Fasching.

Wenn jemand der Meinung wäre, die Bewohner der im Winter weltabgeschlossenen Alpentaler wüßten nichts von Faschingslustbarkeiten, so befände er sich sehr im Irrtume. Die Tiroler sind ein lustiges Völklein und trotz ihrer Armut stets guten Humors, der sich um diese Zeit der bevorrechteten Tollheit besonders Luft macht. Freilich hat so ein Bergdorf keinen lusterbestrahlten Salon aufzuweisen; man vergnügt sich bei Fastnachtsspielen unter Gottes freiem Winterhimmel, und die Masken tummeln sich statt auf dem Parkettboden auf Eis und Schnee. Deshalb geht es aber nicht minder kreuzfidel zu und in den aufgeführten Schwänken tritt nicht wenig Mutterwitz zutage, allerdings etwas derb, aber natürlich und dem Volkscharakter entsprechend.

Wie begreiflich, drängen sich die Belustigungen in der letzten Faschingswoche zusammen. Besonders ausersehen für derartige Spektakel sind der "unsinnige Pfinstag" (Donnerstag vor Fasten) und die zwei letzten Faschingstage, welche die bezeichnenden Namen "Freßmontag" und "Speiberchtag" führen. Schon wochenlang zuvor werden die zu veranstaltenden Maskeraden und Aufzüge im Heimgarten besprochen, Rollen ausgeteilt und Beratungen gepflogen, vorzüglich, wenn es gilt, irgend einer unbeliebten Persönlichkeit, etwa einer hochfahrenden Dirne oder bösmauligen alten Jungfer "einen rechten Tuck" anzutun.

Die Vorbereitungen machen oft ebensoviel Spaß als der beabsichtigte Schwank selbst. So ist es z. B. beim beliebten "Blockziehen" im Oberinntal. Dieses Fastnachtsspiel wird gewöhnlich nur dann aufgeführt, wenn während des Faschings niemand im Dorf geheiratet hat, doch ist es auch an manchen Orten, z. B. in Landeck, fast alle Jahre gebräuchlich. Einige Tage vor dem "unsinnigen Pfinstag" gehen die Dorfburschen in die Gemeindewaldung und suchen sich dort den größten und stärksten Fichtenstamm aus, der als "Block" oder "Bloch", wie er auch heißt, den Mittelpunkt des Spieles bilden soll, hauen ihn um und bringen ihn auf den Kirchplatz oder in die Nähe des Dorfes, wo er einstweilen liegen bleibt. Am Spieltag ziehen sie sich dann reine weiße Hemden an, kurze schwarze Lederhosen mit grünen Hosenträgern und weiße Strümpfe, doch keine Joppe. Auf den Hüten stecken Federn und künstliche "Buschen". Auch der "Block" wird mit Bändern, Kränzen und Blumen ausstaffiert. Hierauf laden ihn die Burschen auf einen Wagen oder Schlitten, spannen sich paarweise davor und ziehen das Fuhrwerk unter beständigem Jauchzen und Schreien durch das Dorf. Der älteste Junggeselle geht voraus. Auf dem Blocke läuft mit allerlei wunderlichen Grimassen ein Schalksnarr hin und her, ruft den Begegnenden Spitznamen zu und bespöttelt in Knittelversen das Tun und Treiben der Dorfbewohner, besonders der Mädchen. Um das Gespann tummeln sich andere volkstümliche Masken. Da stolziert ein Türke mit seiner Türkin im grellsten buntfarbigen Kostüm; dahinter schleppt ein Sterngucker in langem Frack ein riesiges Fernrohr. Auch "wilde Männer" sind zu sehen, ganz in behaarte Felle oder in Moos und Baumrinde gehüllt, die eine Art Bärentanz aufführen; ein Klaubauf mit rasselnden Ketten, und Hexen, die womöglich ihren ganzen Anzug verkehrt auf dem Leibe tragen. Ein Barbier läuft alten Jungfrauen nach und will ihnen mit einem hölzernen Rahmmesser den Bart abscheren. Dann kommen Dörcher und Zigeuner, steigen auf Scheunendächer, pflanzen dort "Pfötschen" (Zwergföhren) auf und treiben lärmend Krummschnabelfang, während andere ihrer Spießgesellen in die Häuser schleichen und zu stehlen versuchen. Unbedingt notwendig hiezu ist auch eine Kellnerin, welche den Zuschauern Wein und Schnaps anbietet und dafür reichliches Trinkgeld bekommt. Denn von allen umliegenden Ortschaften, oft mehrere Stunden weit entfernt, strömen die Leute herbei, die Komödie mit anzuschauen. Da und dort wird Halt gemacht, gezecht und gelärmt, wahrend, wo es recht großartig hergeht, die Blechmusik schmettert und die Böller knallen. Zum Schlusse wird der Block öffentlich versteigert und von dem Erlös ein Festmahl im Wirtshaus veranstaltet. Bei Trunk, Musik und Tanz vergnügt man sich bis spät in die Nacht hinein, wozu auch noch häufig eine kleine Rauferei die nötige Würze bietet.

Ein ähnlicher Faschingsaufzug ist das "Grätziehen" im Vinschgau. Die Burschen verkleiden sich nämlich als sogenannte "Schemen" - eine Gattung volkstümlicher Masken, die wir uns später näher besehen werden - und ziehen einen Karren (Grat, Graten) durch das Dorf. Darin sitzen einige ihrer Kameraden als "alte Mädlen" vermummt, die auf dem armseligen Fuhrwerk nach dem Sterzinger Moos geschafft werden sollen, wohin der Volkswitz die alten Jungfern nach ihrem Tode verbannt. Dem Karren folgt eine Schar Masken, welche verschiedene Stände vorstellen. Hinterher aber schleicht das tückische "Krautweibele" und taucht bald hier bald dort auf, daß die Zuschauermenge scheu auseinanderstiebt. Das "Krautweibele" ist indes kein "Weibele", sondern ein Bursch in gewöhnlicher Kleidung, nur daß sein Gesicht ein schwarzes Seidentuch verhüllt und seine Schuhe mit Lumpen umwickelt sind, damit sein Gehen nicht gehört werde. Er trägt in einem Gefäß stinkendes, faules Kraut, mit dem er als Fastnachtsscherz die Begegnenden bewirft. Ländlich, sittlich - appetitlich!

In den Dörfern der Umgegend Innsbrucks führt man denselben Schwank unter dem Namen "Sterzingermooslied" auf. Wir werden ihm im nächsten Abschnitt eine besondere Behandlung widmen. Manche Mythologen finden in den beschriebenen Fastnachtsbelustigungen Beziehungen zur alten heidnischen Götterwelt und zwar zur Göttin der Ehe und Häuslichkeit, Isa oder Frau Eisen, der man durch festliche Gebräuche gleichsam ein Sühnopfer für die Ehelosigkeit darbrachte.

Hingegen ist der weitverbreitete Brauch des Schemenschlagens die zur Faschingsbelustigung umgemodelte Form des alten Schwerttanzes. Am originellsten und ursprünglichsten kann man es noch alljährlich im Dorfe Lans auf dem Mittelgebirge bei Innsbruck aufführen sehen. Die als "Schemen" auftretenden Burschen schmücken sich dazu festtäglich. Sie tragen saubere weiße Hemden und Strümpfe und kurze schwarze Lederhosen. Statt der Joppe weiden buntfarbige seidene Tücher kreuzweise über die Achseln gelegt. Die Hüte sind mit Federbuschen und Bändern, oft sogar mit kleinen Spiegeln verziert. Die Mitte des Körpers umschließt ein Gurt, an welchem rückwärts eine ziemlich große Schelte befestigt ist, die bei den Bewegungen der Spieler anschlägt. Das Gehen besteht in einem eigentümlichen taktmäßigen Schreiten, wobei sich der Oberkörper bald auf die eine, bald auf die andere Seite wiegt, sodaß bei jedem Schritt die Schelle hinten anschlagt und ertönt oder, wie die Bauern sich ausdrücken, daß es "bei jedem Schritt einen Schnall tut". Die Schemen- oder Schellenschläger gehen in gleichmäßiger Bewegung, ohne umzusehen, ernst einher, voran der Vorläufer, der mit einem stumpfen Besen den Takt gibt. Auch die Schellenschläger, welche in der rechten Hand einen Stab oder einen Fichtenzweig tragen, sowie die Masken, die den Zug begleiten, müssen den Takt mitgeben, nur eine oder zwei derselben, welche mit großen Peitschen knallen, sind von diesem Gesetz der Gleichförmigkeit ausgenommen. In der oberinntalischen Stadt Imst treffen wir das "Schemenlaufen" (Schömeloofe) noch heute, und zwar mit der Zutat eines Maskenzuges vermengt, welcher so großartige Ausdehnung annimmt, daß man eigene "Vorstände" wählt, denen das Amt obliegt, den Zug wohl zu ordnen und von den Gaben, welche sowohl die Teilnehmer als die Zuschauer beisteuern, die Unkosten der Masken zu bestreiten. Schon am frühen Morgen des zum Schemenlaufen anberaumten Tages wimmelt die Stadt von Leuten, welche aus den umliegenden Dörfern und Tälern massenhaft herbeiströmen. Schon um 8 Uhr vormittags marschiert als Einleitung das "Vigatter" (Vergatterung) auf, eine Musikbande, die aus zwei Trompeten, zwei Hörnern, einem riesigen hölzernen Baßinstrumente, grellen Pfeifen und Trommeln besteht, durch die Gassen und läßt mit ohrenzerreißender Kunstfertigkeit ihren Weckruf ertönen. Hintendrein fährt ein Wagen oder Schlitten, in welchem altmodische, aber reich und prunkvoll gekleidete Masken sitzen. Der Kutscher trägt einen roten, mit Stahlknöpfen besetzten Rock und eine aufsehenerregende Haarfrisur. Gegen elf Uhr versammeln sich alle "Schemen" und übrigen Teilnehmer des Spieles beim Hirschenwirt, dem von Alters her bestimmten Gasthause der Oberstadt. Nachdem noch vorher die "Spielordnung" öffentlich verlesen worden, setzt sich der Zug in Bewegung. Den Anfang machen die originellen Gestalten der "Kübele Majen". Sie tragen einen Kübel mit Wasser, aus welchem sie die Zuschauer bespritzen. Kommen sie zu einem Brunnentrog, so springen sie wohl auch hinein und schlagen plätschernd um sich, daß mancher Nahestehende eine unliebsame Taufe empfängt. Als Begleitung haben die "Kübele Majen" die "Sackner" und "Spritzer", von denen die ersteren durch ballonartige mit Türkenstroh gefüllte Säcke, die letzteren durch ellenlange messingene Spritzen die sich hereindrängende Zuschauermenge in Zaum halten. Nun folgt erst die eigentliche Kerntruppe des Zuges, die "Roller" und "Scheller". Erstere tragen um die Mitte ein Pferdegeröll und auf dem Kopfe einen hohen, mit Spiegeln und Kränzen verzierten "Schein", von dem ein gesticktes weißes Gazetuch über den Rücken herabftattert. Kurze, schön ausgenähte Hosen, weiße Strümpfe und Frauenschuhe vervollständigen den seltsamen Anzug. Das Gesicht deckt eine - Frauenlarve. Die "Scheller" tragen ebenfalls Schellen um die Mitte, oft dreißig bis vierzig, und einen ähnlichen nur noch höheren Kopfputz als die "Roller", dazu eine Männerlarve. Um die Schultern schlingt sich ein rotweißes Tuch. Je ein "Scheller" geht immer mit einem "Roller". An geeigneten Plätzen wird von den "Rollern" und "Schellern" der sogenannte "Kreistanz" aufgeführt, wobei das gleichzeitige Hopsen der Paare natürlich ein gewaltiges Getöse verursacht. Ihnen folgt ein buntes Gemisch von Hexen, Mohren, Türken und Bänkelsängern, welch letztere zum Schlüsse ein von irgendwelchem Witzkopf verfaßtes "G'schpiel" vor der schaulustigen Menge aufführen. Meist ist der spöttische Inhalt desselben auf einer vorangetragenen Tafel, "Labara" genannt, auch bildlich dargestellt. Die Nebenfigur des "Rutzler", der in seinem Kaminfegeranzug zu den Fenstern einsteigt und den Mädchen das Gesicht anrußigt, glaube ich übergehen zu können. Das Imster "Schemenlaufen", obwohl es manche Züge mit andern Faschingsbelustigungen gemein hat, muß als eines der interessantesten und ältesten Volksbräuche bezeichnet werden.

Im Städtchen Hall steht eine andere Art Faschingslustbarkeit sehr in Ehren. Den Mittelpunkt bildet hier das "Fasserrötzl", ein aus Holz geschnitztes roßähnliches Ding. Ein junger Faßbindergesell seht sich als Reiter darauf und schiebt seinen etwas schwerfälligen Gaul durch die Gassen der Stadt. Ihn begleiten mit Gejohl und Geschell die Schemen oder, wie sie hier heißen, Huttler, die unter Peitschengeknall herumrennen und die Begegnenden mit kotigen Besen tüchtig abkehren. Vor den Wirtshäusern, an denen sie vorbeikommen, wird ihnen Wein und Schnaps geboten. Schließlich kehrt die wilde Fahrt in eines derselben ein und entzieht sich den Blicken der Zuschauer. In Thaur, Rum, Arzl, Amras und wie die Dörfer um Hall und Innsbruck alle heißen, wird "Huttler gelaufen". Man sieht das Spiel sehr gerne, denn man glaubt, je größer die Teilnahme an demselben sei, desto schöner gedeihe im folgenden Sommer der Flachs und der Türken. Dieser Beziehung zur kommenden schönen Jahreszeit finden wir im Faschings- oder Schemenrennen zu Prad noch anderweitig gedacht. Da erscheint nämlich inmitten der "Schemen" ein Bauer mit einem von Schimmeln gezogenen Pfluge nebst Ackergeräten und säet Sägspäne aus. Dabei kommen die gewöhnlichen Spässe aufs Tapet und schließlich wird gezecht. Zahlen muß irgend ein reicher Bauer, den die Schemen mit einer Schlinge gefangen und ins Wirtshaus geschleppt haben.

Etwas verschieden von allen diesen Spielen und Aufzügen ist das "Faschingerreiten" im Zillertale. Die berittenen Masken, zwanzig bis dreißig an der Zahl, versammeln sich an einem der letzten Faschingstage in Gagering, einem Weiler, eine Viertelstunde vor dem Dorf Fügen. Dann ziehen sie in selbes ein und verlesen dort den "Faschingsbrief", der ähnlich wie beim "Blockziehen" alle Unziemlichkeiten und Torheiten, die das Jahr über im Dorfe vorgefallen sind, dem Publikum kund und zu wissen tut. Der "Faschingsbrief" muß übrigens zuerst dem Gerichte vorgezeigt weiden.

Dem oben genannten Schemenlaufen entspricht das "Perchtenlaufen" im Pustertale. Man unterscheidet die Vermummten in schöne und "schieche" (häßliche) Perchten. Erstere sind schön gekleidet, mit Bändern, Borten und ähnlichem geschmückt; letztere ziehen sich so häßlich als möglich an und behängen sich mit Mäusen und Ratten, Ketten und Schellen. Dazu tragen alle Stöcke in der Hand, welche bei den schönen Perchten mit Bändern geziert sind, bei den häßlichen aber in einen Teufelskopf enden. Auch sieht man häufig sogenannte "wilde Männer" in ihrer Gesellschaft. Diese haben eine eigentümliche Schellenspitzhaube auf dem Kopfe, sind ringsum mit Glöckchen und Rollen behangen und halten Baumstämme in der Hand. Die Musik ist durch eine Schwögel, eine Bergzither und ein Alphorn vertreten. Die ganze Schar stürmt in wildem Lauf durch die Gassen und kehrt auch in den Häusern ein, wo dann getrunken und getanzt wird. Dabei suchen die häßlichen Perchten die Zuschauer so viel als möglich zu necken. Besonders fällt dieses Amt dem in ihrer Mitte befindlichen "Aschenschützen" zu, der den Leuten aus einer Windbüchse Asche und Ruß in das Gesicht schießt. Haben die Perchten aber einen recht "auf der Mücke", so fangen sie ihn noch obendrein ein und tauchen ihn in den Dorfbrunnen. Der Arme kann sich dann triefnaß und verlacht vom ganzen Publikum wieder nach Hause trollen. Die schönen Perchten benehmen sich manierlicher und teilen manchmal Geschenke aus. Im Städtchen Lienz kommen die Perchten aus mehreren Dörfern zusammen. Der Lärm und das Schellengeklingel lockt alles, was Beine hat, ans Fenster oder auf die Straße, wo das tolle Treiben fortdauert, bis es Ave Maria läutet. Da wird es auf einmal still und die Perchten gehen ruhig heim. Denn wehe, wenn dieser fromme Gebrauch nicht beachtet wird! Es mischt sich dann die "wilde Perchta" unter das Spiel, wie dieses schon oft geschehen sein soll. Die Perchten tobten dann wie rasend und sprangen über den Brunnenstock. Dann aber liefen sie scheu auseinander und flüchteten zu den Häusern, denn sobald sie unter der Dachrinne waren, konnte ihnen die Wilde nichts mehr anhaben. Oft aber wurde sie dennoch eines Vermummten habhaft und zerriß ihn in hundert Stücke. Man zeigt noch einige Stellen, wo einst Perchten ein also schreckliches Ende fanden. Diese "wilde Perchta" ist vielleicht nichts anderes als die jetzt zum Gespenst erniedrigte altdeutsche Göttin Perachta, deren Name im Perchtenlaufen noch fortlebt.

Alle die genannten Faschingsspiele nehmen indes von Jahr zu Jahr immer mehr ab, denn die Geistlichkeit, die ihnen von jeher nicht hold war, führte in den letzten drei Faschingstagen an den meisten Orten Tirols das "Stundgebet" ein, das eine lärmende Lustbarkeit von vornherein unmöglich macht. Wenn das Volk dennoch zähe an den freilich sehr zusammengeschrumpften Gebräuchen hält, so ist das der Furcht vor einer Mißernte zuzuschreiben, deren Grund man nach altem Glauben in den unterlassenen Fastnachtsbelustigungen. besonders dem Perchtenlaufen, sieht.

Zum Schlusse will ich noch der Faschingsgebräuche Südtirols erwähnen, welche sich von den nordtirolischen etwas unterscheiden. Das Schemenlaufen kennt man daselbst nicht, dagegen wird im Etschlale, vorzüglich in Tramin, Neumarkt und Salurn der "Egerthansel" oder "Strohmann" aufgeführt. Derselbe ist eine große Figur, aus Stroh und Lumpen verfertigt, welche von den Burschen auf einer Tragbahre durch das Dorf getragen wird. Von Zeit zu Zeit halten sie an, besonders vor solchen Häusern, welche der "Chronique skandaleuse" des Ortes ein Kapitel liefern. Einer der Burschen fragt den "Egerthansel" um Neuigkeiten, legt dann sein Ohr an den Mund der Strohpuppe, wie um die Antwort zu hören und gibt diese sodann der lauschenden Menge kund. In Salurn erscheint in Begleitung der Puppe nebst andern Masken ein Kapuziner; welcher auf jedem Platze, wo Halt gemacht wird, aus einer alten Scharteke die Namen aller Jungfrauen mit angefügten Bemerkungen herabliest, was oft zu Balgereien Anlaß gibt. Schließlich beschert man den "Egerlhansel" irgend einer unbeliebten weiblichen Person als Bräutigam, d. h. man hängt ihr denselben nachts über der Haustüre auf. Begreiflicherweise erwarten die Mädchen mit großer Angst den verhängnisvollen Tag und bitten die Burschen schon lange vorher um Schonung. Wer beschreibt aber den Schrecken desjenigen Mädchens, welches am nächsten Morgen den Strohmann, der in der einen Hand ein Wachskerzchen, in der andern einen Pfennig trägt, an ihr Haus genagelt findet! Gewöhnlich trifft dieses Strafgericht eine heiratstolle oder klatschsüchtige alte Jungfer, die sich in der Folge das Ehrabschneiden fernerhin wohl vergehen läßt.

Quelle: Ludwig von Hörmann, Tiroler Volksleben, Stuttgart 1909. S. 9 - 17.