Du -!
Jauooo!
Herscht!
Hm? - -
Wos ischt denn dös eppa a so a Sozi? Woaßt du dös?
Jauooo, dös - dös woaß i !
Alschdann? -
A Sozi dös ischt Oana, dea wo koa' Kchrischt nöt ischt!
Zwei Knaben hörte ich vor meinem Fenster dieses Gespräch führen. Damals wohnte ich in einem kaum 500 Einwohner zählenden Dorfe. Ich staunte, daß das rote Gespenst schon so weit vorgedrungen war, daß man selbst hier seinen Namen kannte! Ganz unbegreiflich war die Sache freilich nicht. Das Land besaß eben schon einige Eisenbahnen und Fabriken. Diese bedeuten stets den Anfang des Verfalles, denn der Sozialdemokrat folgt ihnen meist sehr bald auf dem Fuße. Aber in dem Dörfchen gab es weder eine Eisenbahn noch Fabriken.
Durch vorsichtiges Umfragen erfuhr ich das schwer Glaubliche: auch hier lebte einer, - ein Sozi.
Alle sprachen von ihm. Es war damals gerade die Zeit der Fronleichnamsprozessionen, die in Tarrol acht Sonntage hindurch wiederholt werden. Er, der Sozi, hatte an keiner teilgenommen. Dies erweckte in jedem Jahre neue Erbitterung.
Man erzählte mir, daß er in einer zwei Stunden entfernten Zementfabrik zur Arbeit ging, und zeigte mir auch sein Haus. Eine elende Hütte war es, die weit von den anderen Häusern unter einem finsteren, bedrohlich überhängenden Felsenriesen stand.
Ein Fußpfad führte daran vorbei. Ich bemerkte bald, daß die meisten Dorfbewohner diesen Pfad mieden. Manchmal sah ich, daß sich Weiber bekreuzigten, wenn sie an der Hütte vorbeigingen. Das geschah wohl wegen des überhängenden Felsens.
Einmal ging eine Mutter mit ihrem Kinde vor mir. Das Kind lief einem Vogel nach und kam dadurch in die Nähe des Sozi-Hauses. Mit kreischender Stimme rief die Alte sofort: Daß d' herkchemst! Durt drinnat wohnt da Tuifi!
Der "Tuifi", der bald darnach aus der Hütte trat, hatte aber wenig Teufelmäßiges. Es war eine ziemlich müde Gestalt mit langem, schon stark ergrauten Bart.
Als mich einmal ein starker Regen in der Nähe seines Hauses überraschte, beschloß ich, die Gelegenheit auszunutzen. Auf diese Weise war es mir schon öfters gelungen, in das Innere tarrolischer Bauten einzudringen. Auch mußte der "Tuifi" zu Hause sein, da Sonntag war. Bei meinem Eintritte kam mir ein Frauenzimmer mit ausdruckslosen Augen entgegen.
Grüaß Gott, sagte ich. Sie entgegnete nichts, sondern lächelte blödsinnig vor sich hin. Aus dem Hintergrunde kam ein "Guat'n Toch!"
Der Mann, der "Tuifi" selbst, trat hervor und schob das Weib hinaus, wobei dieses einige lallende Laute von sich gab.
Sodann stellte er mir wortlos einen Sessel hin. Danke! sagte ich. Sie erlauben, daß ich hier untersteh'? Bis zum Dorf sein doch noch zehn Minud'n und der Regen ischt org -
Hot nix zur Soch'. Warten S', bis 's auf hert. Eine Pause. - Ich fühlte, wie er mich von rückwärts betrachtete. Endlich begann er wieder.
Der Herr ischt wohl a Fremda, i' mein' so gonz a Fremda?
Allerdings. Sie merken 's an meiner Sprache und weil ich keinen Gamschbart trag' -
Das wär 's wenigschte. Owa daß S' zo mir einakchema san!
Sie sind wohl der Sozialist, von dem olle red'n?
Soo, sagen s' Sozi zu mir? - Er bemühte sich zu lächeln, es wurde ein unheimliches Gesicht.
Sozi? Ah sooo! Noo, wissen S', i' hob' dös ormselige Heis'1 do vo' mein Vodan 2) g'erbt, und iwa da Tir do wor ima a Kreiz, dös ho'm s' ma 'runterg'riss'n und ho'm g'sogt, dös dorf a Heid' nöt ho'm, und iwa da Tir do wor'n die Buchstabn vo' die heilichen drei Kenich 3). Wia s' mit da Zeit vergang'n san, hob i s'sölwa nochg'molen mit oana roten Farb', und do san s' kchema und ho'm ma den Tirbolkch'n frei 4) rausg'riss'n, weil a so was ebenfolls fir an Heidn nöt paßt. Na alschdann hob' i koa Kreiz mehr 'naufg'henkcht und koane Buchstabn mehr hi'g'molt - na olschdann bin i a Sozi. -
Darauf war schwer etwas zu antworten. Ich begnügte mich, den Kopf zu schütteln. Er verfolgte meine Blicke.
Sie schaug'n auf die Büacha dort hi'? Jo, das ischt auch was Heidnisches und Sozialistisches. Ich ko' auch lesen und schreiben, sicher - weil i' nämlich einmal a Volksschullehrer war - -
Wie? -
Sicher - oamol - -, er machte eine Handbewegung, als läge das hundert Jahre lang hinter ihm.
Aber wia Sie sehn, bin i eben koa sehr starkcher Mo'. Im Winter hob' i müssen imma den ganzen Kirchenplotz vom Schnee ausschauffeln, dann der lange Meßnerdienst, hernoch die gonze Kirch'n auskehren, die Altarleuchter putzen und die Meßgerät das wär' scho' noch gang'n, das ischt nöt zuviel.
Aber dann hob' ich holt auch beim Pforrer im Haus alle Arbeiten tun müssen, weil sie koan' Dienstbotn g'nommen hob'n; den Pforra sein Garten gießen und bestellen im Summa, dann die Zimmer aufreima und o'staub'n, dann die Kleider und Stiefeln von ihm und seiner Kechin olle Toch sauber reiniga das wär' scho' noch gang'n, das ischt nöt zuviel.
Aber dann hob' ich holt auch unterricht'n müssen a poar Stunden im Toch - das wär' auch noch gang'n.
Nur oans ischt mir nöt auf die Dauer 'gangen: die Pforrakechin nemli' hot gichtische Füaß' g'hobt, und sie hot si' ein'bild't, daß sie koane Schmerzen mehr fählt, wonn s' auf die Fußsohl'n kchitzelt wirt - verstehn S' - so gonz leicht kchitzelt, wie wonn Ameisen drüber laufen täten - und das, das ischt halt auch auf mi 'kommen, das Kchitzeln vo' ihre Fußsohl'n - und da hab ich einmal dem Pforra ein Wort g'sogt - es muaß sehr desch bekchtirlach g'wesen sein - sehr - sehr - aber weil ich holt immer Glickch g'habt hob' im Leben, so hab' ich dann doch eine Stell g'fund'n in der Zementfabrikch, wo ich heit no' arbeit'. - Zum Überlegen war nöt viel Zeit, der Hunger tuat urdantlach weh' - und dann, Sie hab'n s' ja g'sehn, 's ischt mei Schwester, und sie ischt schwachsinnig. Ohne mi geht 's halt im Armeleithaus z'Grund - - -
Er hielt inne. Dann murmelte er langsam: Vier Stunden Wech tägli' ischt wohl viel - aber no imma bessa - no imma bessa -. Zum Kirchengehn freili bleibt mir koa' Zeit mehr, na, na -! "Des Himmels Lohn" ischt jo sche', aber um den, den ich in da Fabrikch krieg', kennen ma uns a Brot kauf'n - - -
Daß Sie nie versucht haben, eine andere Stelle zu finden?
In Tarrol war 's nöt mögli', und zon Wondern hat 's nöt g'reicht. Wo i' hi'kchema bin, haben sie 's jo bald erfahren, daß i - i glaub' a Anarchischt bi' - und dä Tarrola san ib'roll gonz gleich. Wonn a die im Oberlond iber die im Unterlond sagn, das san koane richtinga Tarrola nöt, und dö im Unterlond meg'n die in Oberlond nöt: sie san olle gleich, sie san olle richtig - olle -! Die poor Fabrikchen, wonn ma die nöt hätten! Do ischt no' a Unterschlupf fir die Sozi und oll dos G'sindel, - die was den Himmel nöt donkchen megen fir ollas Elend oder die gor an die Allmacht von an Pforra nöt glauben wollen. So was, denkch i', ischt jo wohl a Anarchischt - - -
Er sah mich an. Irgend etwas mußte ich sagen.
"Es wird schon anders werden -"
Freilich stellte ich mir unter dem "es" eigentlich gar nichts vor.
Jo, jo, sicher, entgegnete er ruhig, fast heiter. 's wird andascht, wenn einmal der durt 'runterfallt und ei'm racht guad zuadeckcht. Dabei deutete er durch ein kleines Fenster, wo der düstere Felsen mit seinen schwarzen Fichten hereinstarrte. -
Da der Regen merklich nachließ, sagte ich ihm meinen Dank und ging.
Wenige Tage darnach erfuhr ich, daß ihn eine Lawine auf seinem Heimwege mitgenommen.
Mehrere Holzfäller hatten es gesehen.
Und alle begriffen den wunderbaren Zusammenhang der Dinge, noch bevor ihn jemand erklärte.
Nun war "es" anders geworden.
- > Nix fir unguad - Pfiad God! <-
1) Der Sozialdemokrat.
2) Vater.
3) hl. drei Könige.
4) heißt hier nahezu.