Fasching

8. Der Fasching ist die Zeit der Lust und Heiterkeit. Unter den Gebräuchen mag zunächst der Umstand erwähnt werden, dass in manchen Dörfern die lustige Jugend auch allerlei theatralische Reimspiele ("comedie") aufführt. Es sei gestattet, hier nur kurz den Inhalt eines solchen mitzutheilen, wie es vor kurzem in einem Dorfe des Nonsberges gespielt wurde.

Auf der Bühne eines Dorfstadels erscheinen ein König und eine Königin, denen ein ungerathener Sohn viel Verdruss macht. Endlich entzweit sich der Junge ganz mit seinem Vater und geht in die Welt. Er kommt lange nicht zurück; da geht ihn seine Mutter suchen, findet ihn in einer Stadt und führt ihn nach Hause, wo eine rührende Wiederversöhnungsscene zwischen Vater und Sohn vor sich geht. Darauf erklärt der Sohn, er habe ein Mädchen gefunden, Namens Rosina, die wolle er heiraten und keine andere. "Rosina ist nicht für dich, du bist ja ein Prinz!" erwiedert der alte König. "Aber ich liebe sie, Vater!" "Warum liebst du sie, mein Sohn?" "Ich liebe sie weil sie schön ist!" "Wenn sie schön ist", meint der König, "wird sie bald ein Scheit werden." "Dann klieben wir sie und verbrennen sie", erwiedert der Sohn. "Und warum liebst du sie noch?" fragt der Alte wieder. "Ich liebe sie, weil sie gross ist." "Dann wird sie bald eine Stange werden," antwortet der König. "So brechen wir sie ab und verbrennen sie", sagt der Sohn. Aber der König fragt noch einmal: "Liebst du sie auch noch einer andern Eigenschaft wegen?" "Ich liebe sie, weil sie auch fett und dick ist." "Dann wird sie bald werden, wie ein Stock." "So spalten wir sie und verbrennen sie." Endlich gibt der König zu allgemeinem Jubel seine Einwilligung. Die Zeugen werden bestimmt, aber Don Antonio ist dazu unbrauchbar, weil er kurzsichtig ist und es wird für ihn ein anderer gerufen, der Kaplan aber muss den Bund segnen:

                                                      Ciameremo Don Antonio,
                                                      Ch' el ghe faga il testimonio,
                                                      Ma Don Antonio è corto di vista,
                                                     Ciameremo Don Gianbattista.
                                                     Ciameremo il capellano
                                                     Ch'el ghe liga a lor la mano u. s. w.

Bei der Vermählung wird der Prinz gefragt, ob er "die schwarze und träge und arme Rosina" — "Rosina negra e pegra e bisognosa" — zu seiner rechten ehelichen Gemalin nehme; natürlich bejaht er. Damit schliesst das Stück, welches in derben aber doch wolklingenden Versen abgefasst und reich ist an Anspielungen auf Personen und Vorkommnisse des ländlichen Lebens. Doch daran stösst sich Niemand und die Getroffenen lachen selbst herzlich mit. In frühern Zeiten wurden im Nonsberge besonders in der Faschingszeit auch biblische Stücke aufgeführt, wie Isacco, Oloferue e Giuditta u. a. m.

9. Sehr üblich ist das Verbrennen des Faschings. Die Knaben eines Dorfes vereinigen sich und errichten auf einein Platze zwei Haufen von Holz und Stroh, von denen der grössere "il carnevale",
der kleinere aber "la spia" (der Spion) heisst. Man nimmt es jedoch mit diesen Namen nicht genau, sie sind da und dort wol ganz unbekannt. Dann gehen die Knaben zum Abendessen; unterdessen wachen die Alten auf dem Platze, damit nicht Knaben von andern Dörfern kommen und die beiden Haufen, anzünden. Später kommen die Knaben wieder und stecken eine Stange mit einem Querholze, an dessen Enden Strohbüschel hangen, auf den "carnevale". Sodann wird zuerst der kleine, darauf der grosse Haufe verbrannt; in der Asche ("pepa", Schuh, genannt) kochen sie sich eine ,pinza", d. i. eine Art Kuchen.
Aber die Knaben sollen den Fasching ja nicht vor Betläuten verbrennen, sonst bekommen sie die Krätze.                                                                                                                            (Vallarsa.)

10. Man geht am lezten Faschingstage  auch  mit Stangen herum, an denen Laternen befestigt sind, um den Fasching zu suchen. Ein wälsches "Schnaderhüpflein" dazu lautet:

                                                       Evviva carneval,
                                                       Che ghe manca ancor el sal:
                                                       El carneval, che vien,
                                                       Lo salerem più ben.'"                                             (Nonsberg.)

11. Als echt nationales Faschingsspiel ist jenes der sogenannten "Ciusi gobbi"  [Einer alten Ueberlieferung zufolge soll dieses Maskenspiel den Sieg feiern, den die Trientiner einst unter dem Ostgothenkönige Theodorich über Bewohner des Gebietes von Feltre errangen, als diese beim Bau der Stadtmauern jenen ihre Vorräthe wegnehmen wollten. Hr. Tito de Bassetti hat hierüber 1858 eine kleine Abhandlung mit Abbildung veröffentlicht. Nach Prof. Dr. Bidermann erinnert die karikirte (karikierte) Tanzweise der gobbi an den Kolo-Tanz der Südslaven] bekannt (in Trient, Lavis und einigen andern Orten). Es sind Masken, welche sich in zwei Haufen theilen; die Einen, Ciusi genannt, tragen buntscheckige Harlekinsgewänder mil vielen Troddeln und Schellen, die andern werfen nur ein Hemd über und füllen sich einen Buckel auf, wesshalb sie "i gobbi" (die Buckligen) heissen. Sie treiben ihr Unwesen besonders am sogenannten fetten Donnerstage ("il giovedi grasso"), indem sie in Lavis und in andern Dörfern in die Häuser eindringen und in der Küche eine in diesen Tagen häufig gekochte Speise aus Schwarzpolenta, "smaccafame" oder "maccafame" genannt, zu stehlen suchen, um damit ihren Muthwillen zu treiben. In Trient dagegen wurden früher (der Gebrauch scheint allmälig in Vergessenheit zu gerathen) am Freitage nach dem "fetten" Donnerstage auf offenem Platze Mehlklösse, gnocchi (Nocken) genannt, gekocht, wie an diesem Tage in ganz Wälschtirol, besonders auch in Verona, geschieht wesshalb dieser Tag allgemein "il Venerdi dei gnocchi" heisst. Da schlossen die Ciusi einen Kreis um das Feuer und fassten sich dabei gegenseitig am starken Gürtel von Garn, den sie um den Leib trugen; die "gobbi" aber suchten diesen Kreis von aussen zu durchbrechen, um zu den Nocken zu gelangen. Beide Theile hatten ihren durch eine Krone von Pappe und viele Schellen kenntlichen König, welcher jedoch beiderseits ausser der Reihe blieb. Nur wenn der Kampf hitzig wurde, griffen sie im Nothfalle auch selbst ein; sonst begnügten sie sich die ihrigen durch Zurufe zu ermuthigen. Der siegende Theil trug die gnocchi im Triumphe davon.

12. Am lezten Faschingstage schlug man früher da und dort an die Bäume, indem man glaubte, das mache sie für das kommende Jahr recht fruchtbar.

13. In Val di Ledro wird am lezten Faschingstage die ,,Alte" d. i. eine grosse aus Stroh und Reisig zusammen gestoppte Figur verbrannt; man nennt es: Alte verbrennen — brusar la veccia"'
[Vgl. Gabriele Rosa, Dialetti, costumi e tradizoni delli provincie di Bergamo e di Brescia (2. Aufl. Bergamo 1858), S. 178]

Quelle: Chrsitian Schneller, Märchen und Sagen aus Wälschtirol, Innsbruck 1867, S. 232
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Helene Wallner, 2007.
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