberglaubens in der Provinz Preußen, Berlin 1870. S. 111ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Gabriele U., Juli 2005.
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