Heiraten
43. In Vallarsa findet sich folgender Heiratsgebrauch. Das neuvermälte Paar speist im Hause der Braut; indessen bringt die Mutter des Bräutigams in dessen Hause alles in Ordnung, legt sodann einen Besen quer über die Schwelle und erwartet an der Thüre stehend den Brautzug. Sobald derselbe beim Hause angelangt ist, führt ein Bruder oder einer der nächsten Verwandten die Braut bei Seite, der Bräutigam aber nimmt die nächst stehende weibliche Person bei der Hand, führt sie der Mutter vor und fragt, ob diese seine Braut sei. Die Mutter verneint es. Hat er nun alle anwesenden weiblichen Personen der Reihe nach der Mutter vorgeführt und diese immer verneinend geantwortet, so kommt er zulezt mit seiner Braut und die Mutter beantwortet nun seine abermalige Frage bejahend. Nun muss die Braut heim Eintreten den Besen aufheben und ihn so lange in den Händen halten, bis ihn die Mutter wieder nimmt und bei Seite stellt. Sodann führt die Mutter die Neuvermälten in die Brautkammer und ertheilt ihnen den Segen.
44. Ein ähnlicher Gebrauch herrschte früher und besteht vielleicht noch jetzt in der Gegend von Pergine. Die zwei Brautführer hiessen "brumoli"; der eine trug eine lebende Henne, der andere einen Rocken mit Flachs und Spindel. Die Henne galt als das Sinnbild der Vorsicht und Fruchtbarkeit; der Rocken aber sollte die Arbeitsamkeit und Eingezogenheit der neuen Hausfrau andeuten. Auf dem Gange in die Kirche war die Braut in der Mitte zwischen zwei ledigen Jünglingen, auf dem Rückwege wurde sie von zwei verheirateten Männern begleitet. Nach der Trauung ging der Zug zum Hause des Bräutigams; sobald er dort anlangte, wurde die Hausthüre geschlossen und es begann ein Gespräch zwischen der Schwiegermutter von innen und der neuen Schwiegertochter von aussen. "Was will jenes Mädchen an der Seite meines Sohnes?" fragte die Mutter. "Ich will in das Haus eintreten", erwiederte die Braut. "Mit welchem Rechte und mit welchen Eigenschaften willst du dies?" fragte die Mutter wieder. Und nun erklärte die Braut, sie komme als Frau, ihre Tugenden seien die Treue gegen ihren Herrn, die Liebe zu dessen Aeltern und Geschwistern, Gottesfurcht, Häuslichkeit u. s. w. Dann erst ward die Thüre geöffnet und das Hochzeitmal gehalten. [Aus der Schrift: "Cenni intorno al carattere, ai costumi e alle usanze del popolo Perginese dati dal consigliere Fr. Stef. doi Bartolamei (Trient 1860) S. 18 - 19. — Derselben Schrift ist auch der oben unter 14 angeführte Reimspruch bei den Märzfeuern entnommen.]
45. Ziemlich allgemein, wie in Deutschtirol, ist der Gebrauch, dem Brautzug an einer Stelle mit einem Stricke oder Querbaume den Weg zu versperren, worauf das Brautpaar sich den Durchzug mit einer Geldspende erkauft.
46. In Fassa wird den Brautzügen eine eigene Fahne vorausgetragen. Das erste Gericht auf der Tafel muss ein Kalbskopf sein und die Braut selbst bedient die Gäste.
47. Fast allgemein sind die sogenannten "macaluzzi", d. i. Katzenmusiken (althdtsch. mahal, Verlobung, Ehevertrag?), welche Witwen und auch Witwern gebracht werden, wenn sie sich wieder verheiraten. Ein Fässchen Wein ist das beste Mittel sich von dieser oft mehrere Abend hinter einander andauernden Plackerei zu befreien.
Quelle: Chrsitian Schneller, Märchen und Sagen aus Wälschtirol, Innsbruck 1867, S. 240
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Helene Wallner, 2007.
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