Gnadenbild 'Maria im Finsteren'
Nach Landeck gelangen wir über die Brücke, welche, über den Inn gespannt, die beiden Teile des stadtähnlichen Dorfes verbindet.
Noch können wir in der Nähe der Brücke im westlichen Teile Landecks ein Bauernhaus besuchen, ein graues Gemäuer, in welchem sich die älteste Kirche dieser Ansiedelung befindet, deren Ursprung in das frühe Mittelalter hinaufreicht. Diese bildet jetzt einen seltsamen Anblick. Ihr Raum ist mit den anstoßenden Stuben, in welchen die Bauern ihre Hantierung treiben, links und rechts verwachsen, und nur ein kleines Gitter trennt sie auf einer Seite von einer Rumpelkammer, in welcher Kohlköpfe, aufgeschüttete Gerstenhaufen, Äpfel und Riemenzeug wirr durcheinanderliegen.
So ändern sich die Zeiten.
Von Landeck aus ist der erste Gang, welcher angetreten werden muß, zur Wallfahrtskirche 'Maria im Finsteren'. Nicht wegen des Andenkens der Wunder, welche das Bild verübte, führe ich den Fremdling zu ihrer Höhe, sondern wegen des Blicks nach dem Tal, der hier gar mannigfaltige Erscheinungen zusammenfaßt.
Der Name Maria im Finsteren entstand wegen des dunklen Waldes, der vor
vielen Jahrhunderten diesen Berg bedeckte. Das Wunder, welches Veranlassung
zu ihrer Erbauung gab, geschah im Jahre 1266 und ist durch mehrfache Bilder
verherrlicht. Auf einer gemalten Tafel sieht man einen Bauern und eine
Bäuerin mit ihren zwei Kindern, welche vor der Verfolgung eines Wolfes
und eines Bären hier unter einer mächtigen Fichte im Dickicht
des Waldes Schutz finden. Die Bildsäulen dieses Bauern und seines
Weibes stehen auch auf dem Hochaltar der Kirche, und draußen ragt
noch die Fichte, der einzige Baum des verschwundenen Waldes, an welcher
abermals eine Tafel die Begebenheit verkündigt. Doch wird man immer
wieder zu dem geschnitzten Schrein auf dem Altar Oswald von Schrofensteins
zurückkehren und noch lieber auf die freie Berghalde, auf welcher
eine milde Wintersonne liegt. Dort unten ist die Felsenklause, von welcher
aus der große Fluß sich gegen Osten wendet, dort vermischt
ihre Wellen die Sanna mit ihm, die aus Tälern kommt, in welchen romanisches
Volk deutsche Zunge und deutsches Wesen angenommen hat.
Quelle: Das Österreichische Seenbuch, Heinrich Noë , München 1867, S. 324 - 325.