PALMSONNTAG
aus: E. Hoffmann-Krayer, H. Bächtold-Stäubli,
Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens,
Berlin und Leipzig 1932
1. Der letzte Fastensonntag und Sonntag vor Ostern, an dem in katholischen
Kirchen die Weihe der Palmen stattfindet. Über diese und alles, was
an Volks- und Aberglauben damit zusammenhängt, s. o. unter "Palm".
Bei der Palmweihe pflegt man auch einen oder mehrere Äpfel
in dem Büschel zu verbergen und mitweihen zu lassen. In der Gegend
von Saulgau werden sie von der ganzen Haushaltung verzehrt. In Lutzingen
(BA. Dillingen) müssen die beiden auf den Palmbusch gesteckten Äpfel
am Gründonnerstag gegessen werden. Der St. Galler Bauer ißt
sie am Karfreitag nüchtern zu seiner Gesundheit. In Westfalen pflegte
man die letzten Äpfel des Jahres bis Palmsonntag aufzuheben und dann
als Palmäpfel" zu verzehren. - In Böhmen läßt jedes
Haus neben den Palmzweigen auch noch 2 bis 3 hartgesottene, in der Mitte
durchschnittene oder an der Spitze bloß aufgebrochene rote Eier
weihen. Zu Hause werden diese zerstückt und verteilt; die Empfänger
aber wechseln wieder untereinander die Stücke, um sich vor Verirrungen
zu bewahren.
2. Manche auch sonst geübte Frühlingsbräuche haben
sich an Palmsonntag geheftet. Ausflüge ins Grüne werden unternommen.
Jungverheiratete schenken der Jugend Bretzel oder den Brautball"; wenn
sie im ersten Jahre kinderlos geblieben sind, allen Mädchen Stecknadeln
oder einen mit Nadeln gespickten Fangball. Am Palmsonntag soll man sich
morgens während des Zusammenläutens abwaschen. Heilbringender
Wasserguß findet im Kr. Herford statt. Da tragen die Kinder
in die Nachbarhäuser blühende Weidenzweige, und wenn es dem
Nachbarn nicht gelingt, diese mit Wasser zu begießen, so muß
er ihnen am Osterfeste ein Osterei schenken. An einigen (außerdeutschen)
Orten treibt man den Tod aus. In verschiedenen Formen wird
auch der Schlag mit der Lebensrute vollzogen. In Ellwangen u. a.
prügeln sich die Buben, sobald sie mit den geweihten Palmen aus der
Kirche kommen, damit durch. In Saulgau mußte sich bei der Prozession
mit dem Palmesel um die Kirche der Pfarrer niederlegen, und ein anderer
Geistlicher bestrich ihn mit einer Sevenbaumrute. In Chotieschau schlägt
man die Kinder mit den geweihten Palmen, damit sie nicht faul werden,
oder man sucht sich gegenseitig damit drei Schläge auf den Rücken
zu geben zu gleichem Zwecke, und damit man keine Kreuzschmerzen bekomme.
Ähnliches geschieht in Großrußland. Mit dem Palmzweig
schlägt man beim ersten Austrieb die Kühe 1g). An einigen Orten
werden die Peitschen der Hirten am Palmsonntag kirchlich geweiht. Der
Peitschenstecken zum Viehtreiben wird in Südbayern am Palmsonntag
vom Haselnußstrauch geschnitten; man stellt solche Stecken auch
in die Ecken des Stalles zum Schutze gegen Behexung. Wer auf Palmsonntag,
vor Sonnenaufgang nach Osten gehend, mit den Zehen so stark an einen Stein
stößt, daß sie ihm weh tun, und einen Stuten zum Opfer
bringt, soll im laufenden Jahre Glück haben. In Saintes (Bretagne)
trugen die Frauen und Kinder am Palmsonntag in der Prozession am Ende
eines geweihten Zweiges ein ausgehöhltes Brot in Gestalt eines Phallus.
Der Priester segnete diese Brote, und die Frauen bewahrten sie das ganze
Jahr als Amulett gegen den bösen Blick auf. In Frankreich ißt
man Kichererbsen, um das ganze Jahr vor Blutgeschwüren bewahrt zu
sein.
Kinder werden auf Palmsonntag neu gekleidet, siehe Palmesel.
Im Egerland werden sie am Palmsonntag gern abgestillt.
3. Manche Sagen erzählen von Schätzen, die am Palmsonntag,
während in der Kirche die Leidensgeschichte verlesen wird, sichtbar
werden.
4. Schönes Wetter am Palmsonntag bedeutet ein gutes Jahr.
Wenn't Palmsünndag riägent, dann löppt' Water an'n Schnackenstock
(Peitschenstiel) hiärunner", d. h. dann wird die Ernte naß
und faul, es gibt einen nassen Sommer, die Gänse gedeihen nicht,
es kommt Klapper ins Feld (Eifel). Wenn's schneit in die Palm, schneit's
Vieh aus der Alm - oder: schneit's in die Halmen. Die Palmwoche (d. h.
die Woche, die mit Palmsonntag schließt) wird für die Frühlingssaat
als sehr ungünstig betrachtet. Wer aber schöne Blumen haben
will, säe den Samen am Palmsonntag aus (Ungarn).
5. Bei den Tschechen gibt man zum Weihen auch kleine Räder oder Kreuze
aus Zweigen und wirft sie dann in den Brunnen, um aus ihrem Schwimmen
oder Untersinken seine Zukunft zu erkennen. Hochzeitsorakel stellen
die Mädchen in Ungarn und in Bulgarien an. In Schwaben warf man (nach
Lorichius) so viele Blätter von geweihten Palmen, wie Leute im Hause
waren, ins Feuer, und wessen Blatt zuerst verbrannte, der starb zuerst
38). Wenn ein Kind am Palmsonntag krank wird, so meinen die Leute, daß
es sterben werde.
6. Palmen werden auch auf die Gräber von Verwandten und Freunden
gesteckt. In Aalen führt man am Palmsonntag die Kinder auf den Kirchhof,
und die Verwandten beschenken sie mit Leckereien, die angeblich von den
Verstorbenen aus dem Grabe heraus dorthin gelegt worden sind.
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