BERGWERK
aus: E. Hoffmann-Krayer, H. Bächtold-Stäubli,
Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens,
Berlin und Leipzig 1932
Die Überlieferungen der Bergleute, die aus dem alten Erzbergbau herstammen und in den eingesessenen Bergmannsfamilien von Kind auf Kindeskind weitergegeben wurden, bilden ein festgeschlossenes Ganzes, das durch eine Reihe mythischer Züge ein hohes Alter verrät. Hierher gehören:
I. Der Glaube an Berggeister,
2. die Vorstellung von einer Unterwelt,
3. die Walensagen. Häufig tritt auch eine Vermengung mit den Zwergen
- und Schatzsagen auf.
Die mühevolle und gefährliche Arbeit in der Grube, wo die Abgeschiedenheit von der Oberwelt und dem Tageslicht einen mächtigen Einfluß auf den Menschen ausübte, machte die Phantasie des Bergmanns für abergläubische Vorstellungen empfänglich. Diese gipfeln im Glauben an den Berggeist 1) (Bergmönch, siehe Berggeister 3), der in verschiedenartiger menschlicher oder tierischer Gestalt, wie auch als Flamme erscheint 2). Er ist der Herr des Bergsegens und tritt als solcher dem in sein Reich 3) eindringenden Bergmann bald feindlich 4) und bald freundlich 4) entgegen. Seine Gaben behalten jedoch nur solange ihre Unerschöpflichkeit, als der Beschenkte das Geheimnis wahrt 5); furchtbare Rache jedoch nimmt der Dämon an jenen, die seine Mithilfe bei der Arbeit verraten 6) oder ihn höhnen wollen 7). Wenn mehrere Berggeister (Bergmännlein) auftreten, so liegt eine jüngere Vermischung mit der Zwergensage vor, die leicht stattfinden konnte, da auch diese Wesen im Berge wohnend gedacht wurden und ihre Beschäftigung der des Bergmanns gleicht 8).
Viele Traditionen der Bergleute, die ursprünglich in den Gold- und Silbergruben entstanden sind, lassen deutlich den Einfluß der Schatzsagen erkennen. Diese Beeinflussung erklärt sich aus dem Volksglauben, daß im Berge 1) große Schätze zu finden sind, nach denen der Schatzgräber wie der auf Edelmetall schürfende Bergmann trachtet. Beiden dient dabei die Wünschelrute 8a), die dem einen im realen und dem andern im magischen Sinne den Fundort erschließt. Bisweilen öffnet auch der Berggeist vor den Augen des erstaunten Bergmanns eine Gold und Silber bergende Kluft im Gestein 9), aber wenn dieser nicht mit rascher Hand ein Stück des Gezähes hineinwirft, so schließt sie sich wieder, so wie der sichtbar gewordene Schatz dem Finder entschwindet, wenn er ihn nicht durch einen daraufgeworfenen Gegenstand bannen konnte. Das oftmals vergebliche Suchen des Bergmanns nach der Gold- oder Silberader wurde also im Volksglauben dem Schatzgraben gleichgesetzt und von der Sage mit denselben Einzelheiten ausgeschmückt. Ungehobenes edles Metall im Bergesinnern 10) leuchtet und glüht wie ein verborgener Schatz 11) und zuweilen deutet die Erscheinung eines goldenen Tieres 12) bei beiden auf die Fundstelle hin. Damit stehen die Klumpen gediegenen Goldes in Tierform 13) in Zusammenhang, deren Auffindung zur Errichtung von Bergwerken Anlaß gab. Hierher gehören auch die goldenen Tiere der Venediger 1), mit denen sie ihre Gäste aus Deutschland und den Alpen beschenken. Diese Einzelzüge leiten zu der mythischen Vorstellung von einer Unterwelt 14) zurück, in der alles aus edlem Metall und Gestein besteht, in der auch goldene und silberne Tiere und Pflanzen leben. Der Glaube an ein organisches Wachstum der Erze und Gesteine kehrt noch in den Schriften der Gelehrten des ausgehenden MA. wieder 15).
Zahlreiche Sagen berichten von der Entstehung der Bergwerke 16), wobei die zufällige Bloßlegung des Erzganges durch einen glücklichen Finder oder durch ein Tier oft in dem Namen des Schachtes zum Ausdruck kommt. Ein weiterer Sagentyp handelt von der glücklichen Errettung eingeschlossener Bergleute durch den Berggeist oder durch himmlische Mächte 17). Häufig ist ein ethischer Grundzug zu erkennen, der sich in der Zerstörung eines Bergwerkes wegen Gottlosigkeit 18) oder Frevelmut 18) der Besitzer und in strenger Bestrafung unwürdiger Bergleute 19) kundgibt. Der Bergsegen kann auch durch einen Meineid, Zauber oder Fluch 21) zum Versiegen gebracht werden. (Das Pfeifen und Fluchen ist in der Grube verboten.)
1) Siehe das betreffende Stichwort.
2) Wrubel Sammlung bergmännischer Sagen 1883, 29 Nr. 1 ff.
3) Das Machtgebiet des Berggeistes erstreckt sich auf die unterirdischen
Räume und den Schacht bis zur obersten Fahrt (Wrubel a. a. O. 7).
4) Sein Erscheinen zeigt Erz an (Wrubel a. a. O. 40 Nr. 23; 78 Nr. 44);
verkündigt aber auch Unglück (Wrubel 54 Nr. 34. 35).
5) Wrubel 32 Nr. 9. 10. 14. 16. 18. 21. 33.
6) Ebd. 46 Nr. 29; 57 Nr. 39; 81 Nr. 47.
7) Ebd. 29 Nr. 3 mit Literaturangaben.
8) Wie lebendig der Glaube an die Zwerge und ihre Betätigung war,
geht aus der Nachricht hervor, daß Bauern auf Grund alter Sagen
und geringer Goldfunde in den Strichenberg einen Stollen zu treiben begannen,
aber aus Angst vor der Rache der Erdmännchen die Arbeit wieder einstellten
(Rochholz Sagen 1, 271 Nr. 184 c).
8a) Vgl. "Wünschelrute": Heckscher Volkskunde 386 Anm.
284; Goethe Faust II, 5898 ff.
9) Wrubel 32 Nr. 9.
10) Zingerle Sagen 326 Nr. 569; vgl. Goethe Faust I 3913 ff.
11) Zingerle 327 Nr. 572 ff. (u. d. Anm.).
12) Ebd. 254 Nr. 447; 349 Nr. 615; 351 Nr. 620 u. d. Anm.; Wrubel 31 Nr.
6.
13) J. v. Sparges Tyrolische Bergwerksgeschichte 1765, 24.
14) Kühnau Sagen 3, 68; MschlesVk. 8 (1906), 127 ff.; Zingerle Sagen
96 Nr. 159 u. Anm.
15) Wrubel 154 Nr. 43.
16) Ebd. 19 Nr. 1 ff.
17) Ebd. 125 Nr. 13; 136 Nr. 22.
18) Ebd. 143 Nr. 32. 33; 151 Nr. 39; 161 Nr. 49; Müller Uri 1, 272
ff.
19) Wrubel 38 Nr. 19.
20) Ebd. 145 Nr. 36.
21) Ebd. 139 Nr. 27.
Auch an dem Bergmannsgruß "Glück auf", der seit 1684 literarisch nachzuweisen ist 22), haftet der Aberglaube; er ist glückbringend, während der gewöhnliche Gruß "Glück zu" Unheil auf das Bergwerk herabbeschwören würde.
Das Leben des Bergmanns entbehrt nicht der Frömmigkeit. Die besondere Schutzpatronin der Bergleute ist die hl. Barbara. Zu Beginn der Schicht wird meist von den Einfahrenden ein Gebet gesprochen. Kirchliche und weltliche Feiern 23) 24) vereinigen die Bergleute in althergebrachter Weise zu gemeinsamer Begehung. Die Zunft der Bergleute bildet also seit alters eine geschlossene Körperschaft mit eigenen Sitten und Bräuchen, sowie eigener Sprache, in der die Wörter durchwegs deutscher Herkunft sind. Im Laufe des MA. wurden deutsche Bergknappen zur Einrichtung von Bergwerken 25) nach Südtirol, Böhmen, Mähren, Schlesien, Ungarn, Toskana und Schweden 26) berufen und brachten außer ihrer Fachkenntnis auch ihre Traditionen in die neue Heimat mit, so daß deutscher Einfluß für diese Gebiete als sicher angenommen werden kann. Ein Beispiel hierfür bietet der Berggeist Rübezahl, der, wie aus einer Tiroler Chronik des 17. Jh.s hervorgeht, im Harz heimisch war und von dort durch ausgewanderte Bergleute ins Riesengebirge übertragen wurde 27).
22) Drechsler MschlesVk. 7 (1905), 69 ff.; Kirnbauer
in Forschungen u. Fortschritte 4 (1928), 1.
23) An ihrem Tage (4. Dez.) wurde dem Rauriser Bergmandl von den Bergleuten
ein Speise- und Kleideropfer dargebracht. Andree-Eysn Volkskundliches
205.
24) Sartori Sitte u. Brauch 2, 167 ff. 205.
25) John Erzgebirge 191. 207.
26) Klostermann ZfBergrecht 13 (1872), 48 ff.
27) S. Tunberg Stora Kopparbergets Historia 1 (1922), 93; MschlesVk. 7
(1905), 79 ff.
Schömer.