Der Fischer.

Die alten Fischer blicken mit heiliger Scheu auf die Ostsee und führen sie stets als Masculinum in die Rede. Er treibt Köpfe! heißt es, wenn die Haufenwolken aus der See aufsteigen und den nahenden Sturm verkündigen. Die Spiegelglätte der See verschwindet, in weiter Ferne zeigen und verlieren sich kleine schäumende Wellchen - er bleckt, spielt die Zähne. Bald erhebt sich die thürmende Woge, und während sie den Badenden mächtig daniederzuschlagen versucht, zieht sie ihm zurückweichend den leichten Sand unter den Füßen weg - er ist glupsch, falsch. Das Getöse der aufgebrachten Fluth ähnt dem Todesbrüllen eines Ertrinkenden - er rahrt. Hält endlich die hohe See lange an, so sagt der Fischer bedenklich - er muß doch noch nicht ganz rein sein! denn die See kann Leichen in sich nicht leiden und hört nicht eher zu toben auf, bis sie dieselben alle ausgeworfen hat.
(Pr. Pr.-Bl. XXVI. S. 429.)

Das Evangelium am 5. Sonntage nach Trinitatis (Luc. 5, 1 -11) handelt von Petri reichem Fischzuge. Bevor über dieses Evangelium nicht gepredigt ist, gewährt nach der Ansicht und Erfahrung der samländischen Fischer der Fischfang nur einen geringen Ertrag.

Am Johannistage und an den nächstfolgenden Tagen fahren die samländischen Fischer nicht in See, weil, wie sie behaupten, das Meer dann hohl gehe und ein Opfer fordere. Ebenso halten sie es auch für verderbenbringend, am Sonntage auf Fischfang auszuziehen. (v. Tettau und Temme, S. 278.*)

*) Für die Schiffer ist der Sonntag ein guter Tag, weshalb an diesem Tage die meisten Schiffe in See gehen. Dagegen gilt der Freitag den Schiffern als ein Tag, der Mühe und Unglück bringt; es laufen deshalb an diesem Tage Schiffe ungern aus dem Hafen. (Alt-Pillau.)

Wenn die Kinder der Fischer, oder die Fischermädchen die Suter*) an die Angelhaken stecken, so dürfen sie dabei nicht essen, weil sonst die Fische nicht anbeißen würden. Quält sie der Hunger, so müssen sie die Arbeit verlassen und bei Seite gehen, um zu essen.

Beim Aufstecken der Suter spricht man folgende Formel:

So veel Angelkes ön e Sand,
So veel Föschkes op em Strand,
So veel Käppkes, so veel Zägelkes
On Oogkes noch e mal so veel!

*) Suter, Sutter, m., gem. Sandaal (Ammodytes Tobianus). Er findet sich sehr häufig an der samländischen Ostseeküste und wird als Köder benutzt.

Beim Einsenken der Angeln spricht der Aelteste des Bootes, indem er die Mütze abnimmt:

Te Dösch, te Dösch!
De lewe Gottke bescher ons jedem tige Schock Fösch!

Fahren die Fischer in die See hinaus, um die Angeln zu heben, so darf auf der Fahrt das Gespräch nicht auf den Pfarrer oder Geistlichen überhaupt kommen, weil sonst der Hund (Seehund) die Fische fressen würde. Sind die Angeln in's Boot gehoben, so spricht der Aelteste, indem er wieder das Haupt entblößt:

Gott si Dank
For dem wedderem Fank!

Das als Adjektiv gebrauchte wedderem = wiederum, soll ausdrücken: Für den Fang, den wir wiederum gemacht haben.

Die vorstehend erzählten Gebräuche beziehen sich vorzugsweise auf die Fischer der samländischen Nordküste; allgemein gilt wohl der Brauch, den Köder, bevor man ihn auswirft, dreimal zu bespucken.
Die Fischer in Masuren fangen bei Neumond unter dem Zeichen des Fisches ihre Netze zu stricken an, und legen, wenn sie fischen gehen, etwas Kehricht in's Netz; das bringt Glück. (Töppen, S. 102.)

Daß die Fischer auch heute noch sich geweihter Hostien zur Beförderung des Fanges bedienen, ist mir nicht bekannt geworden. Früher geschah es. Hennenberger führt nach Grunau, Trakt. XII, Cap. 13, folgendes Beispiel an: "Da lerete ein Jude einen armen Fischer, er solte eine Consecrirte Ostien in holtz spunden, vnd mit an das Garn hengen, so würde er viel Fische fangen vnd reich werden, vnd dis geschach auch." (Erklerung der Preuß. größ. Landtaffel etc. Kgsbg. 1595. S. 431.)

Quelle: H. Frischbier, Hexenspruch und Zauberbann. Ein Beitrag zur Geschichte des Aberglaubens in der Provinz Preußen, Berlin 1870. S. 156ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Gabriele U., Juli 2005.
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