Das Badewesen Tirols
Die Einrichtung des "Bauernbadeln" war, sie schon gesagt, eine primitive. Im "Badhäusl", zumeist ein Holzbau, standen in der "Badstuben" einige Wannen aus Holz in 2 bis 2 Reihen, die eine für die Männer, durch "Firhäng" oder hölzerne Zwischenwände getrennt, aber auch ohne diese Vorrichtungen. Zu den Wannen gehörten "Flethen" (Bretter), "Schaffeln", "Brenten" (Bottiche) und "Zuber", ferner Decken und "Leilachen" (Leintuch, Bettuch). Im Wohnhause waren die "Behausungen" gemeinsam oder für je eine Person bestimmt und versehen mit dem allernotwendigsten Mobilar: "Bethstatt", "Kästl", "Fußpank", und "Strohsack". "Badreiber" und "Badreiberinnen" sorgten für die Badenden oft in recht energischer Weise. Nicht immer stand in der Nähe des "Badls" ein Gasthaus. Fehlte ein solches, dann mußten die Badgäste in einer gemeinsamen Küche, in der ein mächtiger Herd stand und verschiedene zum Kochen unentbehrliche Geräte zur Verfügung lagen, sich selbst die Mahlzeiten zubereiten. Jene, die das nicht wollten, verköstigte der "Wirt", d. i. gewöhnlich der Besitzer des Badeortes selbst, in sehr ländlicher Weise.
Was das Leben und Treiben in den "Badln" anbelangt, so scheint dasselbe sehr gemütlich und fröhlich verlaufen zu sein. Baden - das Trinken der Mineralwässer war weniger üblich, stand jedenfalls hinter dem Baden zurück -, Pokulieren, Kegelspiel, "Watschelen" (Ein italienisches Kugelspiel, boccia genannt.), (auch "Tatzwerfwerfen" genannt) und andere einfache Spiele und Vergnügungen, gemeinsame Ausflüge, wohl aber meist nur auf kurze Entfernungen, um "schmeckende Burschen" von Alpenblumen zu pflücken (Noë 1. c.) und Spaziergänge vertrieben die Zeit. Der verderbliche Einfluß, den die Bäder in den übrigen Ländern seinerzeit ausübten, scheint in Tirol keine oder nur einen geringen Nachhall gefunden zu haben, trotzdem auch hier Männer und Weiber nicht gar so selten in einer Badestube vereinigt waren. Eine Hauptbeschäftigung bildete das Stillen des Hungers mit Knödeln, "Greaschtels", "Inngemachten", mit "Brateln" (Kalbsbraten) und andern Speisen. Regelmäßige Mahlzeiten wurden nur von wenigen eingehalten, dafür aber von der Mehrzahl der Gäste zahlreiche "Marenden" (Merenda, lat. und ital. Vesperbrod.) ("Marennen") - man unterscheidet "Vormarenden" (Gabelfrühstück, Halbmittag) und "Nachmarenden" (Jause ?) dann kleine und große Marenden - eingeschoben, auf den Ausflügen sogar die verlorenen Kräfte durch warme kalte Speisen ersetzt. Humorvoll nennt Noë - dem ich zumeist in der Schilderung des Lebens der Bauern im Bade folge - diese Ausflüge "Knödelpartien".
In allen Tiroler Badeorten werden seit jeher Fest- und Fasttage von allen Personen sehr strenge eingehalten. In den bekannteren und besseren pflegte stets - auch heute kommt es noch vor - ein geistlicher Herr, zumeist ein Ordensgeistlicher, Franziskaner oder Kapuziner, anwesend zu sein, um als Gast des Wirtes den Vorsitz zu führen und dafür in der zumeist in der unmittelbaren Nähe des Bades erbauten Kapelle täglich Messe zu lesen. Nach 2 bis 3 Wochen lösten sich die armen Patres ab. Trotz der Anwesenheit eines Geistlichen legten sich die Bauern keinerlei Zwang in ihren weltlichen Fröhlichkeiten auf.
Die Bauern pflegten nicht so selten, um ihre Wirkung zu erhöhen, die Wasserbäder stundenlang zu benützen und während des Badens zu trinken; der Wein wurde in Krügen auf über die Wanne gelegten Brettchen gestellt. Es war also genau so, wie bei den Reichen und Vornehmen in den Wildbädern, auch in unseren Badeln die Losung:
"Aussig Wasser, inne Wein,
Laßt uns alle fröhlich sein."
Andererseits betete man zuweilen im Wasser gemeinschaftlich oder plauderte - wie in einer Gaststube - möglichst lärmend.
Quelle: aus: Dr. Josef Nevinny, Das Badewesen Tirols und die Heilquellen
dieses Landes insbesondere des Brennerbades, Innsbruck 1905, S. 29 - 33