Der Füssener Totentanz
Berit Mrugalska
"Sagt Ja Sagt Nein
Getanzt Muess sein"
Inschriftkartusche ober dem Füssener Totentanz (Ostallgäu)
© Berit Mrugalska, Mai 2006
Der Füssener Totentanz war noch Ende des 19. Jahrhunderts ein kaum beachteter Totentanz, heute gilt er als der älteste erhaltene Totentanz Bayerns und gehört zu den bekannten Monumental-Totentänzen Europas.
Der Totentanz befindet sich in der St. Anna- oder Freiberger Kapelle, einem Anbau des St. Mang-Klosters, jedoch älter als dieser. Er wurde über der Durchgangstür an der Westwand angebracht, umgeben von einer reichen Stuckatur. Eine Inschriftkartusche bekrönt den Totentanz mit den Worten "Sagt Ja Sagt Nein - Getanz Muess sein". Der eigentliche Totentanz, auf Holz gemalt, ist älteren Ursprungs, die einzelnen Tafelbilder, insgesamt 20, wurden nachträglich in dieser Formation gebracht und gerahmt. Hierbei könnten Szenen in der Anordnung vertauscht worden sein, A. Dürrwaechter sieht sie als eigenes Konzept des Künstlers an: in der ersten Reihe befinden sich nur die Vertreter der höchsten Stände in Reich und Kirche, die Typen des bürgerlichen und bäuerlichen Lebens folgen in der zweiten Reihe. In der dritten Reihe finden sich jene Stände/Stufen der gesellschaftlichen Ordnung, die zwischen den Würdenträgern und Bürgern/Bauern stehen und sind als Fortsetzung der ersten Reihe zu sehen, die vierte Reihe ist demnach die Fortsetzung der zweiten Reihe.
Westwand der Annakapelle mit Totentanz von Jakob Hiebeler, Füssen (Ostallgäu)
© Berit Mrugalska, Mai 2006
Jedes Bild trägt die Verse des Todes und eine Antwort des Opfers. Dem Künstler Jakob Hiebeler waren der Groß-Basler Totentanz und der Holbeinsche Totentanz bekannt, dies konnte A. Dürrwaechter belegen.
Wie Hug Klaubers in Basel und der Berner Künstler Manuel hat sich auch Jakob Hiebeler in seinem Werk verewigt. In der letzten Szene ist der Maler zu sehen wie er vom Tod aufgefordert wird:
"Jacob Hiebeler laß daß mahlen stohn,
Wirff bensel hin du muest darvon".
Die Antwort lautet:
"Ich hab gemaltt den todtten tantz,
Mueß auch inspil, sonst werß nit gantz."
und ist damit eine eindeutige Sigantur.
Es ist davon auszugehen, dass Hiebeler sich porträthaft darstellt, "Darnach war er ein grosser, schlanker, wohlgabauter Mann mit scharzgezeichneten, hageren Gesichtszügen, langer Nase, hoher stirne und kurzgeschnittenem, in den Winkeln über der StiRn schon ziemlich gelichtetem Haupthaar." (siehe Szene 20)
Das Werk dürfte unter dem Abt Mathias Schober (1579-1604) entstanden sein, als sich das Kloster nach zerrütteten ökonomischen Jahren wieder erholte, vollendet wurde es 1602.
Wie die Totentänze von Pinzolo (Trient) wurde auch der Füssener Totentanz vom Groß-Baseler Totentanz beeinflußt, Pinzolo fand allerdings keine bis heute bekannten Nachfolgewerke, während der Füssener Totentanz Nachfolge in Breitenwang, Oberstdorf und später in Schattwald, Elmen und Elbigenalp fand.
Der Füssener Totentanz, Gesamtansicht
1. Reihe: der Papst (1), der Kayser (2), der Fürst (3), der Bischoff (4), die Fürstin (5)
2. Reihe: der Doktor (6), der Kauffmann (7), der wirdt (8), der Wucherer (9), der Baur (10)
3. Reihe: der Abbt (11), der Junkher (12), die Fraw (13), der Pfarrer (14), der Amptmann (15)
4. Reihe: die Unholdt (16), der spiler (17), die Junchfraw (18), das künd (19) , der mahler (20)
© Berit Mrugalska, Mai 2006
Die Annenkapelle, auch Freiberger Kapelle, der Füssener St. Mang Kirche
Außenansicht der Kapelle in der sich der Totentanz befindet
die Kapelle ist älter als die Klosterkirche
© Berit Mrugalska, Mai 2006
Detail (links oben) vom Füssener Totentanz
Szene 1-3 in der oberen Reihe
Szene 6-8 in der unteren Reihe
Jakob Hiebeler gibt einigen Typen porträthafte Züge
im Hintergrund of schöne Landschaften
© Berit Mrugalska, Mai 2006
Detail (links oben) vom Füssener Totentanz
Szene 11-13 in der oberen Reihe
Szene 16-18 in der unteren Reihe
Jakob Hiebeler ist kein bloßer Nachahmer, sein Tod weist sich dadruch aus,
dass die Unterarmknochen Elle und Speiche deutlich von einander getrennt dargestellt werden
Szene 16: Der Tod holt die Hexe, am Himmel dunkle Gewitterwolken
© Berit Mrugalska, Mai 2006
Detail (links oben) vom Füssener Totentanz
Szene 4-5 in der oberen Reihe
Szene 9-10 in der unteren Reihe
In der 4. Szene ist der Bischof vor einer Stadtlandschaft dargestellt, die mit ihrem
doppeltürmigen Dom und dem Turme auf Augsburg (St. Ulrich) weist
© Berit Mrugalska, Mai 2006
Detail (links oben) vom Füssener Totentanz
Szene 14-15 in der oberen Reihe
Szene 19-20 in der unteren Reihe
Szene 14: der Pfarrer ist vor dem Beinhaus dargestellt wie er gerade beim Einsegnen eines Grabes ist,
als ihn der Tod selber holt
Szene 19: der Tod holt nicht nur das Kleinkind samt der Wiege, sondern zwingt ein zweites
ihm auf seinem Steckenpferd nachzufolgen, während die Mutter händeringen zurück bleiben muß
Szene 20: der Tod holt auch den Künstler Jakob Hiebeler
© Berit Mrugalska, Mai 2006
* Zitiert nach A. Dürrwaechter, Der Totentanz und sein Fortleben, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg. Jg 25, 1898, S. 125-166.
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