Die St. Michaelskapelle zu Vöhrenbach / Schwarzwald
Die Kapelle des heiligen Michael zu Vöhrenbach, oder Bruderkirchle, aus der Jahrhunderte lang eine Quelle entsprang, befindet sich unweit der alten Steige von Vöhringen nach Herzogenweiler und Villingen. Heute wird die einstige Verbindungsstraße nur noch von Einheimischen, Wanderern und solchen benutzt, die ihr ganz persönliches Anliegen in das Kirchlein tragen. In vorchristlichen Zeiten soll sich an dieser Stelle ein altes Quellheiligtum befunden haben.
Bruderkirchle oder Kapelle des heiligen Michael zu Vöhrenbach
© Klaus Kramer, www.klauskramer.de
Legenden:
Es gibt verschieden Legenden, die das Dasein der Kapelle aus christlicher Sicht begründen. Die älteste lautet:
Ein frommer Ritter, der im Bregtal ein Schloss besaß, hatte sieben schöne Töchter. Zum Andenken an seine verstorbene Gemahlin und zum Dank für das Gottesgeschenk, das die tugendhaften Töchter darstellten, war er willens, in der Nähe seines Schlosses eine Kapelle zu bauen. Bevor es aber dazu kam, schwärmten die wilden Hunnen in das Land und erreichten auch das Tal der Breg. Trotz heldenhaften Widerstandes fielen die Verteidiger des Schlosses und seine Gefolgsmannen, das Schloss selbst ging unbeschützt in die Hände der Heiden über. Die Horde drang auch in den Saal ein, in dem die sieben Jungfrauen vor einem Jesusbild beteten. Als sich die Eroberer den Mädchen näherten und zudringlich werden wollten, baten die Bedrängten ihren Heiland, er möge sie in Engel verwandeln.
Tatsächlich erfüllte der Herr dieses Flehen und plötzlich erhoben sich die Jungfrauen in Gestalt von sieben Engeln über die Köpfe der Verfolger, schwebten aus dem Saal und ließen sich neben der Quelle nieder, wo die Kapelle hätte entstehen sollen.
Das Wunder vertrieb die Feinde, die aus dem Tal abzogen. Über dem Platz aber wurde die von dem gefallenen Ritter geplante Kapelle erbaut, wo dann die sieben Jungfrauen beisammen blieben und ein heiligenmäßiges Leben führten.
Die zweite Sage, die der Sagenforscher Johannes Künzig 1930 niederschrieb , ist enger mit der Geschichte der mittelalterlichen Stadt Vöhringen verknüpft:
Als Vöhrenbach noch heidnisch war, siedelten sich in seiner Nähe sieben christliche Jungfrauen an und führten ein klösterliches Leben. Sie brachten manche Männer, Frauen und Kinder zum wahren Glauben, zogen sich aber dadurch den Hass der anderen Vöhrenbacher, vornehmlich des Schultheißen Mändele zu. Auf seinen Befehl nahm man sie gefangen und versuchte durch Folter, ja durch Androhung des Todes sie vom Christentum abzubringen. Da dies alles vergeblich war, wurden sie von einem falschen Zeugen der Zauberei angeklagt und vom Stadtrat, trotz ihrer Unschuld, als Hexen zum Feuertod verurteilt. Bevor man den Scheiterhaufen anzündete, sprach eine der Jungfrauen: „So gewiss sind wir unschuldig, als Vöhrenbach dreimal verbrennt!“ – „Als der Stadtrat nie ein Jahr lang vollzählig bleibt und das Geschlecht der Mändele ausstirbt! Sagte die zweite – „Ihr das Hochgericht verliert!“ die dritte!“ – „Eure Silbergruben unergiebig werden!“ die vierte – „Eure Obstbäume keine Früchte mehr tragen!“ die fünfte – „Euer Götzentempel eingeht!“ die sechste. Ungeachtet dieser Drohungen verbrannte man die sechs Jungfrauen miteinander; die siebente aber verschonte man in der Hoffnung, sie noch von Christus abspenstig machen zu können. In der folgenden Nacht sah diese Jungfrau ihre Gefährtinnen in der himmlischen Herrlichkeit und beteuerte darauf den Richtern, dass sie niemals ihrem Heiland untreu werde. Da ward auch sie verbrannt.
Zuvor aber warf sie vom Scheiterhaufen aus noch ein Gebund von sieben goldenen Schlüsseln auf die Erde und sagte: „So gewiss bin auch ich unschuldig, als da, wo ich die Schlüssel hinwerfe, ein Brunnen entsteht. Darin wird alle sieben Jahre, am Karfreitag vor Sonnenaufgang ein Fisch mit den Schlüsseln um den Hals erscheinen; aber nur der kann ihn sehen, der ganz von Sünden rein ist.“ Im Augenblick entsprang auf dem Platz eine Quelle, und auch die übrigen Vorhersagen der Jungfrauen gingen mit der Zeit in Erfüllung.
Jetzt steht da, wo die Verbrennung geschehen ist, ein Michaelskirchlein, man heißt es auch Siebenfrauenkapelle. Darin ist auf einem Votivbild die Verbrennung der sieben Jungfrauen dargestellt. Zu der Kapelle, wie zu dem Brunnen, der bei Ihr hervorquillt und Heilkraft besitzt, macht man Wallfahrten; besonders tun das junge Mädchen, die zu sieben miteinander gehen. In dem Brunnen ist auch der Fisch mit den Schlüsseln zu der Goldkiste schon gesehen worden. Wo diese Kiste verborgen liegt, ist freilich niemand bekannt.
Hintergrundinformation aus volkskundlicher Sicht:
An das Martyrium der sieben Jungfrauen soll das volkstümliche Gemälde von den sieben Jungfrauen aus dem Jahre 1797, das sich im Vorraum der Kapelle befindet. Der Maler des Bildes ist unbekannt.
Die Kapelle des heiligen Michael zu Vöhrenbach, wie das Bruderkirchle in den kirchlichen Urkunden meist genannt wird, wurde 1580 erstmals erwähnt.
Im Visitationsbericht des Abtes Georg Gaisser von St. Georgen Villingen aus dem Jahre 1651 ist die älteste bekannte Erwähnung der Legende von den sieben Jungfrauen zu finden: „Man sagt,“ so schreibt der Abt, „dass diese sieben Jungfrauen die Märtyrerkrone tragen, doch das ist nicht urkundlich bezeugt. [...] Es gibt Leute, die sagen, das Kirchlein sei ehedem ein Klösterlein gewesen.“
„Bis heute“, - so schrieb Abt Gaisser 1651 - sei ein lebhaftes Wandern und Wallfahren zu der Kapelle im vollen Gang.
Die Prophezeiungen der sieben verbrannten Frauen sollten sich bewahrheiten. Im Jahr 1544 brannte Vöhrenbach ab. Was übrig geblieben war, zerstörten 1639 plündernde und brandschatzende schwedische Truppen im Dreißigjährigen Krieg. Auch die Stadtkirche wurde hierbei zerstört.
Die Figur des in der Legende genannten Schultheißen Mändele oder Mändlin, wie er tatsächlich hieß, hat es tatsächlich gegeben. Er war allerdings, so die amtlichen Urkunden, weder Unmensch noch Heide, sondern ein braver und gottesfürchtiger Mann.
Zur Zeit des Mändlin spukte das Hexenwesen noch in den Köpfen der Menschen. Und vielleicht hat der Volksglaube den Schultheißen, als damaligen Vertreter des Gerichts, mit einem Hexenprozess in Verbindung gebracht.
In alten Texten wird die St. Siebenfrauenkapelle auch Schlangenkapelle genannt. Sie soll zum Dank für die Erlösung vor einer Schlangenplage errichtet worden sein. Diese älteste Sage ist heute verschollen und wird von den christlich geprägten Sieben-Jungfrauenlegenden überdeckt. Vielleicht nahm die Sage Bezug auf die vorchristliche Keltensiedlung, deren Reste man in 996 m auf dem Berg oberhalb der Martinskapelle ausgrub. Bezeichnenderweise heißt der bewaldete Gipfel heute ‚Auf der Burg’. Steinanhäufungen lassen alte Keltenmauern erahnen. In der Keltischen Mythologie steht die Schlange für Fruchtbarkeit und Wachstum. Sie verbindet aber auch das Gegensätzliche, wie der Regenbogen, der den Bogen zwischen Himmel und Erde schlägt oder das Wasser der Quelle, das die Tiefen der Erde mit dem Licht verbindet. So symbolisiert die Schlange auch die Heilquelle, die Mensch und Tier immer wieder neue Lebenskräfte schenkt. Die christliche Religion hat die Schlange zum Symbol des Bösen umgedeutet.
Bruderkirchle oder Kapelle des heiligen Michael zu Vöhrenbach
© Klaus Kramer, www.klauskramer.de
Der Brunnen an dem Kirchle ist heute leider versiegt, die einstige Quellfassung verschwunden. Vermutlich hatte man sie in den 1950er Jahren beim Fassen mehrerer Quellen abgegraben. Mehrere Jahre wurde der Brunnen noch über einen Schlauch aus einer weiter entfernten Quelle gespeist. Doch nach dem Tod des letzten Hausmeisters der Kapelle, dem ‚Bruderkirchle-Hans’ „ist nicht mehr viel gelaufen“ – berichtet ein Zeitzeuge. Kinder suchen den Goldfisch mit den Schlüsseln heute vergeblich. Stattdessen findet man auf der Talsohle, direkt vor der Kapelle, ein geschmacklos umzäuntes Wasserreservoir das der Wasserversorgung der Stadt dient.
Brunnen beim Bruderkirchle, heute leider versiegt
© Klaus Kramer, www.klauskramer.de
Brunnen beim Bruderkirchle, heute leider versiegt
© Klaus Kramer, www.klauskramer.de
Brunnen beim Bruderkirchle, heute leider versiegt
© Klaus Kramer, www.klauskramer.de
© Klaus Kramer, 30.04.06