PRAGS, Bad Altprags

Prags, Südtirol

Die Entstehung von Bad Altprags wird von einer Sage beschrieben, die Hermann von Gilm in einer Ballade wiedergegeben hat. Ein mehrmals angeschossener Hirsch soll im Wasser der Quelle gebadet haben und von der Verwundung geheilt worden sein. Die Jäger verfolgten den Hirsch und sahen ihn im Wasser baden. Deshalb wurde die Quelle "Hirschbrunnen" genannt.

Der geschichtlich nachgewiesene Ursprung des Bades ist ins Jahr 1490 zurückzuverfolgen, als die erste Badestube errichtet wurde. 1565 erhielt der Badbesitzer Simon Moosburger von Erzherzog Ferdinand II. eine fürstliche Freiung für eine Badehütte, die dazugehörige Behausung, einen Stall und einen Garten für die Badegäste. Im Jahr 1692 wurde die Kapelle neu errichtet.Wie die meisten Bäder in Südtirol erlebte auch Bad Altprags seine Blütezeit um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert und verfiel langsam nach den Weltkriegen.

Legende:


Hintergrundinformation aus volkskundlicher Sicht:

Bad Altprags wurde oft auch "das kalte Gastein" genannt. Die Bäder und Kuren wurden gegen vielerlei Leiden angewandt, unter anderem gegen Störungen des vegetativen Nervensystems, Kreislaufbeschwerden, rheumatische Erkrankungen, Blutarmut, chronische Verstopfung und Frauenleiden.

Neben der eigentlichen Badquelle, dem "Hirschenbrunnen", gab es noch die "Augenquelle" und die Trinkwasserquelle. Das Wasser des "Hirschbrunnens" wird klassifiziert als sulfat-, calcium- und magnesiumhaltiges Wasser. Es enhält Iod und Spuren von Bor, Barium, Molybdän, Kobalt und Uran. Seine Leitfähigkeit ist 940 µS/cm und die Temperatur beträgt um 9°C.

Von der Pustertaler Staatsstraße zweigt zwischen Welsberg und Niederdorf die Straße ins Pragsertal ab. Nach 2,5 km kommt man zu einer Kreuzung, die rechts zum Pragser Wildsee und links nach Altprags führt. Dort weiter nach weiteren 2 km folgt die Abzweigung einer schmalen Straße nach links zum ehemaligen Badkomplex Altprags (200 m).

Quelle: [Link] Amt für Gewässernutzung, Autonome Provinz Bozen - Südtirol: Bad Altprags


Altprags und Neuprags.

Zwischen Welsberg und Niederdorf öffnet sich das Pragser-Tal (2 1/2 Stunden lang), von der Natur mit Heilquellen gesegnet. Hier nimmt die Rienz den Pragserbach auf, der am nördlichen Abhange der Rotwand entspringt und durch den Innerpragserbach, der dem Wildsee entfließt, sowie durch andere kleine Zuflüsse verstärkt, in vielen Windungen mit übersprudelnder Jugendlust durch das Tal strömt. Am Eingänge bietet das Tal wenig Erfreuliches; es ist enge und von vielen Wunden und Narben zerstörender Gewittergüsse (namentlich vom Herbste 1882) verunstaltet. Einzelne Bauernhöfe bemerkt man teils am Wege, teils an den Berg-Hängen. Nach einer halben Stunde wird es freundlicher. Hier löst sich vom Hauptast des Tales (Außerprags) ein Nebenast ab (Innerprags mit den Dörfern Schmieden und St. Veit); den Talhintergrund des ersteren schließt Bad Altprags mit Dürrenstein und Hoher Geißel, den des letzteren ziert der Pragser Wildsee mit Seekofel, beides Perlen alpiner Schönheit, Die Endpunkte beider Täler sind auch zu Fuß leicht erreichbar. Die Gebirgswelt zeigt uns schon beim Taleingange die grauen Häupter der Roßkofelgruppe mit dem Daumen, die hohe Geißel, den mächtigen Dürrenstein und auf kurze Zeit auch das gewaltige Gletscherhaupt des Monte Cristallo (3199 m). Noch großartiger wird der Blick in das Reich der Dolomiten, wenn wir der Talstraße bei ihrer Abzweigung geradeaus folgen, dem in der Tiefe rauschenden Wasser entgegen. Im Süden schauen wir hinter dem steilen Gehänge des Schwalbenkofels (2479 m) - einem märchenhaften Feenschlosse gleich - die stets schneeumlagerte Hohe Geißel (3133 in) mit der Rotwand (croda oder creppa rossa); im Westen, also rechts, starren die zur Roßkofelgruppe (Gr. Roßkofel 2554 m) gehörigen Wände und Hänge des schon genannten Schwalben- und Daumkofels (2259 m) auf; im Osten (links) fesseln unsern Blick der malerisch gezackte Dürrenstein (2846 m), der Sarlkofel (2360 m), zwischen welchen beiden Bergen die Sarlalpe eingebettet liegt, dann der Lunnkofel (2282 m), einem großen, rohkantig behauenen Felsblocke ähnlich; ihnen reihen sich hart an, das Tal gegen Norden abschließend, die bewaldeten Höhen des Alwartsteines (1957 m) und des Badmeisterkofels (1859 m).

Wildbad Altprags

Wildbad Altprags

Am Fuße dieses brüchigen Kofels nun liegt das Bad Altprags (1383 m) in der denkbar schönsten Lage, die man am besten von der Bank beim Christus oder von der Heinrichs-Höhe aus übersieht: die ausgedehnten, im Juli blumengeschmückten Wiesen, von Reihen und Gruppen von Lärchenbäumen besetzt, umranden die dunkeln Waldeshänge, über denen die wilden, großartigen Felsgebilde des Sarl, Lungkofels, Dürrenstein, der Hohen Geißel, des Schwalben- und Daumkofels emporragen; selbst nach dem fernen Hochgall und dem Rutnerhorn in der Rieserfernergruppe sowie in die Zillertalerferner dringt der Blick. Auch so manche Blume hat die erhabene Alpennatur aus ihrem reichen Füllhorn hier ausgeschüttet: Edelweiß und Edelraute; neben dem Haus ein Kornfeld, hinter demselben ein blühender Oleander, hat Altprags, obwohl höher gelegen als der Semmeringpaß und der Brenner, in Flora und Fauna noch manch andere Zeugen eines gemäßigten Klimas. Das Bad ist geschützt vor Sturm und Wind; anfangs Oktober kann man die auf der Terrasse stehenden Kastanienbäume und die Robinie noch unentblättert sehen. Und die reine, dünne, durchaus nicht rauhe, eher milde Alpenluft wirkt wie Balsam auf Herz und Lunge und erzeugt guten Appetit.

Bad Altprags kann sich eines mehr als 400jährigen Alters rühmen. Nach einer im Badhause vor Jahren noch vorgefundenen Aufschreibung wurde die St. Maria Magdalena-Kirche in Moos bei Niederdorf von Paula von Gonzaga Markgräfin von Castiglione, Gemahlin Leonhards, des letzten Grafen von Görz (gest. 1500), aus Dankbarkeit für die im Bade Altprags im Jahre 1491 gefundene Heilung erbaut oder richtiger umgebaut. Die Heilkraft dieses Wassers wurde, wie die Überlieferung und eine im Badhause hinterlegte Schrift besagt, auf eine seltsame Weise entdeckt. In jener waldigen Gegend, wo die Quelle fließt, hatten Jäger dreimal einen Hirschen angeschossen, ohne ihn erlegen zu können; das vierte Mal ward er getötet, als man ihn in eben jener Quelle badend belauschte. An seinem Körper gewahrte man deutlich die Narben der verheilten früheren drei Schußmunden. Das Wasser wurde dann der Hirschbrunnen genannt und diente bald als ein wirksames Bad für Verwundete, Gliederkranke und mit ähnlichen Leiden Behaftete. Unser vaterländischer Dichter Hermann von Gilm hat diese Sage vom "Hirschenbrunnen in Altprags" in einem schönen, achtstrophigen Gedichte besungen:

"Es lagern in dem Wiesengrün
Des Hirschenbrunnens Badegäste,
Beschattet von dem Baldachin
Der langbefransten Föhrenaste,
Umbuscht vom weißen Hagedorn
Und oben auf der Balustrade
Voll bunter Nelken, bläst ins Horn
Der Stammgast im Altpragser Bade.

Er bläst ins Horn, bis sich der Wald,
Bis sich der Fels, der bleiche, rötet,
Das Kirchlein von Sankt Theobald
Ave Maria leise flötet;
Er bläst ins Horn, bis in die Flur
Ein Mädchen tritt mit schwarzen Haaren:
Das ist des Brunnens Troubadour
Und in Geschichten wohl erfahren.

Es spricht: Wo dort das Haus erbaut,
War einst ein jungfräulicher Rasen
Aus wildem Klee und Münzenkraut;
Still lagen im Gebüsch die Hasen,
Das Reh tritt sinnend aus dem Holz -
Ihm wehrt's kein Zaun und kein Geländer -
Jedoch des Waldes Zier und Stolz
Das war ein Hirsch, ein Sechzehnender.

Den Hals trägt schöner nicht der Schwan:
Er horcht, er stutzt - im föhrendüstern
Gehölze schlägt ein Windhund an -
So steh'n mit aufgeriss'nen Nüstern
Araberhengste beim Bivouak.
Ein Sprung - hinfliegt er mit Gekrache:
Das sind die Hufe, wie sie Prack
Geküßt am Tavernanza-Bache.

Und hinter ihm die Meute hetzt,
Die Zung' ist dürr, die Weichen klopfen -
Es schwirrt der Pfeil - das Auge netzt
Allmählich sich mit Tränentropfen:
Da rieselt hell und kalt wie Eis
Ein Bach vorbei mit süßem Kosen.
Der Edelhirsch, bedeckt mit Schweiß,
Springt in des Schaumes weiße Rosen.

Das Wasser kühlt, das Wasser heilt,
Wie Balsam träufelt die Kaskade
In seine Wunden, und er eilt
Gesund und kräftig aus dem Bade.
Was kümmert ihn nun das Gebell
Der Hunde und des Pfeils Gefieder?
Denn heimlich in dem Gnadenquell
Heilt er die Wunden selbst sich wieder.

Doch wird er eines Tags erspäht -
Die Leute sprachen schon von Wunder -
Wie badend er im Wasser steht,
Bedeckt von einem Busch Holunder,
Die Jäger stecken ins Gewand
Die weißbefiederten Harpunen
Und bauen dankbar an den Rand
Des Baches hier den Hiischenbrunnen. -

Das Mädchen schweigt. Der Badwirt schellt
Mit Ungestüm zum Abendessen;
Bald ist des Waldes grüne Welt
Wie ein verscholl'nes Lied vergessen.
Dafür wird's laut im Teich, im Bach -
Je nun, die Nacht gehört den Fröschen,
Und nun steigt auch der Mond aufs Dach
Des Himmels Rosen auszulöschen".


Nach einem Holzverleihbrief des Erzherzogs Ferdinand vom 6. Oktober 1565 war damals Simon Moosburger Besitzer des Bades Altprags. Im Eingange erwähnter Urkunde heißt es: zu Prags sei "vor vil verschienen Jaren ain Hailbrunnen oder Wildpad .. erfunden worden", das ... "durch vil preßhafftige Leut von nahen und fernen ortten, so etwas an Gliedern oder im Leib mangelhaft zu bekhomung Irs Gesundts besuecht wierdet!" Demzufolge war Bad Altprags schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts stark besucht.

Der gegenwärtige Besitzer des Bades, Herr Josef Mittich, hat das frühere kleine, unansehnliche Haus durch eine offene Terrasse und zwei geschlossene Glasveranden bedeutend vergrößert, nebstdem noch in den Jahren 1894-1897 einen stattlichen Zubau mit großem Speisesaal und Glasveranda aufgeführt, so daß die Badegebäude nun 110 gut eingerichtete Wohnräume enthalten. Die Bäder sind zuunterst im Hauptgebäude untergebracht. Während des Sommers besteht im Hause auch ein Post- und Telegraphenamt und wird vom 1. Juni bis 30. September täglich zweimalige Postverbindung (Postbotenfahrt) mit Niederdorf unterhalten.

Die Heilquelle sprudelt etwa 100 Schritt ober dem Hause aus einem Kalkfelsen hervor. Das Wasser, als Badekur gebraucht, hat sich seit Jahrhunderten wirksam erwiesen gegen Gicht, Rheumatismus, Lähmungen, Unterleibsleiden und alte Geschwüre. Mit Bezug auf Temperatur und Wirkung des Heilwassers pflegt man Altprags gerne das "kalte Gastein" zu nennen. Jenen aber muß der Gebrauch des Bades mißraten werden, die zu Lungenschwindsucht und Zehrfieber geneigt sind. Nach der neuesten Analyse des k. k. Universitäts-Professors Dr. Senhofer in Innsbruck ist das Wasser eine erdig-alkalische Quelle mit einer mittleren Temperatur von 8° 0.

Der Aufenthalt und die Kur in Altprags sind wegen der reinen frischen Luft und windgeschützten Lage besonders für solche wertvoll, die einer Stärkung des Nervensystems bedürfen. Während der Saison, die von Mitte Mai bis Mitte Oktober währt, wird das Bad jährlich von ca. 1500 Gästen besucht. Zahlreiche vornehme Persönlichkeiten haben durch ihren Besuch den Ruf des Bades gehoben; besonders durch den Besuch des Erzherzogs Heinrich hat Altprags Zugkraft bekommen. Ein großer Freund dieses Bades ist Feldmarschall-Leutnant Baumgariner aus Wien, der in seiner Schrift über Altprags alle jene beglückwünscht, "denen ein gütiges Geschick erlaubt, die lange ,Reihe von schönen Tagen' in der Residenz zu unterbrechen, Hebel und Schraube der Amtsgedankenpresse, aus welcher der geistige Saft unter dem stärksten Drucke nur mehr tropfenweise hervorquellen kann, zu lüften, der erschlaffenden Sonnenglut zu entfliehen" - nach Altprags. Dem mehrjährigen Gast Herrn Hofbuchhändler v. Hölder in Wien verdanken die Elvirahütte beim Maxbrunnen, die im dorischen Stil gehaltene Hütte auf dem Sonnenbühel nebst zwei anderen Hütten ihre Entstehung. Derselbe ließ auf eigene Kosten einen neuen, fahrbaren Weg bauen von der Bad-Sägemühle bis zur Stelle, wo die Poststraße den Bach überschreitet, so daß man jetzt diese Strecke bequem im Waldesschatten zurücklegen kann. Am 22. August 1903 wurde dieser Weg feierlich eröffnet mit Festumzug und Festmahl, wobei die Niederdorfer Musikkapelle muntere Weisen spielte.

Das zwischen den Badegebäuden stehende bescheidene Kirchlein ist dem heiligen Einsiedler Theobald geweiht. Kirche und Hochaltar, den das Bild des Kirchenpatrons mit der Jahreszahl 1682 ziert, wurden am 11. September 1838 konsekriert. Während der Sommermonate ist für die Anwesenheit eines Priesters gesorgt. Hinter einem Gitter sehen wir mehrere Krücken, die Geheilte aus Dankbarkeit hinterließen; an der Wand hängen Tafeln, die Dankbezeugungen für erlangte Heilung der späten Nachwelt offenbaren.

Das Kirchlein mag, wenn nicht schon 1682, so sicher 1724 erbaut worden sein, da in diesem letzteren Jahre zum ersten Mal die Meßlizenz erteilt wurde.

Bad Altprags genießt auch den Vorzug angenehmer Spaziergänge in der Talsohle sowie es Gelegenheit bietet zu größeren Ausflügen in die Gebirgsumgebung und in die Nachbarorte: nach Neuprags und Pragser Wildsee (1 ½ - 2 Std.), nach Welsberg, Niederdorf (1 ½ Std.), auf die Sarlalm und von dort hinab zum Toblacher See, über die Putzalpe nach Maistatt und über Niederdorf zurück (4 - 5 Std.): eine lohnende und genußreiche Partie für eineinhalb bis zwei Tage zu Wagen wäre die über Plätz, Schluderbach - Misurina um den Monte Cristallo herum nach Cortina d'Ampezzo und wieder über Plätz oder über Landro, Toblach und Niederdorf zurück. Die Besteigung des Daumkofels läßt sich hin und zurück in einem Vor- oder Nachmittage machen; auch eine Tour auf den Roßkofel, der fast dieselbe Aussicht gewährt wie der Dürrenstein, erfordert nicht mehr als sechs Stunden. Zwei Ausflüge, die sich auch miteinander verbinden lassen, wird kein Gast von Altprags, der noch gerade Füße und frische Lunge hat, unterlassen - nach "Brückele" und auf die Plätzwiese.

Eine halbe Stunde hinter Bad Altprags steht man ganz überrascht vor dem nach der gleichnamigen Alpe benannten Gasthof "Brückele" (1515 m), nach selbstentworfenen Plänen von Herrn Kaufmann Gotthard Ebner in Niederdorf 1901 bis 1902 aufgeführt. Die grüne Alpenmatte, auf der der Gasthof steht, ist von dunklen Fichtenwaldungen umsäumt und von einem Kranz herrlicher Berge umgeben, auf die man eine prächtige Aussicht genießt, namentlich auf die Hohe Geißel, die hier mit ihren gewaltigen, hoch emporragenden Felswänden den Talschluß bildet. "Brückele", in schöner Dolomiten-Landschaft gelegen, von den ringsum aufsteigenden Gebirgen vor rauhen Winden geschützt, eignet sich insbesonders als Station für den Verkehr nach Plätzwiese und für die Besteigung des Dürrenstein sowie auch zu längerem Sommeraufenthalt in stärkender Alpenluft, wozu sechzehn nette Zimmer mit zwanzig Betten, Speisesaal und Veranda gastlich einladen. Die unmittelbare Umgebung gibt Gelegenheit zu Spaziergängen in Wäldern und Alpenwiesen, für Ausflüge stehen Einspänner und für Gebirgstouren Bergführer zur Verfügung. Nach Niederdorf und Pragser Wildsee verkehren täglich Omnibusse, wie auch für tägliche Postbeförderung gesorgt ist.

In zwei Stunden sind von Altprags die Plätzwiesen erreichbar, die sich auf einer Meereshöhe von fast 2000 Metern über der Waldregion des Dürrenstein eine Stunde lang über grünem Alpenboden hinziehen, zur Blütezeit übersät mit der duftenden Nigritella, dem bekannten "Kohlröserl" der österreichischen Alpen. Die Plätzalpe, schon in Urkunden von 965 und 974 aufgeführt, könnte uns von dem Leben und Treiben im Tal drunten was erzählen! Der Weg führt rechts vor Bad Altprags nach Gasthof "Brückele", von dort über die Brücke des Pragserbaches, wo bald der steile Aufstieg beginnt. Höher oben dann zeigt die Hohe Geißel ihre herrlichen farbigen Wände; unvergeßlich sind die Eindrücke, die man hie und da bei Waldlichtungen vom Monte Cristallo empfängt. Ein Rückblick läßt uns die Postmeisteralpe, den Roßkofel, Schwalbenkofel und Daumen sowie die Rieserferner- und Zillertalergruppe (Schwarzenstein) schauen. Auf dem Plateau angelangt, fällt einem sofort der Kontrast auf, den die grünen Wiesen zur waldlosen, rauhen Felswelt ringsum bilden. König Albert von Sachsen war der erste, der im Jahre 1879 die Tour auf die Plätzwiese zu Wagen ausführte. Seitdem ist der Weg bedeutend verbessert, durch rote Farbe und Wegweiser markiert worden; immerhin ist aber eine Fußpartie genußreicher und auf dem Rückwege sogar angenehmer als eine Wagenfahrt. Und oben auf dieser Höhe - man traut kaum seinen Augen - macht sich ein Hotel ersten Ranges breit, mit allem modernen Komfort ausgestattet; es besitzt 130 Betten, einen 200 Personen fassenden Speisesaal, Restaurant mit einer 60 m langen, halbgedeckten Terrasse, Lese- und Schreibzimmer, Salons, großes Vestibüle mit offenen, englischen Kaminen, Bäder etc. Das Plätzwiesen-Hotel, Besitzer Alois Pahler, im Herzen der Dolomiten und inmitten herrlicher saftgrüner Wiesen idyllisch gelegen, mit seiner reinen und frischen, von den aromatischen Düften der Nadelholzwälder durchwürzten Luft, ist ein von den Gästen aus Toblach, Landro, Alt- und Neuprags, Bad Welsberg, Misurina beliebter Ausflugsort.

Mit Schluderbach, Landro und Toblach besteht telephonische Verbindung und Post- und Telegraphenamt befindet sich im Hause. Die Plätzwiesen haben den Besuch hoher Gäste zu verzeichnen, so des Königs Albert von Sachsen (1879), des deutschen Kronprinzen Friedrich und Ihrer weiland k. k. Hoheit Kronprinzessin-Witwe Stephanie.

In der Nähe des Hotels steht auch eine kleine, dem heil, Antonius von Padua geweihte Kapelle romanischen Stils. Wie eine Marmorplatte mit ihrer Inschrift es kündet, wurde selbe "Erbaut und gewidmet von Franz und Anton Moser im Jahre 1885". Die Wand der Kapelle ziert noch ein St, Antoniusbild, die Spende Ihrer k. k. Hoheit Kronprinzessin-Witwe Stephanie vom Jahre 1895.

Die Plätzwiese ist Ausgangspunkt zur Besteigung des Dürrenstein (2846 m), eines großartigen Aussichtspunktes, dessen Panorama jenem von Monte Cristallo fast gleichkommt. Vom Hotel führt ein Steig meist über grünen Alpenboden auf den Gipfel, den man in zwei Stunden erreicht. Hier genießt das Auge eine Aussicht, die nach dem Urteile der Touristen zu den schönsten in den Dolomiten zählt - ein reizender Blick in einen fast ununterbrochenen Gletscherkranz. "Wir sehen die Hochalpenspitze, den Hochnarr, die Schobergruppe und den immer schönen Glockner! Dann zeigt sich die Antholzer-Fernergruppe mit dem Lengstein, dem Hoch- und Wildgall, Morgenkofel, Fensterlekofel etc., überragt von der noch mächtigeren Venedigergruppe mit Venediger Dreiherrenspitze und Rötspitze. In der Zillertalergruppe sehen wir deutlich die Löffelspitze, Schwarzenstein, die vier Hornspitzen, Weißzint und Hochfeiler. Über die Ausläufer der Pfundererberge blicken die Stubaier und weiterhin auch die Ötztaler. Vor uns in der Tiefe liegen Altprags und Welsberg; über Neuprags erhebt sich die Hochalpe, der Seekofel, links von diesem streift der Blick den Kreuzkofel und über der Kleinfannesalpe erglänzt die Adamellogruppe. Uns nahe die Hohe Geißel, dann Piz Popena, Cristallo, Antelao, die drei Zinnen, der Zwölfer, Elfer, Dreischusterspitze und Haunold. Draußen im Pustertal zeigen sich Toblach und Wahlen mit Pfannhorn, weiter hinten die Berge von Gsies, Villgratten und Defereggen." (Peter Grohmann.)


Wildbad Neuprags.

Der Nebenzweig des Pragsertales führt durch das Dorf Schmieden und an Dorf und Pfarre St. Veit (mit gotischer Kirche, erbaut 1335) vorbei zum Wildbad Neuprags (1325 m), eineinhalb Stunden von Niederdorf entfernt und mitten in herrlichen Nadelholzwäldern gelegen. Auf dem Wege dahin hat man schöne Ausblicke auf den Dürrenstein. Nach dem Dorfe Schmieden öffnet sich bald links eine wilde Dolomitenschlucht, wo phantastische Zacken und Spitzen aufstarren; es ist die zwischen Daumkofel und Herrstein herabziehende Weißlahn.

Wildbad Neuprags

Wildbad Neuprags

Das Badhotel besitzt fünfzig gut eingerichtete Zimmer (teils mit Balkon und Ofen), Bäder im Hause, gutes Hochquellen-Trinkwasser (6 - 7 ° R.), Lawn-Tennisplatz und Kegelbahn in der Nähe, während der Saison auch Post, und Telegraphenamt. Schattige, staubfreie Spaziergänge durch Wald und Wiesen machen den Aufenthalt angenehm. Für Fahrten stehen Ein- und Zweispänner zur Verfügung sowie täglich zweimalige Post, die von Niederdorf nach der Postexpedition der Eilzüge abfährt. Neben dem Hotel steht eine kleine, dem heil. Josef geweihte Kapelle.

Die Badequelle, die am Fuße des dem Hotel gegenüberliegenden Berges entspringt, führt Schwefel, Alaun, Ton, Eisen- und Kalkerde und wird bei Lähmungen, offenen Wunden, Unterleibs-, namentlich Frauenkrankheiten, insbesondere bei rheumatischen Schmerzen mit außerordentlichem Erfolge gebraucht.

An Ausflügen ist reiche Abwechslung geboten: Grünwaldtal, Nabige Loch, Seekofel, Grüne Klamm, Herrstein, Franz Josefs-Höhe, Marienlust, Schacherhof, Hochrast, zum Talblick, in die Tanne, Altprags, Plätzwiese, Dürrenstein. Für Hochtouren in die Dolomiten stehen autorisierte Führer gewärtig. Kein Gast von Neuprags wird es unterlassen, dem herrlichen Wildsee einen Besuch abzustatten.

Von Bad Neuprags zieht die Straße durch Waldesschatten mäßig bergan noch dreiviertel Stunden weiter. Auf diesem Gange fesselt der Anblick des Herrnstein (2550 m (Stein des Herrn, Christus)) und der zwölf Apostel sonderbar geformte, durch tiefe Schluchten von einander getrennte Dolomithörner - des Kleinen Roßkofels und Seekofels (2810 m). Und nun im Talhintergrunde ergötzen das Auge die smaragdgrünen Fluten des Pragser Wildsees (1479 m). Im Norden umgeben von herrlichen, ebenen, nirgends sumpfigen Lärchen- und Fichtenwäldern, aus denen die grünen Matten der Hochalpe emporsteigen, vervollständigen im Süden die aus dem See fast senkrecht aufsteigenden Wände des Seekofels, Roßkofels, der zwölf Apostel und des Herrnstein das großartige Bild. "Übt diese malerisch einsame Landschaft, von Sonnenglanz umflossen, schon einen bestechlichen Zauber auf das Gemüt, so ist das noch mehr der Fall, wenn sich die mächtigen Berge, die Tannen, Fichten und bemoosten Felsblöcke, vom Mondesglanz überflutet, im Gewässer spiegeln; man wähnt sich in die Ferne, an das einsame Gestade eines norwegischen Fjords versetzt," sagt treffend der "Prospekt". Das einzige Geräusch in dieser stillen Einsamkeit bildet ein Bach, der rauschend in den See fällt und denselben als Innerpragserbach, eine Zeitlang unterirdisch fortfließend, verläßt. Hermann v. Gilm griff hier einst in die Leier; er besingt (in "Der alte Schütz am Pragsersee") See und Umgebung:

"Durch Felsenstücke, reich behängt mit dem Damaste
Des Efeus, führt der Weg; von einem Birkenaste
Zum andern hüpft und stiegt die gelbe Zeistgbrut.
Hoch steht der Himmelbrand im Bux der Heidelbeere,
Indes am Rand des Wegs mit eingelegtem Speere
Die Distel ihren Nachtdienst tut.

Dicht steht nun Baum an Baum, die Rabenkarawane
Ruht aus auf eines Ast's weit blickender Altane,
Dazwischen liegt der See so feierabendstill,
Ein Stück vom Himmel, das zur süßen Ruhe ladet,
Ein keusches Frauenaug', das in der Träne badet
Und sich nicht sehen lassen will".

An den Ufern dieses Sees schuf der weitschauende Geschäftsblick einer "Frau Emma" ein Fremdenheim, einen Höhenkurort ersten Ranges, das Hotel "Wildsee Prags" (1496 m), erbaut 1898 vom Architekten Otto Schmid, dem Erbauer des Sulden- und des Trafoi-Hotels. Mit dem 1903 aufgeführten Zubau enthält das Hotel 105 Zimmer mit Salons, elektrische Beleuchtung, große Gesellschaftsräume, Billard, Dunkelkammer für Photographie-Amateure, zwei große Speisesäle, deren einer mit den Bildern der Burgen und Schlösser Pustertals im Sezessionsstil geschmückt ist; auch ist es mit den neuesten sanitären Einrichtungen sowie vorzüglichem Quellwasser versehen. Während der Saison befindet sich Post- und Telegraphenamt im Hause und verkehren täglich dreimalige Postfahrten von Niederdorf zum "Wildsee-Hotel" (8 Uhr früh, 1 1/2 Uhr nachmittags, 7 3/4 Uhr abends). Das Hotel ist von der Eisenbahnstation Niederdorf zu Wagen in 1 1/2 Stunden erreichbar.

Der See bietet Anglern die beste Gelegenheit zum Forellenfang; auch für Kahnfahrten, Schwimmen, Baden und Lawn-Tennis ist gesorgt. Jagdliebhaber finden Gelegenheit zur Reh- und Gemsenjagd, Um den See und in die unmittelbar an das Hotel angrenzenden Wälder führen schattige Spaziergänge, gute Saumwege nach Olang, Plätzwiese, St. Vigil in Enneberg, Cortina; markierte Fußwege auf die Franz Josefs-Höhe, Hochalpe, Seekofel.

Für eine Fußtour nach Cortina empfiehlt sich der Weg über das Nabige Loch auf den Fosseser-Riedl (5 1/2 St.) und von da durch das Boitetal nach Peutelstein und Ampezzo (4 St.). Nach St. Vigil in Enneberg kann man den Übergang über das Ofenjoch und durch das Rauhtal (10 St.) oder über Grimmwaldtal und das Kreuzjoch (7 St.) wählen. Die Besteigung des Seekofels läßt sich unschwer ohne Führer ausführen, da ein guter, markierter Weg dahin leitet. Und Tausende schon trug dieser Felsblock auf seinem Rücken. Der 19. August 1902 aber steht schwarz angeschrieben in der Touristik; an demselben Tage forderten die Pragser Dolomiten, und zwar war es gerade der Seekofel, ihr erstes Opfer; P. Edmund Buchetmann, Kapuziner der bayerischen Ordensprovinz, stürzte beim Abstiege vom Seekofel etwa gegen vier Uhr nachmittags, wo Nebel eingefallen war, ab, und wurde erst am nächsten Tage tot und verstümmelt aufgefunden. Als die Leiche geborgen war und in einem Kahn über den See fuhr, sah dieser die erste Totenfahrt. Da sich vom "Wildsee-Hotel" aus viele leichte sowie die schwierigsten Touren in die Dolomiten ausführen lassen, wozu auch erprobte Führer zur Verfügung stehen, ist selbes ein vorzügliches Standquartier für Hochtouristen, eignet sich wegen seiner windgeschützten Lage mitten in einem reizenden Naturpark aber auch als wahre Sommerfrische zu längerem Aufenthalt für Familien.

Quelle: Franz Sießl, Die Bäder bei Niederdorf im Pustertal. In: Österreichische Alpenpost, Illustrierte Halbmonats-Zeitschrift aus den Ostalpen, 6, 1904, Nr. 18, S. 404 - 409.

Ergänzungen sind gerne willkommen!