Bäuerliche Kampfspiele.
Ringspiele und ernstfriedliche Wettkämpfe, in denen sich zwei Gegner in ehrlichem Kampfe messen, kamen fast bei allen Völkern indogermanischer Zunge vor, Erhalten haben sie sich nach ihrer edleren und roheren Seite nur mehr in den Alpengegenden, wenn man nicht die Boxereien der Engländer noch dahin nehmen will. Muß man nun einerseits den Entstehungsgrund hierfür in der strotzenden Gesundheit erblicken, die den Älpler antreibt, seine Starke auch außer der Arbeit auf diese mehr ritterliche Weise zu betätigen, so weisen doch andererseits überlieferte Zeugnisse genug darauf hin, daß ursprünglich auch ein tieferer Zweck damit verbunden war, daß nämlich diese Ring- und Kampfspiele in früherer Zeit sicher auch die Stelle der alten Ordalien vertraten und in Tirol wenigstens noch vertreten.
Der Charakter eines durch Gesetze geregelten Ringspieles tritt uns gegenwärtig noch am ursprünglichsten in dem sogenannten Schwingen oder Hoselupfen entgegen, wie es in der Schweiz, besonders im Berner Oberlande, üblich ist. Dieses Volksfest ist stets an bestimmte Jahrestage geknüpft und geht gewöhnlich auf einer Grenzalpe vor sich, wo sich die Burschen der beiderseitigen Täler oder Orte begegnen. So kämpfen z. B. die Unterwaldner und Haslitaler auf der Alpe Breitenfeld ob Meyringen oder die Entlibucher und Emmentaler auf dem Schüpferberg oder auf Ennetegg. Preis ist die Ehre des Stärkeren und in dessen Person die der Heimat; manchmal wird aber auch zur Erhöhung der Festlichkeit für den Sieger eine Belohnung ausgesetzt. Auf ein solches "Schwinget" bereiten sich die Burschen schon einige Zeit früher vor, indem sie sich der strengsten Arbeit enthalten und ihren Körper durch gutes Essen und Trinken kräftigen. Auch das Fest selbst eröffnet ein Trunk im Wirtshause. Jeder Kämpfer wählt sich seinen Mann aus der Gegenpartei, zecht mit ihm in aller Gemütlichkeit und wandert dann unter den Klängen der Musik Arm in Arm mit ihm zum Kampfplatze. Dort wartet schon eine Menge Volkes auf den Zug, darunter die ehrwürdigen Männer des Kampfgerichtes, welche über den Vorgang zu wachen und zu entscheiden haben.
Alle unerlaubten Mittel, z. B, das Einreiben des Leibgurtes mit Talg, welches ein festes Anfassen verhindert, sind strengstens verboten. Während nun die Zuschauer mit gespannter Aufmerksamkeit im Kreise stehen, beginnt das Ringen. Die beiden Kämpfer haben sich bereits bequem gemacht; sie tragen nichts mehr auf dem Leibe als das vorne geöffnete Hemd, dessen Ärmel bis über die Ellbogen aufgestülpt sind, und eine sogenannte Schwinghose aus festem Drill, bis auf den halben Schenkel heraufgerollt und am Taillengurt mit einem Wulst zum Anfassen versehen. Die Gegner geben sich erst treuherzig die Hand, zum Zeichen, daß keiner weder Haß noch Groll gegen den andern im Herzen trage, sondern daß das Schwingen ein freies, freundliches sein solle. Dann schicken sie sich an zum "Zusammengreifen". Dieses geschieht stehend oder auch kniend, wenn es den Kämpfern so besser taugt. Den Kopf auf die rechte Schulter des Gegners legend, schlägt jeder die rechte Hand wie eine Löwenpranke in dessen Leibgurt und die Linke in den aufgerollten Hosenwulst. Jeder hält sich auf dem Standpunkte der Verteidigung und lauert auf eine Schwäche des Gegners, um sie zu benützen; daher kommt es, daß sie oft einige Minuten hin- und herwogen, "dusen", wie es genannt wird, bis endlich einer den andern mit kräftigem Schwunge faßt und nach verzweifeltem Kampfe auf den Boden wirft. Es kommt aber auch vor, daß beide gleich stark und gewandt sind und nach langem, erfolglosem "Dusen" ermattet auf den Rasen sinken. Haben sie aber verschnauft, und ein Glas feurigen Weines getrunken, so reiben sie sich die Hände, um sie rauher zu machen, mit Erde ein und versuchen ihr Glück auf's neue.
Unter den Zuschauern herrscht während des Anfassens lautlose Stille, ist aber einmal der erste Schwung erfolgt, so begleitet die Menge die Anstrengungen der Kämpfer mit Ausrufen der Verwunderung und Ermutigung, bis endlich einerseits Jubel den Sieger, andererseits Gelächter den Bewältigten begrüßt. Doch einmaliger Fall verbannt nach altem Grundsatz den Überwundenen noch nicht vom Kampfplatze; noch ein zweites Mal darf er vortreten, um die Scharte auszuwetzen. Nur derjenige, der seinen Gegner zweimal auf den Rücken wirft, wird wirklich als Sieger anerkannt. Bei einem "Schwinget", wo die Vertreter zweier Talschaften für die Ehre ihrer Partei kämpfen, wird eine strenge Reihenfolge eingehalten, indem aus der Partei des zuletzt Gefallenen der Ersatzmann heraustritt und mit seinen frischen Kräften dem vom vorigen Gange schon etwas ermüdeten Sieger an den Leib rückt.
Am seltsamsten und spannendsten gestaltet sich der Kampf, wenn bei einem feierlichen "Schwinget" die besten Streiter beider Parteien die letzten auf dem Kampfplätze sind, jeder die ganze Hoffnung seiner Partei, welche erwartungsvoll jede Bewegung beobachtet. Keiner denkt ans Siegen, sondern sucht nur seinen Fall zu verhüten durch alle möglichen Vorsichtsmaßregeln, weshalb sie auch von der gewöhnlichen Schwingart ganz abweichen. Sie lassen sich nämlich, nachdem sie sich regelrecht gefaßt haben, genau die Stellung des andern abmessend, auf's rechte Knie nieder und entfernen sich mit dem ganzen Unterkörper so weit voneinander, als es Griff und Muskelspannung nur immer erlauben, oder sie legen sich gar platt auf den Bauch nieder. Da winden sie sich nun herum wie Schlangen, oft eine halbe Stunde lang, und spannen alle Muskeln und Sehnen in dieser martervollen Lage so übermäßig an, daß sich das Gesicht vor Anstrengung ganz braunrot färbt. Gelingt es nun keinem durch Ausdauer, Kraftübermaß oder List den Gegner zu überwinden, so erheben sich die Kämpfer endlich halbtot und bekennen sich mit einem Handschlag als gleich gut und den Streit als beigelegt. Friedlich verbringt man den Rest des Tages; besonders geht es dort hoch her, wo das "Schwinget" noch mit einer sogenannten "Alpstubete", d. i. einer Zusammenkunft zu Tanz und Spiel auf einer Bergwiese verbunden ist.
Diese Art des Ringkampfes scheint ehemals sehr verbreitet gewesen zu sein. Man trifft dieselbe auch im salzburgischen Pinzgau an. Im Saalfelder Gerichte war ein eigener Platz für diese Turniere bestimmt. Wollten zwei eine Streitigkeit, eine Beleidigung etc. auf diese handgreifliche Weise ausmachen, so hieß es: "Auf dem Hundsstein sehen wir uns wieder!" Dieser Hundsstein ist ein gegen zwei Stunden von Saalfelden südöstlich gelegener, hoher Berg, welcher nach allen Seiten die schönste Aussicht bietet. Bis zum Kampfplatz hat man vier Stunden zu gehen. Hier versammelte sich unfern eines kleinen Bergsees, oder richtiger Wasserlache, alljährlich am Jakobitage (25. Juli) eine Menge Volk aus den umliegenden Ortschaften und Tälern; ja selbst aus dem benachbarten Tirol kamen mit Hellem Jauchzen ganze Rotten fröhlicher Festteilnehmer gezogen. Einer aus dem Volke trat nun auf, beschrieb mit einer Peitsche einen weiten Kreis, um die Grenzlinien des freien Spielplatzes zu bezeichnen, um welchen sich nun die Zuschauermenge dichtgedrängt scharte. Hierauf begann das Fest,
Erst kamen verschiedene Belustigungen an die Reihe, z. B. Holztriften, Pürosselspringen, wobei ein Bursche dem anderen über den Kopf sprang, Bänderspringen, Sack- und Hosenlaufen, ein Wettrennen, bei dem die Füße in einen Sack gebunden wurden oder zwei Burschen in einem Paar Hosen staken. Den Schluß- und Glanzpunkt bildete das "Hosenrecken". Es entspricht so ziemlich dem Schwingen im Berner Oberlande. Die Kämpfer, kräftige Gestalten und zur Hälfte entblößt, traten vor und reichten sich erst freundschaftlich die Hand. Wohl mochte bei Manchem Neid und Eifersucht oder sonst feindselige Gesinnung der Antrieb sein, der ihn zum Kampfe mit dem insgeheim verhaßten Gegner trieb, aber das Volk wachte streng über die rechtmäßige Handhabung des Streites und duldete keine Hinterlist. Oft machten die erschöpften Ringer mitten im unentschiedenen Kampfe eine Pause, um sich zu erholen und fielen dann auf's neue übereinander her, bis endlich einer sich mit den Worten: "Ich hab' genug" als überwunden bekannte. Daraus dürfte jedoch keine Feindschaft zwischen beiden entstehen, sondern sie mußten, der Sitte gemäß, sich wieder die Hände reichen und den Siegerstolz einerseits und die Schande andererseits bei einem Glase Wein ausgleichen.
Nicht immer vermochte indes das strenge Gesetz die Leidenschaft im Zaume zu halten und es gab nur zu oft blutige Köpfe und Beinbrüche, ja sogar Totschläge, weswegen von der Landesregierung vielfach, obwohl nur mit teilweisem Erfolg, gegen diese Sitte eingeschritten ward. Übrigens gab es außer dem Hundsstein auch noch andere beliebte Orte, wo solche Ringkämpfe abgehalten wurden, so z. B. am Pfingstmontage auf der Tachsau, einer etwa eine halbe Stunde von Saalfelden entfernten Heide, dann zu St. Johann im Pongau auf dem Sonntagskogel und auf der Schinderau, wo der Johannistag (24. Juni) für ein derartiges Volksfest anberaumt war.
Das berühmteste von allen aber war der Wettstreit auf den Flatnitzer Alpen. Dort wurde am Oswalditag ein großer Viehmarkt abgehalten, zu welchem die Bewohner der drei zusammenstoßenden Länder Salzburg, Steiermark und Kärnten als Käufer und Verkäufer mit ihrer wohlgepflegten Ware erschienen. Schon das war eine Art Wettstreit um die Ehre des schönsten Stückes, wobei indes meistens die Kärntner mit ihren herrlichen fetten Weide-Ochsen aus dem Gurk- und Metniztale den Sieg davontrugen. War das Handeln und Feilschen vorüber, dann maßen sich die Gebirgsbewohner in ihren körperlichen Kräften, alle Stärke, Gewandtheit und Ausdauer aufbietend, denn es galt die Nationalehre.
Der Kampf ging folgendermaßen vor sich. Am 24. Juni, dem Gedenktage des heiligen Johannes des Täufers, sowie am zweiten Sonntage darauf versammelten sich die stärksten und im Ringen gewandtesten Burschen aus den drei Alpenländern nach beendigtem Gottesdienst auf einem freien grünen Platz in einiger Entfernung von der Kirche, den Hütten und dem Viehmarkte. Alle Anwesenden waren nach ihren Heimatländern in Haufen geteilt. Aus einem derselben trat nun ein Anführer vor, einen kräftigen Burschen am Rocke führend, und fragte die aufhorchende Menge: "Wer getraut sich mit diesem zu ringen?" Die Frage blieb nicht lange unbeantwortet. Nach kurzem Gemurmel in den beiden übrigen Scharen trat aus einer derselben, ebenfalls von einem Anführer geleitet, ein zweiter kampflustiger Jüngling und stellte sich dem ersteren als Gegner vor. Kämpfer und Anführer reichten sich hierauf die Rechte zum Handschlag. Die Führer traten sofort zurück und überließen den beiden Ringern den Platz allein, um den sich nun das Publikum in weitem Rund aufstellte. Die Kämpfer waren hier vollständig bekleidet, daher fiel auch die eigentümliche Art des "Schwingens" oder "Lupfens" weg und machte einem gewöhnlichen Ringen Platz. Erst faßten sie sich an den Röcken, dann drehten sie sich im Kreise. Besonders kam es auf die Schnelligkeit und Gewandtheit der Füße an und nicht selten sah man den Stärkeren durch eine schlaue flinke Wendung seines geschmeidigeren Gegners zu Boden fallen. Tief errötend und einen halblauten Fluch auf den Lippen erhob sich der Überwundene wieder, um nach kurzer Rast mit dem Aufwand all seiner Kraft und List die Schmach zu rächen. Erst wenn er dreimal besiegt wurde, trollte er sich gesenkten Blickes von dannen und verlor sich in der Mitte seiner beschämten Landsleute. Der Sieger aber erwartete, glühend vor Anstrengung und Stolz einen neuen Mitkämpfer, bis vielleicht auch er erschöpft unterlag. Immer neue Ringer traten auf, bis endlich einer alle besiegte und keiner den Kampf zu erneuern sich anmaßte. Dieser empfing nun als Siegeszeichen von seinen Landsleuten die Schildhahnfedern, welche er selbstbewußt lächelnd auf den grünen Hut steckte, während die Überwundenen ihre Federn herabnehmen mußten. Selbstverständlich war der Sieger nun der Gefeierte des Tages. Man trank ihm zu, pries seine Geschicklichkeit und Stärke und führte ihn im Triumphe auf den Markt zurück. Ein Tanz beschloß das fröhliche Fest. Der Ruf des Siegers verbreitete sich mit Schnelligkeit weitum in den Gauen; noch Jahrzehnte darauf sprach man von dessen Ruhme. Eine derartige Berühmtheit genoß z. B. der im Jahre 1812 verstorbene Johann Strans von Althofen, insgemein Magdalener Hanfel genannt, der unbesiegt von dem Kampfplatze dreier Länder abtrat.
Die Älpler beschränken ihre Lust am Ringen jedoch nicht bloß auf solche allgemeine Wettkämpfe und Feste. Die Burschen in Kärnten und Steiermark, sowie auch die Krämer und Winden übten sich fast jeden Sonn- und Feiertag in dieser Kunst und brachten es so zu großer gymnastischer Geschicklichkeit. Bekannte Kampfplätze waren außer der oben angefühlten Flatnitz Jungbrunn an der oberösterreichischen Grenze, wo am Pfingstsonntage die Steirer und Kärntner, und das Seetal, wo dieselben am Jakobitage zu gegenseitiger Krafterprobung zusammenkamen. Sämtliche Ringer trugen dabei einige keck auf den Hut aufgesteckte Federn, derjenige aber, der sich schon einige Jahre hindurch als Sieger bewährt hatte, trug einen auffallenden Federbusch. Die windischen und krainerischen Burschen gaben sich jenseits des Loibels beim Wallfahrtsort Gedoze unweit Krainburg ein Stelldichein.
Daß das kräftige kernige Volk der Tiroler diese Ring- und Kampfspiele eifrig pflegte, darf wohl kaum noch bestätigt werden. Das Ringen oder Robeln, wie es dort heißt, gewann hier eine Ausdehnung und Ausbildung, wie kaum in einem andern Alpenlande. Keine Wallfahrt oder Kirchzeit und kein Markttag verging, ohne daß vor dem aus nah und fern zusammengeströmten Volke ein Kampfspiel stattfand. Oft kamen die Hauptrobler oder "Hagmair", wie man sie nennt, vom ganzen Lande auf dem Festplatze zusammen, um ihre Kraft miteinander zu messen. Durch derartige Feste berühmt waren besonders der Hainzenberg im Zillertale, die Zetten in Dux, die hohe Salve im Brixental, das weitbekannte Notburgakirchlein in Eben, die Jochberger Waldkapelle, der Angererberg und andere. Der Morgen eines solchen Versammlungstages gehörte der Andacht, der man durch das Anhören von Predigt und Amt vor dem Gnadenbilde Genüge tat, oder den Geschäften, wenn es sich um einen Markt handelte; den Nachmittag widmete man dem Vergnügen und der Schaulust, die in vollem Maße befriedigt wurde.
Die Ringspiele fingen meistens mit der leichtesten Art des Kampfes an, nämlich mit dem sogenannten Hanggeln. Es besteht darin, daß zwei gegenüberstehende Burschen sich mittels der gekrümmten Mittelfinger (Hanggel) aus der gefaßten Stellung zu ziehen suchen. Übrigens ist auch diese Kraftübung keine Kinderei, wie es vielleicht scheinen möchte, sondern erfordert die eisernen Glieder eines Älplers und muß von Kindheit an geübt werden. Das Hanggeln ist auch jetzt noch sehr gebräuchlich, besonders liebt es der Tiroler, auf diese Weise eine Flasche Wein auszuspielen. Vom Hanggeln ging man dann zum eigentlichen Robeln oder Ranggeln über. Dieses ist ein förmliches Ringen, wobei ein Gegner den andern zu Boden zu werfen und unter sich zu erhalten sucht. Und zwar muß dies dem Betreffenden in dreimaligem Gange wenigstens zweimal gelingen, ehe er als Sieger anerkannt wird. Liegt einer, von den nervigen Armen seines Mitkämpfers gehalten, auf dem Boden, so fragt letzterer: "Gibst di?" Hat der Überwundene bereits Kraft und Mut verloren, so bekennt er kleinlaut: "I gib' mi"; im entgegengefetzten Falle verneint er trotzig: "I gib' mi nit." "Nu! dann wehrst di'," ist die Antwort, und die Balgerei geht von neuem los. Sagt aber der Untenliegende: "La' mi gehn," so erklärt er sich damit für besiegt und der andere muß ihn aufstehen lassen.
In diese gewöhnliche Art des Ringens haben Zeit und Übung manche Abänderungen gebracht. Die ebenso kecken als schlauen Burschen erfanden alle möglichen kühnen Bewegungen und Vorteile, um ihren Gegner unterzukriegen. Schon vor dem eigentlichen "Zusammenschießen" werden alle möglichen "Finten" und "Faxen" gemacht. Erst stehen sie beide da, die Augen stier aufeinander gerichtet, alle Nerven und Muskeln gespannt, jeden Augenblick erwartend, vom anderen gepackt zu werden. Einen solchen Moment hat Meister Defregger in seinem berühmten Genrebilde "Die Robler" aufgefaßt.
"Ringkampf", "Die Robler",
Franz von Defregger (30. April 1835 - 2.Jänner 1921)
Öl auf Leinwand, 113 x 161 cm, 1870
Mancher schleicht wie eine Katze um den beobachtenden Gegner, neckt ihn und ermattet ihn durch Scheinangriffe, bis er endlich mit einem blitzschnellen Sprung ihn faßt, dreht oder hebt und "schmeißt". Oder er täuscht ein Stolpern vor, um den Gegner aus seiner zuwartenden Stellung zu locken. Ein mehr kleiner und geschmeidiger Bursche muß sich immer eher auf List und Gewandtheit verlassen und trägt auch in den meisten Fällen den Sieg über die kräftige, aber plumpe Herkulesgestalt seines Mitkämpfers davon. Nicht selten stellt sich einer überwunden, entschlüpft aber im Fallen den Armen des Gegners und kommt schließlich obenauf.
Eine gefährliche Kampfweise ist das sogenannte Stieren - wie schon der Name sagt, dem Angriff des Stieres abgeschaut. Mit gesenkter Stirn gehen die beiden aufeinander los; jeder sucht den Gegner an den Armen zu fassen und mit einem gewaltigen Schwung über den Kopf zu schleudern, wobei der Angreifer meist selbst fällt, sich aber schnell wieder erhebt. Eine kleine gedrungene Gestalt bringt bei dieser Art des Robelns großen Vorteil, da der Betreffende leicht mit dem Kopfe zwischen die Beiner des Gegners gerät, um ihn mit seiner eisernen Hirnschale rücklings über sich zu werfen. Der Besiegte brach manchmal bei diesem Vorgange das Genick. Ebenso halsbrecherisch ist das sogenannte Hufen oder Hüfen, so genannt von der Hüfte, weil man hiebei den Gegner über die rechte oder linke Hüfte hinauswirft und zwar mit einer Hand. Man sucht demselben nämlich mittelst des beliebten "Kreuzsprunges" mit der einen Hand über's Kreuz unter die Achsel zu kommen, daher muß der Angegriffene die Arme fest schließen und an die Brust drücken, was wohl etwas bedeuten will, denn der Angreifer faßt oft den Arm des anderen und preßt ihn so mit der Hand, daß er den "Kram" (Krampf) kriegt. Freilich muß er bei diesem Bestreben, dem Gegner die Arme vom Leibe zu bringen und ihm unter die Achsel zu kommen, selbst auf der Hut sein, daß der so Angegriffene nicht einen günstigen Moment erspäht und dem das Schicksal bereitet, das er ihm zugedacht hat, d. h. ihn "huft". Es kommt hiebei, wie leicht denkbar, vorzüglich auf Kraft an. Sind beide Kämpfer gleich stark, so bricht der eine oder der andere leicht einen Arm.
Auch den unschuldigen "Hosenlupf" oder das "Hosenrecken", vollständig dem schweizerischen "Schwingen" ähnlich, kennt der Tiroler, besonders im Brixentale, in Jochberg und in den an Salzburg grenzenden Gegenden, sowie im Iseltale. Diese Ringsitte muß einst sehr verbreitet gewesen sein, wie aus den tirolischen Volksliedern erhellt.
"Wöllt's eppar (etwa) an' Hosenlupf wagen,
Fangt's mit kan Tiroler nix an," usw.
Kamen nun auch bei obigen Kampfarten blutige Beschädigungen häufig genug vor, so blieb das Ringen doch immer ein ehrliches, durch Regeln bestimmtes Kraftspiel. Das "Schelmen", welches in Schlagen, Beißen, Kneipen etc. besteht, galt stets als unehrenhaft, und der Recke, der es wagte, dieser durch vielhundertjährige Überlieferung geheiligten Satzung entgegen zu handeln, ward auf Befehl der Kampfrichter, unter denen sich die geachtetsten Gemeindeglieder befanden, von den eigenen Kameraden vom Platze entfernt, d. h. auf gut tirolisch hinausgeworfen. Die Kampfrichter wachten über den ganzen Vorgang und sahen sie, daß die beiden Gegner im ergebnislosen Kampfe bereits ganz erschöpft waren, so riefen sie ihnen zu: "Buben auseinander! Ihr seid gleich gut und könnt das nächste Jahr wieder probieren, wer der Bessere ist." Wie zwei folgsame Kinder fügten sich die Burschen dem Befehl und ließen sich willig los. Wer erinnert sich da nicht unwillkürlich an den Zweikampf zwischen Ajax und Hektor im 7. Buche der Ilias, wo auch die Herolde fast mit den gleichen Worten die Kämpfenden trennen.
In den meisten Fällen aber wurde einer "Hagmair" und erlangte dadurch das Recht, dem Besiegten die "Huifeder" vom Hute zu nehmen und auf seinen zu stecken. Diese Huifedern, auch Robler- oder Trutzfedern genannt, sind die glänzend schwarzen gekrümmten Schweiffedern des Spiel- oder Birkhahns, seltener die langen weißen des gewöhnlichen Haus-Hahns. Zwar prangt in neuerer Zeit auf den Hüten der Burschen, besonders auf den Schützenhüten, neben Nelke und Rosmarin auch der doppelt gebogene Schweif des Spielhahns; doch gilt derselbe jetzt mehr als bloßer Schmuck:
"Am Sonntag setz' i mein grün's Hüt'l auf,
An' Gamsbart und drei krumpe Federn drauf" -
heißt es im verbreitetsten Tiroler Volksliede. Verspürt aber der Tiroler Lust, seine Stärke und Gewandtheit im Ringen zu erproben, so steckt er, bevor er in der Schenke oder in einem Nachbardorfe einen Gegner zum Zweikampfe aufsucht, die schwarze Spiehahn- oder die weiße Hahnenfeder vorn auf den Hut und zwar so, daß sie geradeaus, etwas vorgeneigt zu stehen kommt. Die übrige Burschenschaft weiß dann schon, was dieses kecke, nickende Fragezeichen zu bedeuten habe und bald findet sich einer, der den Ankömmling mit dem Ellbogen anstößt und spöttisch fragt, was denn die Feder koste. "Fünf Finger und einen Griff" ist die Antwort, die das prahlende Schnaderhüpfl ergänzt:
"A frischer Bua bin i,
Hab' d' Federn aufg'fteckt,
Im Hanggeln und Raufen
Hat mi' keiner derschreckt."
Der andere gibt ihm ebenfalls in "Vierzeilen" eine spöttische Erwiderung. Haben sich beide in die gehörige Hitze hineingeredet, so "stiegen sie einander an" und der Kampf geht los und endet erst, wenn einer den andern besiegt oder wie man sagt, ihm "das Federl herabgenommen hat." Den Ehrentitel "Hagmair" erhielt einer übrigens erst dann, wenn er alle geforderten Burschen aus dem Zuschauerkreise überwunden hatte und sich keiner mehr mit ihm zu robeln getraute. Erst dann hatte er das Recht, seinen Hut mit den erbeuteten Trutzfedern zu schwingen und zu singen:
"Mein Federl steht fest
Wie die Nußbäumen Aest,
Wer mein Federl will haben,
Muß'n Nußbaum ausgraben,"
d. h. im Robeln ihn werfen. Hagmair zu werden, war daher keine Kleinigkeit, besonders bei einem großen Ringen, wie ein solches z. B. alljährlich bei der Jochberger Waldkapelle stattfand. Dorthin kamen die stärksten Burschen des Puster-, Brixen-, Inn- und Zillertales, sowie des benachbarten Pinzgaus. Auf letztere hatten es die Tiroler, als auf "Ausländer", besonders abgesehen. In Rotten geschart, umstanden die Landsmannschaften den Kampfplatz und der Stolz und die Freude derjenigen, welche den unbesiegten Hagmair zu den Ihrigen zählten, kannte keine Grenzen. Mit hochgehobenem Haupte trug der Bewunderte seine erbeuteten Federn zur Schau und wurde bei der Rückkehr ins Heimatdorf jubelnd empfangen. Jedem, der ihn etwa zu fragen wagte, was eine Feder koste, gab er lachend zur Antwort: "Fünf Finger und einen Griff!" Aber keiner getraute sich mehr mit ihm anzubandeln und er konnte mit Recht singen:
"Ist keiner im Stand,
Daß er'n Taxbaum ausreißt
Und an' Hirschen derfangt
Und an' frischen Bub'n schmeißt."
Quelle: Ludwig von Hörmann, Tiroler Volksleben, Stuttgart 1909. S. 445 - 456.