Ernte und Erntegebräuche.

Knapp an die Einbringung des Heues, ja bei günstiger Witterung mit ihr fast zusammenfallend, schließt sich die Kornernte, also die Einheimsung des nächst dem Vieh wichtigsten bäuerlichen Kapitals. Es hängt dies natürlich sehr von der Lage des Ortes ab. Der Roggen, der im Tal bis Mitte Juli reift, kommt auf dem Mittelgebirge erst Mitte August zum Schnitt, in noch höheren Gegenden erst Mitte September. In früheren Zeiten, als das Klima in unsern Alpen, Dank der Schonung der Wälder, noch milder war, als an der Sonnenseite des Inntals noch Wein wuchs und der Türken (Mais) schon um den "Täuferstag" (Johanni, 24. Juni) herum "Federn" ansetzte, hatte freilich das Bauernsprüchlein noch Geltung:

Peter und Paul (29. Juni)
Macht dem Korn die Wurzel faul,

was so viel heißen will, daß um diese Zeit das Korn reif werde; aber seitdem ist, wie der Bauer sagt, "die Erde kälter geworden" und so kommt das "Winterkorn" im Durchschnitt erst um Jakobi (24. Juli) zum Schnitt; der "Langesroggen", d, h. derjenige, der nicht in der Erde überwinterte, sondern erst im Frühjahr gesäet wurde, wird um einige Wochen später reif.

Während sich nun die Knechte daran machen, ihre Sicheln so scharf als möglich zu "dengeln", damit das Schneiden recht flink von statten gehe, schaut sich der Bauer um fremde Tagwerker um, da die gewöhnlichen Arbeitskräfte bei einem größeren Besitztum selten ausreichen. Es hält auch nicht schwer, solche zu bekommen und mit ihnen handeleins zu werden, denn wie einige Wochen früher beim Heumahd die Mäher, so wandern auch zur Zeit der Getreideernte ganze Partien armer Leute aus den rauhen Hochtälern in die korngesegneten Gegenden des Unter-Inn-, Puster- und Eisack-Tales, um sich dort als Schnitter zu verdingen.

Am frühen Morgen des anberaumten Tages begibt sich Alles was gehen kann, hinaus auf das Feld. Ist jedoch starker Tau gefallen, so heißt es warten, bis die Sonne ihn getrocknet hat; die nassen Halme lassen sich nämlich nicht gut schneiden. Diese Arbeit ist überhaupt eine der mühevollsten des Landmannes. Den ganzen Tag bei brennender Hitze auf schattenlosem Felde aushalten und noch dazu in gebückter Stellung, ist wahrlich keine Kleinigkeit! Nur zu den drei Essenszeiten, zu Neuner, Mittag und Vesper, sucht sich die Schnitterschar einen Baum oder, wenn kein solcher zu finden ist, einen Strauch und lagert sich in dessen Schatten zu kurzer Rast. Hoch aufatmend lüftet Jeder seinen Strohhut, trocknet sich den tropfenden Schweiß von Stirne und Brust und langt dann nach dem Kruge oder Fäßchen, das ein Junge stets auf's Neue beim nächsten Brunnen oder, noch besser, bei einer frischen Quelle zu füllen hat. Hunger hat der Schnitter wenig; zum Essen ist es auch gar zu warm, aber Durst, viel Durst! Nur wenn die Bäuerin oder Dirne auf dem "Eßbrett" kühlende Speisen, wie Salat, süße oder gestockte Milch hinausbringt, greift er tüchtig zu. Nach der Mahlzeit geht die Arbeit und das Schwitzen von Neuem an. Doch ist der Schnitter noch ganz zufrieden, wenn ihm nur keine besonderen Hindernisse entgegentreten. Zu solchen gehören vor Allem die Wicken, die, so lieblich sie unserem Auge erscheinen, doch den Ärger des Bauern ausmachen. Sie schlingen sich nämlich um die Halme und ranken sich in verschlungenen Windungen an denselben empor, so daß diese erst losgelöst werden müssen, ehe sie geschnitten werden können - eine wahre Geduldprobe für den Schnitter. Oft hat auch ein Platzregen die Halme ganz auf den Boden gelegt, was bei abschüssigen Äckern doppelt fatal ist; oft haben mutwillige Leute, besonders in der Nähe von Städten, ganze Gassen in's Korn getreten, weil ihnen nach einer schönen Cyane gelüstete; da kann der geplagte Arbeitsmann nicht blos zugreifen, eine Handvoll Halme oben fassen und mit einem flinken Sichelruck ein Stück über dem Boden abschneiden, sondern er muß sie erst aufheben und mit Mühe etwas in Ordnung bringen. Niemand wird es ihm da verdenken, wenn er seinem Unwillen durch ein Paar Kernflüche Luft macht, die auch im Munde des "zarten" Geschlechts nichts Seltenes sind. Die Art und Weise, wie das Korn geschnitten wird, ist nicht in allen Tälern gleich. Wahrend man im Inntal und oberen Etschland kleine Sicheln benutzt, hat man in der Meraner und Bozener Gegend sog. "Hacksicheln" oder "Sarnersicheln", die fast einen Meter lang sind und mit denen man eine große Partie Halme zugleich schneiden kann. Der Schnitter steht beim Schneiden halb aufrecht da, so daß man es fast ein Mähen nennen könnte. Auch wird das Korn nicht überall gleich hoch über der Erde abgeschnitten, je nachdem man das "Halmach" (Stoppeln) bald höher, bald nieder haben will. Im Pinzgau z. B. schneidet man die Halme zwei bis drei Spannen vom Boden, an anderen Orten ganz "gleim" über der Erde ab.

So rückt die Ernte langsam vorwärts, indem sich hinter jedem Schnitter eine Zeile von aus mehreren "Handenvoll" bestehenden Büscheln bildet, die man vorerst nur lose auf die Stoppeln legt, um sie dann, nach vollendetem Schneidegeschäft, mit einigen Halmen ziemlich weit unten zu Garben zu binden. Nun wird es erst lebendig auf dem Felde, denn mit der Gewinnung der letzten Garbe verbinden sich Volksgebräuche, die stets großen Spaß und Gelächter hervorrufen. Jener Unglückliche nämlich, den es die letzte Garbe zu schneiden trifft, wird mit dem Ausdrucke geneckt: er habe den "Alten". Im Unterpustertal muß er dieselbe aufstellen und davor mit lauter Stimme ein Gebet, meistens das Vaterunser, hersagen. Die Andern umstehen ihn schreiend und lachend, obwohl Keiner von Allen weiß, was denn eigentlich so Spaßhaftes an der Geschichte sei, noch was man unter dem "Alten" verstehe. Die ehrlichen Bauern würden wohl verdutzt dareinschanen, wenn man ihnen sagen wollte, daß es die Gelehrten bereits schlagend bewiesen, dieser Gebrauch sei ursprünglich ein den altheidnischen Göttern dargebrachtes Dankopfer gewesen und der "Alte" sei Niemand anderes, als der verpuppte Göttervater Wodan. Doch da derlei Gebräuche auch in Norddeutschland üblich sind, wo man die letzte Garbe noch ganz unverblümt "für Wodans Pferd" stehen läßt, so scheint die Sache allerdings ihre Richtigkeit zu haben. Auch im Oberpustertal ist Ähnliches im Brauche, doch hat dort das alte Herkommen ausgesprochen das Gewand des Christentums angetan. Die Schnitterleute knien um die letzte Garbe herum und danken Gott mit lautem Gebete für den Erntesegen. Sie heißt deshalb dort allgemein die "Betgarbe". Im Oberinntal dagegen schenkt man sie dem Meßner oder sonst einer armen Person, Im Vintschgau gehen die Dorfarmen aus die Felder, wo Korn geschnitten wird und klauben die abgebrochenen oder verschnittenen Ähren auf, ähnlich wie die Kornleserinnen im Schwabenland; zum Schlusse bekommt jeder dieser Kornschmarotzer noch überdies eine ganze Garbe.

Das Garbenbinden oder "Aufbinden" geschieht gewöhnlich von dem Schnitter oder von der Schnitterin selbst. Nur an jenen Orten, wo, wie im Obervintschgau (Glurns, Mals), das Getreide gemäht wird, was nicht hindert, es "schneiden" zu heißen, gehen hinter jedem Schnitter zwei bis drei Dirnen, welche die Halme ordnen und "aufbinden". Ist man nun mit dem Schneiden und Garbenbinden fertig, so geht es an's "Schöbern" oder "Aufdocken". Zu dem Zwecke wird bei kleinen Äckern in der Mitte, bei größeren zu beiden Seiten ein zwei Meter breites Stück von den Stoppeln ausgemäht, und zwar den ganzen Acker entlang, um dort die Schober, auch "Hüfler" (Pinzgau), "Hocker" (Etschland), "Pfaffen" (Inntal), "Mannlen" (Kärnten) genannt, "aufzustellen". Man stellt also, wenn man nicht Pfähle als Stützen verwendet, wie im Oberinntal der Brauch, eine größere Garbe, die doppelt, oben und unten, gebunden ist und "König" heißt, senkrecht auf und lehnt die andern mit den "Ächern" (Ähren) nach unten rund herum, und zwar zuerst vier und dann in die Lücken ebenfalls vier. Auf den Garbenkegel setzt man zwei verbundene "Deckgarben" als "Hut", d. h, man kehrt die Ähren derselben nach unten und spreizt die Halme fächerförmig so weit auseinander, bis sie darauf passen. Dieser "Hut", den man übrigens nicht überall anwendet, soll den "Pfaffen" wenigstens etwas vor Regen schützen. Die Zahl der Garben, die einen "Pfaffen" oder "Schober" bilden, richtet sich nach der Gegend und wohl auch nach der Getreideart. So bilden im untern Etschland zehn Garben einen "Hock", sechs Hocken einen "Schober", während in Pinzgau fünfzehn Garben einen "Hüfler" und vier Hüfler einen Schober oder "Mannl" geben. Man sieht schon aus der gleichen Zahl sechzig, daß an ein bestimmtes Getreidemaß gedacht werden muß, wobei die Garbenbündel die Unterlage bilden. Daher geben im korngesegneten Obervintschgau, in der Gegend des Münstertales, wo die Garben mannshoch sind und die Dicke des Mittenumfanges einer kräftigen Schnitterin haben, zwar zehn Garben einen "Hocker", aber nur drei Hocker einen "Tennen". Man sagt auch dort geradezu, wenn man von einem guten Roggen sprechen will: er hat "Tennmaß", d. i. soviel wie eine "Mutt" oder anderthalb Staar abgegeben; auch im Zillertal, besonders aber im Pustertal kennt man diese bestimmte Anzahl der Garben. Man nennt dieselben daher zum Unterschied von der unbestimmten und willkürlichen die "Zahlgarben", ein Ausdruck, der schon im Jahre 1577 in einer Zehentordnung vorkommt.

Ehe nun die Garben eingeführt werden, bleiben sie noch eine gute Weile auf dem Felde draußen stehen, um die weichen Körner an der Luft vollends dürr und fest werden zu lassen. Im Pustertal und Kärnten benützt man zum Trocknen des Getreides die sog. "Harfen" oder "Kosen" (windisch: Kosowy), ein Gestell mit einem breiten Schirmdach und einer Anzahl wagrechter Stangen, auf welche das Getreide zum Trocknen hinaufgehängt wird. Diese Vorrichtung ist besonders in höher gelegenen Gegenden angezeigt, wo das Korn noch halb grün geschnitten werden muß und deshalb länger zum Austrocknen braucht, ehe es zum Dreschen in die Tennen geführt werden kann.

Im Durchschnitt, je nach der mehr oder minder günstigen Witterung, bleibt es zwei bis drei Wochen im Freien, dann läßt der Bauer den großen Leiterwagen anspannen und fährt hinaus auf das Feld. Der "Hut" der "Pfaffen" ist bereits einige Tage früher herabgenommen worden, damit auch diese Ähren völlig austrocknen können. Nun löst man die "Kornpfaffen" oder "Schöber" auf und legt die Garben in zwei Reihen, die Ähren nach innen, auf den Wagen. Zu oberst auf das hochaufgetürmte Fuder kommt der Länge nach der Wiesbaum, der, um das Ganze recht zusammenzupressen, durch straff angezogene Seile oder Ketten vorn und rückwärts am Leiterbaume des Wagens befestigt wird. Unter Juchzen und Peitschenknall setzt sich dann das Gefährt in Bewegung, dem Dorfe zu. Bei Bauernhöfen an steilen Gründen können die Garben nicht mittelst Wagen eingeführt werden, sondern müssen, gleich dem Heu, eingetragen werden. Die jeweilige Last für einen Träger heißt "Buhr" und hat oft ein Gewicht von ein und ein halb bis zwei Zentnern; sie wird auf Kopf und Nacken getragen, worauf sich ein tüchtiger Träger nicht wenig einbildet. Man sucht daher die berühmteren "Buhrträger" weitum heraus und zahlt ihnen auch mehr als den gewöhnlichen Arbeitern. Im Unterinntal ist der Brauch, daß man den, der die letzte Buhr hereinbringt, mit den Hausglocken einläutet. "Er hat die Braut", sagt man. In der Tenne werden die Garben abgenommen und einstweilen aufgeschichtet, um hier wohlgeborgen auf das Dreschen zu warten.

Das Geschäft des Dreschens ist an keine bestimmte Zeit gebunden; man nimmt es vor, wenn es eben passend scheint. Dem Bauern ist vorderhand das Wichtigste, all' sein reifes Getreide sicher in der Tenne zu haben, und das dauert bei ausgedehnten Gütern oft wochenlang. Der arme Kleinhäusler freilich braucht nicht lange, um seine zwanzig bis dreißig Star Roggen und ebensoviel Weizen einzuheimsen. In solch' einem kleinen "nothigen" Hausstände wird oft gar nicht gedroschen, sondern das Korn "ausgeschlagen", was zwar viel langsamer geht, aber auch die Kerne viel gründlicher aus den Hülsen bringt. Man legt dabei eine große dicke Steinplatte über zwei Schragen. Vor der Platte steht ein Mann, der Garbe um Garbe vom daneben liegenden Haufen nimmt, sie unten anfaßt und damit aus Leibeskräften auf den Stein schlägt. Neben ihm sitzt eine Dirne auf einem Holzpflock, welche die Garben von ihrem Nachbar übernimmt und sie mit einem Waschklopfer nochmals tüchtig durchklopft, daß ja kein Körnlein darin bleibe. Hierauf verfährt man mit dem gewonnenen Korn auf dieselbe Weise, wie wir weiter unten beim eigentlichen Dreschen sehen werden.

Ist die nötige Feldarbeit abgetan oder tritt wegen schlechten Wetters darin eine Pause ein, oft erst im Spätherbst, so dingt sich der Bauer ein paar rüstige Drescher. Dieselben kommen oft ziemlich weit her. So z. B. wandern Drescher aus Untersteiermark und von der ungarischen Grenze Ende Juli nach Obersteier, um sich auf zwei bis vier Wochen bei einem Bauern zu verdingen. Gewöhnlich sind es "Keuschler" (Kleinhäusler) oder Söhne derselben. Auch "Heanzen" aus der Gegend von Girmitz, ein Mittelding zwischen Ungarn und Schwaben, sind viele darunter. Sie tragen den Dreschflegel zusammengebunden über der Achsel; daran hängt ihr Bündel mit Kochgeschirr und Gewand. Meist gehen sie zu Dreien, die dann fest zusammenhalten. Den Lohn bekommen sie entweder "Schoberweis", wobei es natürlich darauf ankommt, ob die Schober dick oder dünn sind, oder "Tagweis". Er betragt beiläufig im Tag einen Gulden.

Sieht sich der Bauer gehörig mit Kräften versorgt, so beginnt die Arbeit. In Doppelreihen, die Spitzen nach innen, wird die ganze Tenne entlang hart aneinander Garbe an Garbe gelegt, die Drescher stellen sich paarweise einander gegenüber auf und hämmern mit den Dreschflegeln im Takt auf die Ähren los, indem sie dabei immer weiter rücken, bis die ganze Partie gedroschen ist. Im Wipptal wurde früher "in ein Kehr", d. h. auf der einen Seite hinauf, auf der andern hinunter gedroschen. Unterdessen mußte einer das Getreide umwenden. Dann legt man die leeren Garben beiseite und kehrt das herausgefallene Korn auf einen Haufen zusammen. Hierauf wirft man durch das über der Dreschtenne befindliche Loch frische Garben herab, der Boden wird mit einer neuen Schicht Korn bedeckt und das Gehämmer beginnt von Neuem. Schwache Arme und schwindsüchtige Lungen taugen nicht zu diesem Geschäfte; davon kann man sich überzeugen, wenn man einen der gewichtigen Dreschflegel zur Hand nimmt, den ein Städter kaum zu schwingen, geschweige denn einen ganzen Tag zu handhaben im Stande ist.

Der Dreschflegel, auch Drischel, Drescher, Bengel, im Lechtal Schwegel genannt, besteht aus einem länglichen Stück harten Holzes, das mit Lederriemen derart an den Stiel befestigt ist, daß es nach allen Seiten hin geschwungen werden kann, und hat verschiedene Formen. In Tirol ist derselbe dick, kurz und glatt gedrechselt, in Kärnten und Steiermark dagegen lang und dünn, nur einen Fuß kürzer als die Stange und aus Wurzel- oder knorpeligem Kernholz verfertigt. Man sieht auch solche aus rohen Buchenästen, die nur an der Unterseite abgeschält und sehr schwer zu handhaben sind. Wenn das Holz zu weich ist, beschlägt man es mit Eisen, Eigentümlich ist die Gestalt der Dreschflegel im Zillertal. Man unterscheidet dort "Bengel" und "Drischel". Der Bengel ist eine etwa meterlange Walze aus Ahornholz, die "Dremmel" heißt und vorn ein Loch hat, in das der etwas gekrümmte biegsame Stiel eingesetzt ist. Der "Drischel" ist nur eine kleinere Art Bengel. Auch für die Art des Dreschens haben die Zillertaler eine eigene Benennung. Wenn nämlich jeder nach der Reihe seinen eigenen Streich macht, so nennen sie das "Bengeln", wenn aber nur abwechselnd bald die eine Hälfte der Drescher zusammen einen Streich macht, dann die gegenüberstehende, so heißt das "Trotten".

Das Einschlucken des Staubes, der beim Dreschen unaufhörlich erregt wird, mag nicht sehr angenehm sein. Die Drescher und Drescherinnen kümmert jedoch dies Alles sehr wenig. Unter Scherz und Lachen oder lustigem Gesang hauen sie darauf los und sind stets kreuzfidel. Die Hausfrau weiß aber auch die wackern Arbeiter zu schätzen und kocht ihnen fünf bis sechsmal des Tages die besten Knödel, Nocken, Krapfen, Küchel u. s. w., und zwar eine Schüssel voll, daß sich der Tisch biegt, und so fett, daß sie in Schmalz schwimmen, denn die staubigen Kehlen wollen geschmiert sein. Es ist eine wahre Freude zu sehen, wie diese Leckerbissen im Nu verschwinden; es heißt ja sprichwörtlich : "Er ißt wie ein Drescher". Auch die Branntweinflasche wird zu wiederholten Malen geleert und wieder gefüllt.

Das rechte "Spektakel" geht aber erst dann los, wenn das Dreschen zu Ende geht. Wie beim Schneiden des Korns um die letzte Garbe, so dreht sich der Schwank hier um den letzten Drischelschlag. Während des Dreschens wird nämlich einer zum "Tennenmeister" ernannt. Dieser erhebt beim Dreschen der letzten "Schanze", die bereits ausgedroschen auf der Tenne liegt, plötzlich den Flegel. Wer alsdann den letzten Streich macht, der hat den "Hennendreck" erschlagen. Nun gibt es ein wahres Faschingskunterbunter. Unter Lärm und Gelächter wird der Missetäter sogleich gefaßt. Während ihn die Einen spottend bei den Kleidern ziehen, binden Andere drei Kränze aus Stroh und setzen ihm dieselben auf. Ein Strang kommt um den Kopf herum, zwei andere werden in Kreuzesform darüber gewölbt und zur Vervollständigung der Narrenhände noch mit rothen Bändern durchflochten. Nun setzen die übrigen Drescher den Gefoppten auf einen Wagen oder Karren und ziehen ihn jauchzend durch das ganze Dorf, wo natürlich Alles aus den Häusern läuft, um die Komödie anzusehen. Neben dem armen Sünder sitzen zwei seiner Kameraden, die ihn mit lächerlichen Ehrenbezeigungen überhäufen, was stets großen Jux macht. Schließlich geht es zum Mahl. Man führt den "Henneler" zum Ehrenplatz, vor welchem zwei Teller stehen. Auf dem einen liegen die besten Bissen, auf dem zweiten - Hennenmist, daneben Messer und Gabel. Neues Gelächter bricht los und eine Flut von derben Witzen überschüttet auf's Neue den Helden des Tages, bis ihm endlich nach dem Essen der Strohkranz herangenommen wird. So ist es, oder vielmehr war es im Oberinntal; denn die neueste Zeit verwischt immer mehr alle derartigen Gebräuche, obwohl sie einst überall im Schwung waren, in jedem Tale, ja in jedem Dorfe mit verschiedenen Abänderungen. In Mühlau bei Innsbruck bekam, wenn ein Weibsbild den letzten Drischelschlag machte, dasselbe den schmeichelhaften Titel: Sau. Man flocht ihr ebenfalls einen Kopfschmuck aus Stroh und roten Bändern und führte sie in diesem Putz durch das Dorf, doch mit dem Unterschiede, daß man zum Schlüsse in ein Wirtshaus einfiel und dort bei Zitherklang nach Herzenslust tanzte. War der Betreffende ein Bursche, so würgten ihn die Dirnen mit einem Strohband und malten ihm mit "wiechem" (fettem) Ruß einen tüchtigen "Ratzen" unter die Nase. Im Eisacktal ist dagegen die Sitte umgekehrt. Derjenige, welcher den letzten Schlag tut, läuft, ein Strohband versteckt haltend, zur Bäuerin, würgt sie und schreit: "Ob die Küchel außerkommen oder net?" Am nächsten Samstag, der gewöhnlich der folgende Tag ist, erscheint dann wirklich die geforderte Speise.

Der ursprüngliche Sinn aller dieser Gebräuche liegt in der alten Volksmeinung, die sich in den wogenden Halmen ein dämonisches Wesen, ein Tier, verborgen dachte, das nun mit der letzten Garbe gefangen oder getötet werde. Im ersten Falle erscheint dieses geheimnißvolle Wesen als gut, im zweiten als böse. Darum sagt man: "Er hat die Sau, den Harer; er hat den Zoll, die Los erwischt" etc., oder: "er hat den Henneler, die Los, die Sau erschlagen" etc. Gewöhnlich prangt auch auf der nachfolgenden Tafel ein größerer verzierter Sonderkrapfen, der einerseits unter verschiedenen Namen das als erlegt gedachte Tier vorstellen, andererseits dem Gefoppten einen Ersatz bieten soll für die Neckereien, deren Zielscheibe er soeben gewesen.

Sind die Tage des Dreschens mit ihrem lärmenden Getreibe vorbei, gestaltet sich wieder Alles zur früheren gesetzten Hausordnung. Droben in der Tenne liegen die großen Kornhaufen, doch sind sie noch voll Hülsen und Spreu. Das Korn wird deshalb zuerst in großen Holzsieben "gereutert", d. h. von den mitabgeschlagenen Ähren und groben Bestandteilen getrennt. Letztere geben abgebrüht ein gutes Futter für Kühe und Hennen, "Ohm" genannt. Das gesiebte Korn aber kommt zur vollständigen Reinigung in die Windmühle. Das Schwere, d. i. das Korn, fallt durch eine Öffnung in ein untergestelltes Gefäß und wird sogleich in Säcke gefüllt, die auf den Kornboden geschafft und dort in große Kisten, Korntruhen, ausgeleert werden: die Spreu fliegt bei der Rückseite der Mühle hinaus. Auf ganz ähnliche Weise wie der Roggen wird auch der später abreifende Weizen, die Gerste und der Hafer gewonnen und verarbeitet, nur wird letzterer nicht mit der Sichel geschnitten, sondern mit der Sense wie Gras gemäht. Die Ernte desselben, sowie jene der Gerste fällt erst zu Ende der "Dreißigen", d. i. Anfangs September. Eine ganz eigene, verwickelte Behandlung erfordert der Flachs, um dessen Zubereitung sich ein ganzer Kranz von Gebräuchen gruppiert hat.

Quelle: Ludwig von Hörmann, Das Tiroler Bauernjahr, Jahreszeiten in den Alpen, Innsbruck 1899, S. 59 - 73.
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