WASSER, Aqua

Encyclopädie der Volksmedicin, Georg Friedrich Most, 1843

Wasser, Aqua. Von allen Mitteln zur Erhaltung der Gesundheit und zur Heilung von Krankheiten ist, neben reiner, freier, frischer Luft, Körperbewegung und Schlaf, kein einziges grösser, heilsamer und köstlicher, als das reine, frisch geschöpfte, kalte Wasser. Von jeher hat man die Wunderkräfte des kalten Wassers (Aqua fontana frigida) zum Trinken und Baden gekannt; doch waren es nicht immer die Aerzte, die dieses (aus Einseitigkeit, Arroganz oder Gewinnsucht) einsahen oder einsehen wollten, sondern mehr das Volk mit seinem schlichten, gesunden Menschenverstande, mit richtiger Beobachtungsgabe und sicherm Takt.

Es kann hier nicht der Ort sein, über die grossen Kräfte des kalten Wassers als Schutz- und Heilmittel vor und bei den mannigfaltigsten innerlichen und äusserlichen Krankheiten und Gebrechen der Menschen ausführlich zu reden. Wir verweisen deshalb auf die besten neuem und neuesten Schriften über die Hydropathie von Oertel, Hahn, Piutti, Schmitz, Richter, Curtis, Munde n. a. m. (s. unten die Literatur) und führen hier nur folgende Punkte besonders an: 1) Das kalte, frisch aus der Quelle oder dem Brunnen geschöpfte, reine, weiche Wasser erregt zwar zuerst, wenn der ganze Körper damit gewaschen (s. oben Bäder) oder dasselbe in Menge getrunken wird, etwas Frost und Schauer, verbreitet aber gleich darauf eine angenehme, wohlthuende Wärme durch den Körper, erfrischt, belebt und reinigt die ganze Blut- und Säftemasse, und entfernt so durch Schweiss und Urin die schlimmsten Krankheitsstoffe aus dem Körper, wodurch zahllose Krankheiten sowol verhütet, als geheilt worden sind. Diese Thatsachen stehen fest, und wenn Unkenntniss und Vorurtheil dem Wasser manches Schädliche angedichtet haben; so erkannten dennoch Aerzte und Laien aller Zeiten, besonders aber in unserm 19. Jahrhunderte, den unendlich hohen Werth des frischen Wassers in diätetischer und medicinischer Hinsicht immer mehr und mehr. - Reines, kaltes, frisches, weiches Wasser ist und bleibt dem Durstigen das angenehmste und erquickendste Getränk, welches ihm, ist sein Blut nicht durch Körperbewegung erhitzt, nie schadet, sondern seine Verdauung stärkt, das Blut erfrischt und reinigt, die Ausdünstung, den Harn und Stuhlgang regelt, die Seelenkräfte erhält, die Sinne schärft, kurz, die Gesundheit befördert und den Grund zu einem langen Leben legen hilft. Sehr wahr sagt Hufeland: "Es gibt kein kräftigeres Mittel zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit, als das frische Wasser; es belebt Seele und Leib, verbreitet über unser ganzes Wesen ein Gefühl von Wärme, Leichtigkeit und Wohlsein, mit dem Nichts zu vergleichen ist, zertheilt alle Stockungen der grobem und feinern Organe, bringt Blut und Lebensgeister in gleichförmigen Umlauf und befördert und erhält auf diese Weise das so nothwendige Gleichgewicht in unserm Innern, von dem allein unsere physische und moralische Gesundheit abhängt."

Ein gesundes Trinkwasser darf keine fremdartige Bestandteile, als: Kalk, Gyps u. s. w. enthalten, es muss klar, leicht, geruch- und geschmacklos sein, es darf nicht trübe werden, wenn man mit einem Federkiele hineinbläst, muss die Seife leicht in Schaum auflösen, also weich sein, und die Hülsenfrüchte schnell mürbe kochen, auch beim Stillstehen keine Uneinigkeiten absetzen. Es muss öfters frisch geschöpft werden, zumal des Morgens früh, und wird dann sehr kühlend und erquickend sein. Hat es eine Zeit lang in der Wärme gestanden, so muss es am Rande des Glases eine Menge klarer kleiner Luftbläschen zeigen. "Im Wasser" - sagt Hufeland, so treffend, als wahr - "steckt eine wunderbar belebende Kraft wovon sich jeder Wassertrinker überzeugen kann." Es wirkt deshalb so wohlthätig, weil es ein allgemeines Belebungsmittel im organischen Reiche überhaupt ist, aus Elementarstoffen (Sauerstoff und Wasserstoff) besteht, wovon ersterer die feinste Lebensnahrung gibt, und weil es das Blut verdünnt und Magen und Dann reinigt und stärkt. - Ein unreines und schädliches Wasser hat folgende Eigenschaften und Kennzeichen: a) Es hat einen deutlichen Geschmack nach irgend einer ihm beigemischten Substanz. Dieser ist verschieden nach Verschiedenheit der Beimischung: herbe, zusammenziehend, erdig, faul morastig, salzig u. s. w. b) Es hat keine vollkommene Durchsichtigkeit, oder verliert dieselbe doch, nachdem es eine kurze Zeit an freier Luft gestanden hat. c) Es lässt, wenn es ruhig steht, auch in verschlossenen Gefässen, einen Bodensatz fallen, welcher oft aus einem trüben Schleime besteht, d) Kocht man es beständig in demselben Geschirre, so setzt es eine grosse Menge erdiger Stoffe auf dessen Boden ab, Gyps, Kalk u. s. w., den sogenannten Pfannenstein, e) Gewisse Reagentien, z. B. salpetersaures Silber, Kalkwasser u. s. w. bringen in ihm andere Erscheinungen hervor, als in reinem Wasser, f) Es erregt oft Leibweh, Colik, Durchfall, selbst Ruhren. Etwas kohlensaurer Kalk schadet übrigens dem Trinkwasser nicht; ein Zusatz von salpetersaurem Silber macht darin einen weissen Niederschlag. Enthält das Wasser Eisen, so entsteht durch Zusatz von Galläpfelabkochung, von China oder Thee ein schwärzlichblauer Niederschlag. Blausaures Kali zeigt das Eisen darin durch Berlinerblaufarbe an. Ist das Eisen im Wasser mit Kohlenstoffsäure oder Schwefelsäure verbunden, so macht der ätzende Baryt darin einen gelbweissen Bodensatz. Man unterscheidet hartes und weiches Wasser. Das erste taugt nicht zum Kochen der Hülsenfrüchte, der Seefische, auch nicht zum Waschen, weil es viel kohlen- und schwefelsauren Kalk (Gyps) aufgelöst enthält, welcher die Seife zersetzt, so dass sie in kleinen Flocken auf und im Wasser schwimmt und keinen stehenden Schaum abgibt.

Vieles Wassertrinken dämpft das Genie nicht! Demosthenes und Caesar tranken nichts als Wasser. Cato sagt von diesem, er sey der einzige, der mit aller seiner Nüchternheit die römische Republik umgeworfen habe. Der grosse Rechtsgelehrte Andreas Tiraquellus hatte in seinem Leben nichts als Wasser getrunken, und dennoch der Welt 24 Bücher und 24 Kinder geliefert. Auch die meisten Menschen, welche ein hohes Alter erreichten, tranken täglich viel Wasser. 2) Für Gesunde ist jede Tageszeit zum Wassertrinken geeignet, sobald der Durst dazu auffordert. Vollsaftige, wohlgenährte Personen mit Congestionen des Blutes zum Kopfe, zur Brust, mit Neigung zu habitueller Leibesverstopfung und Anlage zum Schlagfluss müssen aber, auch ohne Durst zu haben, sich das Wassertrinken angewöhnen, und zwar so, dass sie zuerst des Morgens nüchtern ein bis zwei Mass trinken, eben so viel des Nachmittags, zwei bis drei Stunden nach dem Essen, und eben so viel Abends spät vor dem Schlafengehen. Ueberhaupt passen die genannten Zeiten am besten zum Wassertrinken, weniger gut ist est, während der Mahlzeit viel Wasser zu trinken, weil dies leicht die Verdauung stört und den Magen schwächt. 3) Es gibt eine grosse Menge hitziger, fieberhafter und chronischer Krankheiten, die das frische, kalte Wasser neben gehöriger (meist knapper) Diät, allein, ohne irgend eine Arznei, gut und gründlich geheilt hat. Solche Wassercuren sind aber nichts weniger, als neu. Schon die römischen Aerzte kannten sie. Der Kaiser Augustus hatte in seinem 40. Jahre eine Leberentzündung. Sein Leibarzt Kamelius suchte diese durch warme Getränke, Bäder u. s. w. zu vertreiben, machte aber dadurch das Uebel immer ärger. Aus Verzweiflung wandte sich der Kaiser an einen andern Arzt, Antonius Musa, der zu der entgegengesetzten Curart schritt, eine erfrischende Diät verordnete, den kranken Kaiser beinahe nichts, als Lattich essen, lauter frisches, kaltes Wasser trinken und zugleich fleissig mit kaltem Wasser begiessen liess. Dadurch bewirkte Musa, dass der Kaiser in kurzer Zeit wieder hergestellt war und, ohngeachtet seiner schwächlichen Gesundheit, noch 36 Jahre lebte. Der Kaiser Maximilian I. war in einem ähnlichen Falle. Er bekam ein hitziges Fieber, Da ihm aber die Aerzte alles kalte Trinken verboten und ihn mit erhitzenden Arzneien nach der Curmethode des 15. und 16. Jahrhunderts, noch kranker machten, so liess er sich durch einen Bedienten heimlich einen Krug frisches Wasser vom Brunnen holen, trank ihn mit Lust nach und nach aus, und genas bald.

Vor circa 100 Jahren war es der Dr. J. S. Hahn (s. d. Schrift), welcher die mit Unrecht vergessene Wasserheilkunde in Deutschland wieder hervorrief. Später waren ihre Lobredner: Theden, Ferro, Tanchou, Schwertner, Currie, Harder, Reuss, Oertel u. a. m. (s. unten die Literatur) und die durch Priessnitz zu Gräfenberg hervorgerufenen Kaltwasserheilanstalten in Deutschland und in vielen andern Gegenden Europas: Böhmen, Oesterreich, Italien, Ungarn, Wallachei, Polen, Russland, England, Frankreich u. s. w. haben Aerzte und Laien auf die herrlichen Wirkungen des kalten Wassers gegen die schlimmsten chronischen Krankheiten mehr und mehr aufmerksam gemacht. Dennoch ist die Sache selbst keineswegs neu, nur die Methode der Anwendung. Hieher gehört die sogenannte Schwitzcur, wie sie Priessnitz auf Gräfenberg zuerst einführte. Sie besteht darin, dass der an eingewurzelten Uebeln: Dyskrasien, Scropheln, Gicht, Venerie u. s. w. Leidende täglich eine oder mehrere Stunden in nasse Tücher und trockene, wollene Decken, oder in letztere allein, und darüber in Betten so eingehüllt wird, dass selbst die Arme nicht frei bleiben, ganz ähnlich einer ägyptischen Mumie oder einem, nach alter Manier unserer Grossmütter, eingewickelten Kinde. Zur grössern Anregung des Schweisses reicht der Badediener (bei Damen die Dienerin), der bei seinen vier bis fünf Kranken stets die Runde macht, dem Eingehüllten alle halbe Stunde mehrere Gläser frisches Wasser, um den Schweiss, der sich meist schon nach einer Stunde einstellt, fortwährend zu unterhalten. Der auf diesem natürlichen Wege entstehende Schweiss differirt auch von dem auf andere Weise hervorgerufenen, indem er auf ganz passivem Wege, ohne Aufregung des Blut- und Nervensystems, die Säfte nach der Haut lockt. - Die Fenster des Zimmers, in welchem der Kranke liegt, werden, sobald er stark schwitzt, geöffnet und bleiben es, um der Unbehaglichkeit und zuweilen eintretenden Brustbeklommenheit durchs Einathmen frischer, kühler Luft entgegen zu wirken. - Bei vielen Kranken werden auf die am meisten leidenden Stellen, während des Schwitzens, oft kalte, in frisches Wasser eingetauchte und tüchtig ausgewundene Tücher unter der enganliegenden Decke durch den Badediener ganz geschickt vom Halse aus hinuntergeschoben. Die damit bedeckten Theile müssen sich und das Tuch wieder erhitzen und stets von Neuem transpiriren, was auch rasch genug wieder erfolgt und ein Brennen an diesen Stellen verursacht. Die Temperatur des Blutes wird, nach Piutti, beim Schwitzen nur wenig erhöhet (97° - 99°Fahr.), sinkt auch oft wieder (90° F.) während der Schweiss zunimmt. Der Puls schlägt acht bis zehn Schläge mehr, wie im Normalzustande in der Minute, fällt auch oft während des Schweisses.

Nach zwei bis drei Stunden sind die wollenen Decken und auch die Unterbetten durchgeschwitzt, worauf dann der Badediener den Schwitzenden, in seine nasse Wolldecke eingehüllt, ganz ruhig entweder in das benachbarte Zimmer, oder aus der zweiten Etage in ein Gemach des untern Stockwerks, oft bei vollem Luftzug, ohne dass dieser auf irgend eine Weise nachtheilig wirkt, an die grosse, mit kaltem Wasser gefüllte hölzerne Wanne führt, in die er sich dann hineinwirft, sobald Kopf und Brust behutsam gewaschen sind. Hier verweilt er, je nach Behagen, zwei bis drei Minuten.

Nach dem Bade geniesst man in Gräfenberg und andern ähnlichen Anstalten gewöhnlich einige Tassen Milch mit Weissbrot, und eilt bald zu den Promenaden ins Freie, über Berg und Thal, in die Bergwaldung, wo überall kleine Quellen angebracht sind, aus denen man sich mit dem kleinen Wasserglase, das man bei sich führt, acht bis zwölf Mal kurz so oft schöpft, als es nur immer zu trinken möglich ist. - Sobald die neunte oder zehnte Stunde des Morgens heranrückt, eilt man den kalten Wald- oder Bergdouchen zu, deren es in Ilmenau zwei und mehrere: eine Damen- oder Anfängerdouche, ein paar 100 Schritte von der Stadt, und eine entfernter liegende stärkere Männenlouche gibt. Sie stürzen mittels der Rinne über 15 -18 Fuss hoch in das an den Berg gelehnte Bretterbehältniss armsdick auf einen hölzernen Fussboden, von welchem das vier bis fünf ° + R. Temperatur haltende Wasser wieder abläuft. Der massig abgekühlte und entkleidete Kranke sucht beim Hintritt unter den niederfallenden Strahl der Wassersäule diesen erst mit den Händen aufzufangen, damit das etwas Schmerzende seiner Fallkraft nicht gleich den ihm exponirten Körper treffe. Neben den kranken Stellen, welche der örtlichen Reaction bedürfen, werden Nacken und Rückgrat dem Wasserstrahle am häufigsten ausgesetzt. Dieser brennt und färbt die Stellen, die er trifft, schon nach zwei bis vier Minuten rosenroth. Kopf Brust und Unterleib- dürfen niemals dem Strahle exponirt werden. Anfangs weilt man nur ein bis zwei, später sechs bis acht Minuten oder so lange, als das Gefühl davon angenehm ist, unter der Douche. Gleich nach dem Ankleiden nimmt man wieder einige Gläser Wasser zu sich und sucht sich durch rasche Bewegung im Freien zu erwärmen und das Frostgefühl zu vertreiben; denn die erfrischenden und belebenden Luftbäder bilden in steter Abwechselung mit den Wasserbädern zusammen, die Hauptbestandteile der Cur.

An mehreren Kaltwasserheilanstalten, z. B. im thüringer Walde zu Ilmenau, Elgersburg etc. findet man auch das Flusswellenbad, welches bei vielen Kranken dem Gebrauch der Douche acht bis zehn Tage vorausgeht. Dieses treffliche Surrogat des Seebades kann in vielen Fällen noch da angewandt und mit Nutzen gebraucht werden, wo bei Kranken wegen Schwäche die Seebäder nicht passen. Die Anlage solcher Flusswellenbäder, um so den Wellenschlag der See zu ersetzen, ist da, wo Wassermühlen sind, nicht kostspielig; auch lässt sich damit leicht, je nach der Localität, ein natürlicher oder künstlicher Wasserfall verbinden, wo sich, wie in Ilmenau, die Wassermasse durch einen Lattenverschlag, gleichsam wellenartig strömend und tobend, in den geräumigen Badekasten drängt, von wo aus man sie nach Belieben wieder ablaufen lässt. Der Badende ist hier einem stärkeren Wasserdruck ausgesetzt, hat sich anzustrengen, selbst noch bei einer Unterstützung mit Handhaben das Gleichgewicht seines Körpers zu erhalten, indem er so dem doucheartigen Einschlagen der Wellen verschiedene Körperseiten aussetzet. Dass ein solches Flusswellenbad gegen das grosse Heer atonischer Krankheiten wegen des kräftigern Impulses auf den Körper wirksamer, als das gewöhnliche Flussbad sei, ist ausgemacht. Der Körper ist hier jedenfalls einem ungleich stärkeren Drucke, einer Art Compresslon, einer Massirung durch die Wellen ausgesetzt, welche bei Allen momentanes Wärmegefühl und Turgescenz der Haut, selbst auffallende Röthe derselben zurücklässt (s. Massiren des Körpers). Ausserdem ist's nicht unwahrscheinlich, dass in diesem sausendem Gemische von Luft und Wasser Frictionselectricität frei wird und auf den Kranken heilsam influirt; auch ist hier noch die Gymnastik, zu welcher das ganze Muskelsystem, vorzüglich aber die Brustmuskeln und Lungen selbst auffordern, und wodurch eine merkwürdig heitere Stimmung sich des Badenden bemächtigt, in Anschlag zu bringen.

Man verweilt drei, fünf bis sieben Minuten im Badebehältniss; alsdann kleidet man sich im angrenzenden Zimmer mit Hülfe des Badedieners schnell an, um in Bewegung zu kommen und das heftige Frösteln und Zähneklappern zu verscheuchen. 4) Die Diät in den Kaltwasserheilanstalten, so wie bei jeder andern Wasser- und Schwitzcur, welche Kranke im eignen Hanse vornehmen wollen, muss einfach und bequem sein. Fette Speisen, erhitzende Getränke, Spirituosa, Wein, Kaffee, Thee etc. werden vermieden. Bei eingewurzelten Uebeln ist nach Umständen eine strenge Diät nothwendig, d. h. der Kranke stillt den Hunger allein mit Semmelbrot, und den Durst mit frischem Wasser. Bei leichtern Uebeln wird erlaubt eine nicht schwer verdauliche Hausmannskost: Rindsbrühe, Rind- und Hammelfleisch mit einfachen Saucen, Rinds-, Kalbs- und Hammelbraten, dem Quantum nach sehr reichlich, so lange der Appetit da ist, dem Quale nach (in Gräfenberg) selten delicat; hinterher geschmorte Pflaumen oder Waldbeeren.

Ein wichtiges Ding in den Wasserheilanstalt der neuesten Zeit ist noch der sogenannte Neptunsgürtel, d. i. der erwärmende Umschlag mittels eines Tuches, angefeuchtet und stark ausgewunden durch kaltes Wasser, Er wird gebraucht bei jedem örtlichen Körperleiden, selbst bei Verdauungsschwäche and habitueller Leibesverstopfung (um die Brust oder den Unterleib geschlagen) und recht fest ein Verband, eine Binde, Weste u. s. w. trocken darüber gelegt, so dass gar keine Luft zwischen Haut, Umschlag und Kleidung dringen kann. Dieser Gürtel wird, so oft er trocken geworden, frisch wieder angefeuchtet. Erkältung ist hier weit weniger, als bei heissen Umschlägen zu befürchten.

Personen, welche an Unterleibsstockungen und Menstruationsfehlern leiden, müssen entweder einmal vor dem Schlafengehen, oder zweimal Nachmittags zwei Stunden nach dem Essen und Abends, kalte Sitzbäder nehmen. Man setzt sich nämlich in eine runde, einem grossen Eimer ähnliche Wanne, von 20 Zoll Durchmesser und 11 Zoll hoch (ohne die Füsse), auf die vorn etwas ausgeschnittene Seite, die mit etwa drei, höchstens vier Zoll hoch kaltem Wasser gefüllt wird (mehr Wasser bei magerem Körper, weniger bei einem Embonpoint) und bleibt darin, indem man zugleich mit den Händen Brust und Unterleib fleissig streicht und knetet, bis etwa nach einer Stunde das Wasser durchs Annehmen der Temperaturwärme des Körpers allmälig lauwarm wird. - Diese Art täglicher Wärmeableitungen verdient ebenfalls die Aufmerksamkeit der Aerzte und Naturforscher; denn sie kann auf Doppelwege manche Cur unterstützen. Sie muss unsers Erachtens gegen Blähungen, gegen Krämpfe des Unterleibes u. m. dgl. durch die veranlasste Vermehrung der peristaltischen Bewegung sich eben so wirksam zeigen, als in anderen Fällen wiederum, bei dem polarischen Gegensatze, den sie unterhält, Congestionen vom Kopfe nach dem Unterleibe und dem Gesässe hinleiten und so nach und nach die Temperaturen des Kopfes und des Stammes auszugleichen vermögen.

Gegen chronische Leibesverstopfimg sind Klystiere von anfangs lauem, später allmälig kaltem Wasser von grosser Wirkung. Kalte Fussbäder sind, Abends kurz vor dem Schlafengehen und so genommen, dass das Wasser nur über die Knöchel reicht und nur sehr kurze Zeit darin verweilt wird, gegen Kopfcongestionen, solche Augenleiden und gegen unterdrückte Menses in den Kaltwasserheilanstalten viel mit Nutzen gebraucht worden. 5) Das kalte Wasser ist keinesweges, wie Viele glauben, ein Universalmittel, denn obgleich es viele und verschiedenartige Krankheiten heilt, so passt es doch nicht in jedem Falle, ja in einzelnen macht es das Uebel offenbar schlimmer. Der Dr. Ruppricht (a. a. O. S. 84 u. f.) sagt, dass die Anwendung des kalten Wassers seines Wissens auf folgende Krankheitszustände keinen -wirksamen Einfluss zu haben scheine: a) Alle diejenigen Krankheiten, die ursprünglich und unmittelbar vom Gehirn und Rückenmark selbst ausgehen. So sah er unter diesen Umständen Schwindel, nervöse Kopf- und Gesichtsschmerzen, so wie überhaupt das ganze Heer rein nervöser Schmerzen (Neuralgien), Epilepsie und andere krampfhafte Erscheinungen, Melancholie, nervöse Hypochondrie, Irresein u. s. w. der Anwendung des kalten Wassers hartnäckig widerstehen. Besonders ist dies der Fall, (worauf der Dr. Ruppricht die Aufmerksamkeit der Herren Wasserärzte zu lenken wünscht), bei allen jenen, oft so hartnäckigen nervösen Leiden aller Art, welche so ungemein häufig mit demjenigen schmerzhaften Reizzustande des Rückenmarks, der nur durch .einen leichten Druck auf die Rückenwirbelsäule erkannt wird, verbunden sind oder vielmehr nur von diesem ausgehen. Sobald aber diese genannten und andere nervöse Krankheiten, obgleich immer auf einer gestörten Thätigkeit des Gehirns und Rückenmarks beruhend, nicht ursprünglich und unmittelbar von diesen Gebilden ausgehen, sondern, wenn die gestörte Thätigkeit des Gehirns und Rückenmarks erst wieder die Folge eines unregelmässigen Blutlebens oder eines fehlerhaften Ernährungsprocesses ist, wie dies bei fieberhaften, hämorrhoidalischen, gichtischen Zuständen u. s. w. der Fall ist; so können sie alsdann durch eine den Verhältnissen angemessene Wassercur mit dem besten Erfolg bekämpft werden, b) Hieran reihen sich zunächst auch alle Störungen der Thätigkeit der Sinneswerkzeuge, sobald im Nervenleben derselben selbst ursprünglich der Grund der Störung zu suchen ist. Daher wird eine krankhaft gesteigerte Reizbarkeit des Auges oder des Ohrs, oder die erlöschende Sehkraft oder die Taubheit etc. sobald sie in Folge heftiger Geistesanstrengungen oder von Kummer, Betrübniss oder von andern dergleichen das Gehirn-Nervensystem afficirenden Schädlichkeiten entstanden ist, wol nie durch irgend eine Art der Anwendung des kalten Wassers rückgängig gemacht werden können. Ist dies aber nicht der Fall, sondern ist die Sinnesstörung erst wieder die Folge eines anderen krankhaften Zustandes des Körpers, z. B. der Unterleibsorgane, oder wird die Thätigkeit des Sinnes nur durch eine fehlerhafte Ernährung des Sinnesorgans beeinträchtigt, wie dies bei einer allgemeinen fehlerhaften Mischung: der Säfte (eingewurzelte Scropheln, Gicht Syphilis etc.) so oft stattfindet, dann kann eine Wassercur mit grossem Nutzen angewendet werden, c) Bei Krankheitszuständen, die mit einer fast lähmungsartigen Beschaffenheit und grosser Gefühllosigkeit und Unthätigkeit der Haut verbunden sind vermag das kalte Wasser auch nichts. Deshalb legt Priessnitz in Gräfenberg mit Recht einen so grossen Werth auf die Untersuchung der Haut. Denn da in den meisten Fällen die Heilkraft einer Wassercur einzig und allein auf einer kräftig aufgeregten Hautthätigkeit beruht, so ist es natürlich, dass sie da keinen Erfolg haben kann, wo sie diese Steigerung im Leben der Haut nicht mehr hervorzurufen im Stande ist. Also überall da, wo die Haut trocken, welk, blass und kalt ist, wo kein Schweiss kann hervorgerufen werden, wo nach dem Bade keine Spur eines kräftigen angeregten Lebens in ihr sichtbar wird, wo die leise Berührung mit einem Strohhalm oder einem Federbart (Priessnitzens Art der Untersuchung) besonders an den leidenden Gliedmassen nicht mehr empfanden wird, da ist von der Anwendung des kalten Wassers wenig Heil zu erwarten. d) Weit gediehene Entartungen der Gewebe der verschiedenen Gebilde des Körpers, sobald sie den entzündlichen oder den auf Blutandrang beruhenden Charakter gänzlich verloren haben, z. B. alte Verhärtungen der Leber, des Gekröses, dergleichen Drüsenverhärtungen, Lungenknoten u. s. w. Diese Zustände und die daraus hervorgehenden Beschwerden und Gesundheitsstörungen, sind für die Wasserheilkunst eben so unzugänglich, wie sie es auch für jedes andere Heilverfahren sind (Ruppricht l. c. p. 86). Da aber, wo eine Rückbildung dieser Entartungen nur im Entferntesten noch kann erwartet werden, da wird der, durch die Wassercur hervorgerufene, tief ins Innere des Lebens dringende, allgemeine Umstimmungsprocess, dies eher, als jedes andere Heilmittel, noch zu leisten im Stande sein. Weit vorgeschrittene Lungen- und Kehlkopfaffectionen haben ihn (Dr. R.) einige Mal davon überzeugt, "und wenn es auch einen Grad dieser Leiden gibt, welchen das kalte Wasser eben so wenig, als irgend ein anderes Mittel zu überwinden vermag) so habe ich doch" -sagt Ruppricht (a. a. O. 86) -"in dieser Beziehung da noch Heilnng erfolgen sehen, wo sie wol schwerlich auf einem andern Wege wäre herbeigeführt worden und zu erwarten stand." Er führt einen interessanten Fall davon bei einem 20jährigen Fräulein an. 6) Das kalte Wasser, innerlich und äusserlich, täglich zum Trinken, Waschen und Baden ein- bis zweimal richtig angewandt, ist das beste Schutzmittel vor der Pest, dem gelben Fieber und vor allen andern ansteckenden Krankheiten (s. Apalaschenthee). Kalte Begiessungen, Sturzbäder über den Kopf und den nackten Leib (am besten im lauen Bade) haben Tausende von Scharlachfieber-, Masern-, Pocken- und Typhuskranken, so wie auch zahlreiche Kinder, welche an häutiger Bräune und Wasserkopf litten, geheilt (s. Begiessungen, kalte).

In der jüngsten Zeit, wo hier in Rostock die ansteckenden Masern epidemisch herrschten (April bis August 1842), traten sie oft mit den heftigsten Kopfschmerzen auf. Kalte Kopfumschläge, stundenlang gebraucht und alle Viertelstunden erneuert, waren das beste Hülfsmittel. Die Kopfschmerzen verschwanden darnach bald, und der Ausschlag trat, bei vielem Trinken kalten Wassers gut hervor; dabei blieb die Krankheit in der Regel so gutartig, dass alle Arzneien unnöthig waren. 7) Gegen den hitzigen, sehr schmerzhaften Rheumatismus ist die Wasserschwitzcur ein eben so ausgezeichnetes Mittel (s. Spanische Fliegen), wie gegen eingewurzelte Gicht der Glieder und Gelenke, gegen solche Scropheln und Syphilis. Da aber die richtige Anwendung des Wassers bei solchen methodischen Curen, gegen die genannten eingewurzelten Uebel, die Behandlung des Kranken bei den, im Verlaufe der Cur oft heftig auftretenden, gefährlich werdenden Krisen, die Bestimmung der Curzeit, die dabei zu beobachtende Diät und sonstige Lebensweise theoretische und praktische Kenntnisse der Wasserheilkunde erfordert; so ist's besser, wenn der Laie sich einem tüchtigen Arzte, der nicht allein aus Büchern; sondern auch an guten Wasserheilanstalten diese Curmethode kennen gelernt, anvertraue. Alles in der Welt hat seine Zeit und seine Grenzen. Auch die Wassercur kann übertrieben und dadurch der Gesundheit und dem Leben geschadet werden, wie C. Munde (a. a. O. S. 306, 325 u. 330) mehrere traurige Fälle der Art mittheilt. 8) Dagegen bedarf es durchaus keines Arztes bei der äusserlichen Anwendung des Wassers gegen alle frische Verbrennungen des Körpers, gegen frische Frostbeulen an den Gliedern, an den Ohren der Nase und andern einzelnen Theilen, gegen Quetschungen frischer Art, oberflächliche frische, blutende Wunden, gegen frische Beinbrüche und Verrenkungen, sobald dieselben vom Wundarzte wieder eingerichtet und durch Bandagen unterstützt worden sind, - gegen Schwindel, Kopfweh, Verstandesverwirrung, Raserei, welche plötzlich vollblütige Leute in heissen Sommern, nach heftiger Erhitzung des Körpers, nach anhaltender Einwirkung der Sonnenstrahlen, zumal auf den entblössten Kopf (Insolatio), namentlich auf Märschen im Soldaten und bei sonstigen Reisenden, so wie allen Personen, die im Freien arbeiten: Zimmerleuten, Gärtnern, Maurern etc. befällt. Hier sind kalte Waschungen, besonders aber Umschläge von kaltem Wasser mittelst grosser, vierfach zusammengelegter, angefeuchteter Tücher um den ganzen Kopf tief bis zum Nacken und über die Ohren gelegt, so dass nur Augen, Nase und Mund frei bleiben, das wirksamste aller Mittel Jede Viertelstunde müssen solche Tücher mit andern, welche in dem kalten Wasser vorher gelegen haben, gewechselt und so der Umschlag erneuert werden. -

Haben sich Personen bei Feuersbrünsten oder anderen Unglücksfallen einen grossen Theil des Körpers verbrannt, so entkleide man sie vorsichtig, schneide enge Kleidungsstücke auf und setze sie nackend in eine Wanne mit kaltem Wasser, worin sie zwei und mehrere Stunden verweilen müssen. Wird das Wasser lauwarm, so ersetze man es allmälig- durch kaltes. 9) Bei der Rose im Gesichte oder an den Gliedern und andern Körpertheilen darf auf den leidenden Theil nichts Nasses und Kaltes, also auch kein Wasser gebracht werden. Doch hat man durch Einschlagen des Körpers in nasse Tücher und darauf folgendes Schwitzen dieselbe häufig geheilt. Hierbei muss auch viel kaltes Wasser getrunken werden (s. Munde a. a. O. S. 392). 10) Kaltes Wasser ist das beste Mittel gegen alle frische, und gegen viele alte Entzündungen. "Hauptgrundsatz ist dabei" - sagt Munde (a. a. O. S. 390), "dass man nie den entzündeten Theil selbst dem kalten Bade aussetzt, sondern stets einen weniger edlen, tiefer liegenden, damit die Blutgefässe des entzündeten Theils sich nicht im Wasser zusammenziehen und dadurch gerade die Vertheilung des Blutes unmöglich gemacht werde, und damit ferner die nach dem Bade eintretende Reaction nicht das Uebel aufs Neue hervorrufe oder gar vermehre. Man belegt jedoch den kranken Theil fortwährend mit leicht ausgedrückten Umschlägen, damit die Abkühlung desto schneller und leichter vor sich gehe. Das Verfahren ist so einfach, dass ich nicht einsehe, wie Aerzte immer so viel dagegen einzuwenden haben können. Alle Versuche, die ich bei Priessnitsz gesehen, und die ich seitdem selbst gemacht, liefen so befriedigend ab, dass die Krankheit oft nach wenigen Stunden gehoben war. - Das durch das kalte Bad strömende Blut wird abgekühlt, verliert an Volumen und kommt in diesem Zustande nach der entzündeten Steile, wo es das darin aufgehäufte Blut nach und nach ebenfalls abkühlt und dem Volumen nach vermindert. Hierdurch wird das Zurückfliessen der Blutmasse möglich, die noch durch starkes Reiben der Extremitäten, was man durch zwei bei dem Kranken befindliche Personen vornehmen lässt, nach den äusseren Theilen gezogen wird. - Man wartet dann einen starken Frost im Bade ab und legt sich, nachdem die entzündete Stelle kühl geworden ist, mit darauf gelegtem Umschlag ins Bett, um eine gelinde Transpiration zu erhalten. - Bei gefährlichen Entzündungen der Lungen, des Unterleibes, wo es sich zugleich um Fortschaffung eines Krankheitsstoffes handelt, wird der Kranke in nasse Tücher geschlagen, der leidende Theil noch besonders mit Umschlägen bedeckt und er zum gelinden Schwitzen,liegen gelassen, worauf etwa noch ein Sitzbad von abgeschrecktem Wasser folgt."

"Dieses Verfahren ist mit den durch die Umstände gebotenen Abänderungen bei allen Entzündungen anzuwenden. Brust-, Unterleibs-, Hals-, selbst Hirnentzündungen sind dadurch zu heilen. Bei Unterleibsentzündung sind ausserdem kalte Klystiere sehr zu empfehlen." 11) Manche Personen, welche sich noch nicht an das Wassertrinken, sei es zum Schutz- oder Heilmittel, gewöhnt haben, bekommen ein Gefühl von Spannung und Druck in der Magengegend, Uebelkejten oder Durchfall, wenn sie Taguber drei, vier und mehrere Mass kaltes Wasser trinken. (Bei Priessnitz sind täglich sechs Schoppen das Minimum.) "Sie dürfen aber, wegen solcher Incommoditäten" - sagt mit Recht Curtis (a. a. O. S. 119) - "unbesorgt sein, und nicht nur mit Trinken fortfahren, sondern sie müssen es sogar verstärken, bis förmliches Erbrechen erfolgt; in wenigen Tagen nehmen diese Zustände völlig ab, und sie werden mit Wohlbefinden belohnt; denn jene Uebelkeiten entstehen nur durch den im Magen vorhanden gewesenen Unrath (Auch der ungewohnte Eindruck des Wassers und der Kälte auf die Magennerven und die Ansammlung von Blähungen im Magen, welche nicht schnell genug dem Wasser nach unten weichen können, ist häufig die einzige Ursache jener Zufälle. Most.), welchen das Wasser aufgelöst hat, und so wie er durch dasselbe auch entfernt, somit der Magen gereinigt ist, tritt das Wohlbefinden ein. Ein Erbrechen in Folge des Wassertrinkens hat sehr wenig Unangenehmes; der Magen wird dadurch hei weitem nicht so geschwächt, und wenn man ihn auch einige Stunden darnach ruhen lassen muss, so stellt sich doch Wohlsein und Appetit gleich wieder ein." 12) So wie überhaupt zur Erhaltung- der Gesundheit Körperbewegung im Freien erfordert wird, so ist solche beim Genuss des frischen Wassers höchst nöthig. Der gute Erfolg der Wassercur zeigt sich nur in Verbindung des Trinkens, Schwitzens, Badens und der richtigen Diät mit täglicher hinreichender Bewegung (s. Jagd). Man gehe daher nach jedem getrunkenen Glase kalten Wassers etwas rasch ein paar hundert Schritte, und nehme dann erst ein zweites, drittes etc. Glas bei fortgesetzter Bewegung zu sich. Dadurch wird auch der Frost vermindert, welcher sich gewöhnlich in der ersten Zeit der begonnenen Wassercur nach dem Genuss des kalten Wassers einstellt, im Verlaufe derselben sich aber gänzlich verliert (s. Curtis a. a. O. S. 119). 13) Die schlimmsten Fälle von chronischer Syphilis, Flechten und Gicht habe ich hier in Rostock, so wie im Auslande, nach Wassercuren, auf die oben angegebene Priessnitz'sche Methode zwei, sechs, ja nenn Monate and länger in Anwendung gebracht, gründlich heilen gesehen. Es war dazu nur einmaliges Schwitzen, anfangs nur eine halbe, dann eine, später zwei bis drei Stunden lang, und zwar früh Morgens, neben dem täglichen Genuss von drei bis zehn Maas Wasser, vieler Körperbewegung und einfacher Diät, nothwendig. "Es gibt Krankheiten" - sagt Munde (a. a. O. S. 33) sehr wahr - "bei denen der Arzt selbst überzeugt ist, dass seine Mittel keine gründliche Heilung erzielen können; er hat eine dunkle Ahnung, dass das Wasser nützen könne; allein er fürchtet, gegen die Vorurtheile seines Patienten anzustossen, seinen Ruf zu schmälern, seine Kundschaft zu verringern, und er schweigt und gibt seine Medicin, obgleich er voraussieht, dass sie, ohne in dem Falle zu nützen, Nachtheile nach sich lassen müsse. Eine von diesen Krankheiten ist die Gicht. Welcher Gichtkranke hat nicht von seinem Arzte eine Masse von spanischen Fliegen, Abführmitteln, Brechmitteln und andere auf die Verrichtungen der Unterleibsorgane verderblich wirkende Dinge empfangen, ohne dass je die mindeste Besserung erfolgte? Und wenn ja sein Uebel nachliess, so geschah es gewiss mehr in Folge der im Bette vermehrten Transspiration, als von jenen Mitteln, welche wol hier und da eine kurze Erleichterung verschaffen, aber den Kranken nicht von der Gicht heilen konnten."

"Die Aerzte selbst gestehen zu, dass sie die Gicht nicht heilen können; und die verständigen unter ihnen füllen schon jetzt den ohnehin mit Krankheitsstoffen reichlich versehenen Körper ihrer armen Gichtbrüchigen nicht mehr mit heroischen Mitteln an, welche durch die Schwächung der Verdauungskraft die Erzeugung der Materia peccans nur vermehren, sondern empfehlen ihnen einfache Diät, Bäder, Wassertrinken, und wol gar eine vollständige Wassercur, welche ihnen unter allen Umständen mehr nützt, als ein medicinisches Verfahren."

"Dieses theilweise Hinneigen der Aerzte zu unserer Methode verspricht uns schon jetzt eine bessere Zukunft and erlaubt die Hoffnung, dass einst dieser achtbare Stand sich bald wieder Vertrauen erwerben und vielleicht einmal, mit Beiseitesetzung jener schädlichen Gifte, mit einfachen und unschädlichen Mitteln und namentlich dem herrlichen, uns von Priessnitz gelehrten Heilverfahren der leidenden Menschheit unendlich viel nützen wird."

"Uebrigens müssen wir" - sagt Munde - "gerecht sein und zugeben, dass der Arzt oft auf Hindernisse stösst, welche die Anwendung einer eigentlichen Wassercur erschweren. Entweder fehlt es an Raum oder gutem Wasser, oder bei Armen an Decken zum Schwitzen, bei den Meisten aber an Zelt, and dann ist es auch dem Arzte nicht zur Last zu legen, wenn er im passenden Falle das Wasser nicht gebraucht; allein vorschlagen könnte er es doch und durch das Vertrauen, was er zur Cur zeigte, die Vorurtheile seiner Patienten am besten besiegen, die dann schon sich Mühe geben würden, alle anderen Hindernisse ans dem Wege zu räumen, um sich Gesundheit und Frohsinn im kalten Wasser zu erbaden und zu ertrinken." 14) Bei vielen Menschen findet man, dass sie eine grosse Furcht vor dem kalten Wasser (zum Trinken und Begiessen) empfinden, wenn sie transspirirt haben und der Körper vom Schweisse trieft. Louis Sanvan (a. a. O.) wurde erst von dieser Furcht befreiet, nachdem er vier und einen halben Monat lang von den heilsamen Wirkungen der Gräfenberger Cur an mehr als 500 Kranken von beiden Geschlechtern, von jedem Alter und jeder Constitution, Zeuge gewesen war. Nach der Anwendung der kalten Waschungen, Begiessungen und Bäder unmittelbar nach dem Schwitzen, friert der Körper nicht, sondern er wird wärmer, indem eine kräftige Reaction eintritt; .dabei ist zu bemerken, dass man in der ersten Zeit der Wassercur allmälig bei dem Waschen, Baden und Begiessen zuerst ein Wasser von 18° + R. nimmt, und allmälig kälter, zuletzt selbst nur von 6° über Null. "Bei dieser Gelegenheit" - sagt Sauvan (a. a. O. S. 22) sehr richtig - "ist es nöthig, die Furcht zu entfernen, welche eine grosse Menge Personen empfinden, wenn sie mit erhitztem und vom Schweisse triefenden Körper kalt trinken oder sich kalt baden sollen; denn die Erfahrung von mehreren Jahrhunderten scheint bewiesen zu haben, dass Tausende von Personen, wenn sie, während sie erhitzt waren und schwitzten, getrunken haben, Lungen-, Herz-, Gehirn-, Leberentzündungen und Schlagflüsse sich zugezogen, und oft daran gestorben sind; und doch sieht man anderseits zu Gräfenberg Hunderte mit Schweiss bedeckt und mit erhitzter Haut, kaltes Wasser in Menge trinken und sich in eiskalte Bäder, stürzen, ohne dass auch nur ein Beispiel angeführt werden könnte, welches einen nachtheiligen Erfolg bewiese. Noch mehr wird man über diese Behandlung beruhigt, wenn man sieht, dass eine so weise Regierung wie die östreichische, deren Beispiel schon von vielen anderen Staaten Deutschlands nachgeahmt worden ist, besorgt für die Gesundheit ihrer Unterthanen und eine sehr strenge Medicinalpolicei unterhaltend, zu dieser Anwendung in der Ueberzeugung aufmuntert, dass sie ohne Gefahr ist. Um diese zwei verschiedenen Thatsachen mit ihren Erfolgen zu begreifen, welche dem Anscheine nach so widersprechend sind, muss man die Ursachen in der Art, den Schweiss zu erregen suchen, die in beiden Fällen eine ganz andere ist. Wenn die Transspiration das Ergebniss eines aromatischen und erhitzenden Mittels, oder gar einer heftigen Bewegung ist, wie nach dem Tanze, nach einer ermüdenden Arbeit, nach schnellem Reiten u. s. w., so schwitzt nicht allein die Haut, sondern der Athmungsprocess, die Circulation werden sehr beschleunigt und die zum Leben unentbehrlichen Eingeweide, das Hirn, das Herz, die Lungen, die Leber, sind in einem allgemeinen Zustande der Aufregung. Dieser Umstand findet bei den nach Gräfenberger Art hervorgebrachten Schweissen nicht statt, welche blos durch die Concentration der Körperwärme vermittelst wollener Decken und den dadurch auf die Haut erzeugten Reiz, ohne alle Bewegung von Seiten des Kranken, erzeugt werden. Hier ist es nur die Haut, welche sich im aufgeregten Znstande befindet, wie ihre Röthe und hohe Temperatur beweist, während die inneren Gebilde durch das unablässige Hinabschlucken kalten Wassers, welches den Schweiss unterhält, abgekühlt und erfrischt sind.

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Aber nicht allein das kalte, auch das warme und das heiße Wasser (Aqua tepida et calida) sind wichtige, sehr wirksame und geschätzte Volks- und Hausmittel, welche ihre vorzüglich wirksamen Eigenschaften in Form der Bäder, Bähungen, Umschläge, Fomentationen etc. nicht allein der Feuchtigkeit, sondern auch der Wärme und Hitze verdanken. Wir bemerken hierüber in der Kürze Folgendes: a) Das warme, nicht über 27 °R. Wärme haltende Wasser ist in Form von Fussbädern, halben und ganzen Bädern ein ganz vorzügliches Mittel zur Reinigung des Körpers und zur Heilung vieler Krankheiten (s. Bäder), b) Das heisse Wasser in Dampfform ist gegen Engbrüstigkeit, Stockschnupfen und Ohrenschmerz-, gegen rheumatische und nervöse Uebel ein ganz vorzügliches Mittel. Man applicirt es örtlich mittels eines Apparats, eines auf das Gefäss gesetzten Trichters etc, so warm, als man es ertragen kann (durch Annähern oder Entfernen) an den leidenden Theil, oder man athmet den heissen Wasserdunst ein (Ramadge's Hauptmittel gegen die Lungenschwindsucht, s. oben Andorn, weisser), oder wendet ihn als russisches Dampfbad auf den ganzen Körper im dazu geeigneten Badezimmer an (s. Bäder), c) Ein im kochenden Wasser heiss gemachtes Messer oder sonstiges Stück Metall ist ein herrliches ableitendes, die Haut röthendes Mittel gegen innere Schmerzen: Coliken, Magenkrampf, Krämpfe aller Art, Cholera etc., gegen heftige rheumatische Schmerzen u. s. w. (s. Brenncylinder), d) Viele Landleute stecken ihren am Pingerwurm leidenden Finger zu Anfange des Uebels täglich vier bis sechs Mal eine Minute lang in heisses Wasser, und die Entzündung zertheilt sich in der Regel, so dass keine Eiterung erfolgt. Auch gegen nicht aufgebrochene Frostbeulen ist dieses Verfahren von gutem Erfolge, e) Gegen eingewurzelte Gicht empfahl vor Jahren der Arzt Cadet de Vaux warmes Wasser in grossen Quantitäten zu trinken, worauf starker Schweiss und bedeutende Harnabsonderung- erfolgt. Dieses Mittel kann aber, wie ich Fälle der Art kennen gelernt, sehr gefährlich, ja tödtlich werden. Hier ist auf jeden Fall die Priessnitz'sche Kaltwassertrink- und Schwitzcur vorzuziehen.

Der Dr. E. Th. Gritzner hat über die modernen Wassercuren eine lesenswerthe Dissertation (Leipz. 1841) geschrieben und den Nutzen und Schaden derselben für einzelne Krankheitsfälle näher besprochen. Um aber sich zu Überzeugen, was der anhaltende innere und äussere Gebrauch des Wassers für einen Einfluss auf Gesunde habe, machte Gritzner an sich selbst einen Versuch, wobei man den Muth und die Ausdauer bewundern muss, welche er dabei bewies.

Unter Beobachtung einer sehr einfachen Diät und Lebensweise fing er bei völliger Gesundheit am 1. Juni 1838 die Wassercur in der Art an, dass er in den ersten Tagen Morgens ungefähr zwölf Unzen Wasser trank, wovon er ausser etwas Kältegefühl im Magen nichts weiter bemerkte. Allmälig wurde nun die Menge des Wassers so vermehrt, dass er täglich sechs bis acht Pfand zu sich nahm, und dabei noch täglich Bäder gebrauchte, die so eingerichtet waren, dass sie als Wellenbad, Tropfbad und Embrocation zugleich dienten. Nach vier Wochen lang fortgesetztem Gebrauche fühlte er, zumal Morgens und Abends, nach dem kalten Trunke ein Schaudern, das von der Magengegend anfangend, sich über den Rücken und dann über den ganzen Körper verbreitete. Dazu kam ranziges bitteres Aufstossen und ein grösstentheils kleiner, schneller, harter Puls, doch blieb Gr. die ganze Zeit hindurch heiter und ungetrübt. Diese Symptome dauerten fort, bis nach weiteren 14 Tagen sich jeden Morgen, von neun oder zehn Uhr an bis Nachmittags sechs Uhr, reichliche Schweisse einstellten, wobei sich der Verfasser zwar angegriffen fühlte, aber dieses Gefühl nicht Müdigkeit genannt wissen will. Der Puls wurde unregelmässig und veränderlich, und im Bade bekam er öfter Magendrücken (Cardiogmus), woran er früher nie litt. Dazu kam ein häufiger schleimiger Auswurf und dünne Stuhlgänge. Im Verlaufe des Monats Juli, wo die reichlichen Schweisse und Urinabgang mit den Diarrhöen fortdauerten, fing der Körper an abzumagern, was den August hindurch zunahm. Es stellten sich nun Colikschmeraen ein, eine wässerige Diarrhöe, bisweilen mit Stuhlzwang; häufig ranziges, bitteres Aufstossen; die Zunge wurde mit einem gelben Schleime überzogen, der Appetit war unterdrückt, es stellte sich Brechlust ein und der sehr reichlich abgehende Urin war so mit schleimigen Stoffen gesättigt, dass er schnell in Fäulniss überging und übel roch Die geringste Muskelbewegung veranlasste reichliche, wässerige Schweisse. Dazu kam ein fieberhafter Zustand, welcher Abends exacerbirte, besonders aber ein Gefühl von lästiger Wärme in der Nasen- und Augengegend, Funkensehen, unruhiger Schlaf mit schreckhaften Träumen u. s. w. Blieb Gritzner länger als fünf bis zehn Minuten im Bade, so erfolgte Schaudern, Hände und Gesicht wurden blau, in den Fingern stellte sich ein Gefühl von Taubheit ein, das Athmen wurde ängstlich u. s. w Vom Ende August an bis zur Mitte des Septembers litt er an ziehenden Schmerzen in der Nieren- und der Magengegend, mit einem Gefühl von brennender Wärme und Stuhlverstopfung. Obgleich Gr. nun so viel Wasser trank, dass es selbst wieder ausgebrochen wurde, so blieb doch der Stuhlgang unregelmässig, und zwar so, dass Verstopfung und wässerige Diarrhöe mit einander wechselten. Da aber gegen Ende des Septembers sich Husten einstellte, mit Blut gefärbter Schleim ausgeworfen wurde, das Fieberchen sich verschlimmerte, Schlaflosigkeit dumpfer, drückender Kopfschmerz, Funken vor den Augen, Ohrensausen, Respirationsbeschwerden u. s. w. hinzukamen, so fand Gr. für gut, die Cur allmälig abzubrechen, so dass er in der Mitte des Octobers nur noch kalte Waschungen vornahm und die Menge des zu trinkenden Wassers auf das Normalmass reducirte; dessen ungeachtet dauerten die Nachwehen dieses Versuches noch länger fort. Im Sommer 1839 setzte er die Versuche wieder fort, doch so, dass dabei das nöthige Mass nicht überschritten wurde, wobei er sich ganz wohl befand. Im Juni 1840 wollte er auch den Effect kennen lernen, welchen die Einwickelungen in wollene Tücher mit darauf folgendem kaltem Bade nach der Priessnitz'scheu Methode haben möchten; allein das dreimal wiederholte Experiment bekam ihm so außerordentlich schlecht, dass er davon ganz abzustehen sich genöthigt sah. - Es erhellet ans diesen Versuchen, dass die methodische innere und äussere Anwendung des kalten Wassers in Fällen, wo sie nicht passt, durchaus nicht so unschuldig und unschädlich ist, als Manche glauben, da sich Gesunde durch dieselbe krank machen können, und dass es Tadel verdient, wenn die Gesundheitspolicei Nichtärzten, die einer oder der andern Kaltwasserheilanstalt vorstehen, erlaubt, Kranke aller Art nach Belieben mit Wasser und Schwitzen, ohne Rath und Aufsicht eines Arztes zu behandeln. Wenigstens sollten die Stadt- und Kreisphysici stets Oberaufseher solcher Anstalten sein, und zwar um so mehr, da in jüngster Zeit an einigen Wasserheilanstalten Fälle vorgekommen, wo eine unmässige, zu anhaltend angewandte, oder gar unpassende Wassercur das Gehirn erweicht, die Kranken wahnsinnig gemacht und in's Irrenhaus geführt hat! -

Quelle: Encyclopädie der Volksmedicin, Georg Friedrich Most, Leipzig 1843, S. 604 - 624