SEPTEMBER



aus: E. Hoffmann-Krayer, H. Bächtold-Stäubli, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens,
Berlin und Leipzig 1932


1. Im alten römischen Kalender, in dem das Jahr mit dem März begann, war der September der 7. Monat, welchen Namen er auch weiterhin behalten hat 1). Zu Karls des Großen Zeit finden sich dafür die deutschen Bezeichnungen Witumânoth 2) und Herbistmânoth 3), von welchen die zweite dauernde Geltung bekam. Als der erste Herbst oder erste Herbstmonat wird der September vom Oktober (siehe dort) und November (siehe dort) unterschieden 4), vom August (siehe dort) als der ander Augst 5). Auf die Fülle der Erntezeit verweist der Name Fulmonet, bei Fischart Vollmonat 6). Im Tegernseer Kalender (16. Jh.) heißt der September auch Saumonat 7), weil die Saujagd begann, und Überherbst 8). Als Zeit der Wintersaat führt er, wie der Oktober, auch den Namen Sämonat 9). Dithmarsisch Silmand 10) scheint Seelenmonat zu bedeuten, da der neunte Monat im Jahr der Opfermonat war 11). In Fischarts "Aller Praktik Großmutter" finden sich noch die Namen Verenamonat (1. September) 12) und Michelsmonat (29. September) 13).

Betreffs Personifikation des Septembers vgl. Monat.

1) Reinsberg Festjahr 257.
2) Weinhold Monatnamen 62.
3) Ebd. 42.
4) Ebd. 41 ff.
5) Ebd. 32.
6) Ebd. 59 f.
7) Ebd. 54.
8) Ebd. 59.
9) Ebd. 53 f.
10) Ebd. 55.
11) Widlak Synode v. Liftinae 14.
12) Weinhold a. a. 0. 59.
13) Ebd. 50.

2. Mit dem September tritt die Sonne in das Zeichen der Waage 1). Aber in der ersten Hälfte des Monats, der noch zum Frauendreißiger (siehe dort) gehört, gilt noch das Zeichen der Jungfrau (siehe August) und findet im Feste Maria Geburt (siehe dort) seinen Ausdruck. Im September finden sich bei verschiedenen Völkern Abwehrbräuche. Im alten Rom wurde am 13. September durch Einschlagen eines Nagels in eine Mauer alles Unheil verbannt 2); in den Dörfern um Moskau wurden am Vorabend des 1. Septembers Notfeuer entzündet 3); am 1. September war es in Rußland üblich, die der Ernte schädlichen Insekten durch einen Zauber zu vertreiben 4); in Peru, wo mit dem September die von Krankheiten begleitete Regenzeit beginnt, erfolgte die Vertreibung alles Übels durch die Inkas 5). Abwehrzauber spielte sicher auch mit bei dem heidnischen Herbstfest der Germanen, das mit dem Opfer von Tierköpfen und Opferschmäusen begangen wurde 6). Doch dürfte sich hier mit einem älteren Totenfest, das zu feiern der anbrechende Winter gemahnte 7), ein Erntedankfest 8) verbunden haben. Das erste lebt in dem Feste des hl. Michael (siehe dort) weiter, das zweite in den Kirchweihfesten (siehe dort). Die Verquickung der zwei Feste beweist, daß es am Lechrain üblich war, am Kirchweihmontag ein Seelenamt für alle Verstorbenen aus der Gemeinde abzuhalten. "Auf dieses Seelenamt wird mit einer unglaublichen Halsstarrigkeit gehalten, welche oft zwischen dem Pfarrer und der Gemeinde zu Zerwürfnissen führt. Wenn es sich nämlich trifft, daß gerade dieser Montag auf einen Frauentag oder den eines großen Heiligen, wie z. B. Sankt Michael selber, fällt, wo nach kirchlichen Vorschriften kein Seelenamt gehalten werden darf (festum duplex), so hat der Pfarrer einen schweren Stand, denn lieber verzichten die Bauern auf die ganze Nachkirchweih, als auf ein Verschieben des Seelengottesdienstes" 9). An das altheidnische Opferfest, zu dem man aus weitem Umkreise zusammenkam, erinnert vielleicht auch noch die Tatsache, daß gerade im September die meisten Wallfahrten stattfinden 10).

Der hundertjährige Kalender, der für den Juni, Juli und August besonderes Maßhalten im Essen und Trinken anrät, trägt der festlichen Ernte- und Kirchweihstimmung des Septembers Rechnung, wenn er Dunstbirnen als vortreffliches Essen empfiehlt, ferner meint, man soll jetzt wieder den Leib durch Arzneien, Purgieren und Aderlassen reinigen, wohl vor Überfluß in allem Obst warnt, aber den Rat gibt, "hingegen sich der Gänse, Kapaunen, Indian und Rebhühner, auch Schnepfen, Fasanen, Krametsvögel, Wachteln und Staren bedienen" 11).

Vom Volksglauben der Gegenwart ist bloß zu erwähnen: Der 1.September, an dem Sodom und Gomorrha untergegangen sein sollen ist ein Unglückstag (siehe dort) 12); in Ungarn auch der 30. September, an dem man nicht säen soll, denn das Korn bleibt grün und wird nicht reif 13). Andrerseits ist der 1. September (Ägidius) vorbedeutend für das ganze Herbstwetter 14). Ein weiterer Lostag ist der 17. September (Lambert) 15) und der 21. September (Matthäus) 16). So viel Nachtfröste man vor dem 21. September zählt, so viel werden auch in dem kommenden Mai erfolgen 17). Noch mehr als Maria Geburt, wo die Schwalben fortfliegen 18), gilt der Michaelstag als Beginn der kalten und dunklen Jahreszeit. Von diesem Tag an arbeiten die Handwerker wieder bei Licht 19), und von Michaeli bis Ostern war seinerzeit das Siebenuhrläuten üblich 20). Günstig ist Nebel im September, denn:

Wenn's im September viel Nebel geit,
Der Bauer sich auf den Hirast (Herbst) gfreut 21).

Gewitter im September verheißen für das nächste Jahr viel Obst und Wein 22). Ähnlich heißt es:

Wenn der September noch donnern kann,
Setzen die Bäume viel Blüten an 23).

Ebenso lautet der Eingang eines unter Hermes Trismegistos' Namen überlieferten Brontologion, das wohl einst in Versen abgefaßt war, in seiner gegenwärtigen Gestalt aber der römischen Kaiserzeit angehört: "Wenn im September Donner oder Blitz am Tage eintritt, so werden günstige Sterne sein und viel heitere Tage; alle junge Frucht wird schön erblühen" 24). Der Septembersonne konunt, besonders bezüglich der Traubenreife, nur mehr wenig Kraft zu: "Was Juli und August nicht kochen, das kann der September nicht braten" 25). Vom Gemüse sagt man im Nahetal: "Geht es freudig in den September, so geht es traurig heraus", was auch umgekehrt gilt 16).

1) Vgl. Nork Festkalender 555.
2) Frazer 9, 66.
3) Ebd. 10, 139.
4) Ebd. 8, 279 f.
5) Ebd. 9, 128.
6) Widlak Synode v. Liftinae 14; Müllenhoff Altertumskunde 4, 459 .
7) Vgl. Nork Festkalender 564 ff.; vgl. Oktober.
8) Albers Das Jahr 273.
9) Leoprechting Lechrain 195.
10) Vgl. Reinsberg Festjahr 259 ff.
11) Hovorka und Kronfeld 2, 380.
12) Wuttke 84 § 100; John Erzgebirge 196.
13) ZfVk. 4 (1894), 405.
14) Bartsch Mecklenburg 2, 295; Leoprechting Lechrain 193; Baumgarten Aus der Heimat 1, 52; Zingerle Tirol 170 f.; Reinsberg Böhmen 430 u. Wetter 171; B. Haldy Die deutschen Bauernregeln (Jena 1923) 80 f.
15) Haldy 81. Vgl. Reinsberg Festjahr 276 (Lambertusfest in Münster).
16) Reinsberg Böhmen 450f. und Wetter 173f.; Haldy 79f.
17) Bartsch Mecklenburg 2, 212.
18) Leoprechting Lechrain 194; Zingerle Tirol 171; Reinsberg Wetter 172; Haldy 81; Jungbauer Volksdichtung 225.
19) Leoprechting Lechrain 195 f.; Baumgarten Aus der Heimat 1, 52; Zingerle Tirol 171.
20) Zingerle Tirol 171 f.
21) Reiterer Ennstalerisch 55.
22) Eberhardt Landwirtschaft Nr. 3, 13.
23) Haldy 77.
24) Boll Offenbarung Joh. 10.
25) Bartsch Mecklenburg 2, 215; Wrede Rhein. Volkskunde 150 (siehe August).
26) ZfrwVk. 1909, 300


Jungbauer