S

Salix. Weide. Ein Zauber- und Unglücksgewächs. Zwei der verbreitetsten Arten sind auf Seite 55 abgebildet. Ophelia muss ihr junges Leben lassen, da der Weidenzweig bricht, nach welchem sie in ihrer Angst gegriffen:

Sie stieg hinauf, um ihre wilden Kränze
An den gesenkten Zweigen aufzuhängen;
Da brach ein falscher Ast, und niedersinken
Die rankenden Trophäen und sie selbst
In's weinende Gewässer . . . (Hamlet, A. 4, Sc. 7.)

Nach germanischem Glauben hielt sich im Weidicht der Todesgott Vidharr auf, und der von der Vehme Verurtheilte wurde mit einer Weidenruthe erdrosselt. In einem lithauischen Volkslied - abgedruckt bei Herder, "Stimmen der Völker" - klagt ein Mann den "Weidbaum" an, seinem Bruder jähen Untergang bereitet zu haben; wie Ophelia, hielt sich dieser an der schwanken Gerte fest. Vorzüglich in England ist die Weide das Symbol unglücklicher Liebe geworden. Wer dächte nicht an Desdemona's Lied von der Weide ? Ferner sagt Benedict zu Claudio ("Viel Lärm um Nichts", A. 2, Sc. 1) : "Nun, zum nächsten Weidenbaum, in euern eigenen Angelegenheiten, Graf. Auf welche Art wollt ihr euren Kranz tragen ? .. . Tragen müsst ihr ihn einmal, denn der Fürst hat eure Herrin gekapert." Die unglückliche Dido lässt Shakespeare dem absegelnden Aeneas mit einem Weidenzweig zuwinken ("Kaufmann von Venedig", A. 5, Sc. 1) :

. . In solcher Nacht
Stand Dido, in der Hand den Weidenzweig,
Am wilden Seegestad, dem Liebsten winkend
Zur Rückkehr nach Carthago [Karthago] . . .

Als der Bote Bona der Schwester des französischen Königs, die Meldung bringt, Heinrich habe sich mit Lady Grey vermählt, da ruft sie:

Sag' ihm, ich trüg' in Hoffnung, dass er bald
Ein Witwer werd', um ihn den Weidenkranz.
(Heinrich VI, III. Th . A. 3, Sc. 3.)

Von der so zeitig im Jahre erwachenden Weide werden die heimischen Palmkätzchen genommen, die in der Kirche geweiht, das Haus vor Blitz und Gewitter schützen und bei den verschiedensten Krankheiten angewendet werden. Selbst im aufgeklärtesten Hause findet man diesen Rest des Kräuterzaubers.

Salix, Weide

Fig. 11., Fig. 12.

Vielfach wird die Weide, wie Juniperus und Sambucus (s. d.), zum Wenden, d. i. Uebertragen (Transplantieren) von Krankheiten genommen. Darüber lässt sich schon Grimm in der deutschen Mythologie aus. Westendorp verzeichnet folgenden niederländischen Gebrauch: Wer vom kalten Fieber genesen will, gehe früh Morgens zu einem alten Weidenbaume; knüpfe 3 Knoten in einen Ast und spreche dazu:

goe morgen, olde,
ik geef on de Holde,
goe morgen, olde!

Dann kehre er um und laufe, ohne sich umzusehen, eilends fort.

Bei den Czechen [Tschechen] wendet man das Transplantieren folgendermassen an 26): Wer das Fieber hat, soll Abends zu einer alten Weide gehen, die am Wasser steht, und dort so lange bleiben, bis der Fieberanfall vorüber ist. Dann binde er etwas von sich an den Baum, und laufe, so schnell er kann, nach Hause; wogegen das Fieber an dem Baum hängen bleibt. Er kann aber auch einen hölzernen Keil in den Baum einschlagen und dabei rufen: "Da schlag ich dich ein, dass du nicht mehr auf mich kommst!" So wird er des Fiebers ebenfalls los ; nur darf er beim Nachhausegehen sich nicht melden, wenn ihn eine Stimme rufen sollte; und umsehen darf er sich ebenfalls nicht. Gemeinsam ist bei dieser seltsamen Therapie, dass der Patient Bewegung macht, bis er in Schweiss kommt. Das zu erreichen, wird die von P. Baumgarten aus Kremsmünster mitgetheilte Methode zweifellos geeignet sein : Man laufe 72 Mal um den Weidenstamm herum, und sage jedesmal

Wind dich, Widl, wind dich,
Fieba sand 72;
Dös Fieba, dös ih han,
Dös häng ih dran.

26) Pruckmayr : Med.-chir. Centralbl. XVI (1881), Nr. 27.

Gegen Blutwallungen stelle man sich zu Johannes auf einen Bretterboden, blicke auf einen grünbelaubten Baum und spreche folgenden Segen:

Ich steh' auf Holz und seh,' auf Holz,
Auf frische grüne Zweig',
Du heiliger Geist, ich bitte dich,
Hilf, dass das Sausen schweige!
Denn Niemand weiss es, was du weisst,
Wie mir zu Muth, o heil'ger Geist!

Auch Blut lässt sich durch Kraut und Beschwörung bannen. So Einer starkes Nasenbluten hat, nehme man eine Wurzel der Kornblume, rieche zu ihr und sage dazu :

Drei Brunnen stehn im Paradies,
Ihr Wasser ist wie Honig süss,
Der eine fliegst, der andre giesst,
Ein Blümchen ans den dritten spriesst -
Steh' still - wenn ich will!

Eine starke Blutung stillen die Teplitzer, indem sie einen Lappen mit dem frischen Blute in einen neuen irdenen Topf thun und mit "Kupferwasser" begiessen. Um die Wunde zu heilen, muss der Lappen täglich im fliessenden Wasser ausgewaschen und in dem Topf mit Eisenvitriollösung feucht gehalten werden. Nach der Vorstellung derselben Leute wird einem Jäger "der Schuss verkeilt", wenn man einen Lappen von seinen Kleidern mit einem Holzkeil vor Sonnenaufgang in einer hohlen Weide festmacht. So lange der Lappen nicht herunterfällt oder von dem Betreffenden aufgefunden wird, hat er keinen sicheren Schuss.

Nach Duftschmid werden in den oberösterreichischen Alpen die Speikwurzeln zum Transplantiren oder "Wenden" der Krankheiten benützt. Zu den Wendwurzeln werden mehrere Kräuter gerechnet: so Achillea Chiavennae, Geum reptans, Nardus stricta, Primula farinosa. Höfer in seinem etymologischen Wörterbuch berichtet vom "Schwund wenden" bei Mensch und Vieh Folgendes: Unter Schwund oder Schelm wird jede unbestimmte Krankheit verstanden. Man pflegt mit der Hand, einem Messerrücken oder Aermel den kranken Körper zu bestreichen, oft wird um ein Glied ein Faden gebunden, oft auch etwas in der Erde begraben. Dazu kommen Sprüche (davon "Ansprechen" der Krankheit). Das Fieber wird gewendet, indem man Körner säet und dazu spricht:

72 Fieber seint, ey ia !
Das, was ich han, bau' ich an,
Nehm's Vater, Nehm's Sohn etc.

Wenn der Same aufgeht, ist das Fieber verschwunden Probatum est! Verwandt ist im gewissen Sinne die Vorstellung, dass man den Alp beschäftigt, um sich von ihm nicht martern zu lassen. So sagt man in Teplitz (Laube):

Olp!
Bist geboren wie ä Kolb,
Musst sieben Wosser woden,
Musst sieben Beeme blöden (abblüten),
Musst sieben Karchen weichen (weihen),
Musst sieben Barche (Berge) steichen,
Musst sieben Thäler weiten,
Musst sieben Strossen schreiten ;
Derweile werd's Tag!

Auch versprach man dem Alp vor den Schlafengehen ein Stück neugebackenes Brot oder eine neugebackene Semmel. Kam nun jemand zufällig und forderte solches, so hatte er sich als Alpdrücker verrathen. Die zwingende Kraft eines Mittels wird sonst auch gerne durch ein Sprüchlein bestärkt. So hatte (nach der Grazer "Tagespost", 10. März 1897) der Sympathiedoctor Hieronymus Bodenwinkler, Schneider in Donnersbachwald, den Zaubersegen :

Auf meine Kraft musst du vertrau'n,
Därfst auf eig'ne Kraft nit bau'n,
Blitz, Gott, Donner, alle Heilig'n, '
Mög'n sich bei mein Werk betheilig'n.
Kriz, Kreuz, neb'nfal,
Hiaz sei dir g'holf'n und allenval.

Dabei fuhr der Schneider mit einer "Luchskrall" (Luchszehe) über's kranke Vieh, neun Mal hin und neun Mal her.

Von grösstem Interesse ist es, gerade beim Capitel "Wenden", wie an einem classischen Beispiel, die weite Verbreitung eines und desselben Völkerglaubens zu beobachten. Den lehrreichen Hinweisen Andrée's (1. c. p. 31 ff.) zufolge, wurden noch im vorigen Jahrhunderte in England bruchleidende Kinder durch gespaltene Eschen durchgezogen (Grimm, Deutsche Mythologie). Nach magdeburgischem Glauben wird ein krankes Kind geheilt, wenn es zwei Brüder durch einen von ihnen gespaltenen Kirschbaum durchziehen. In Wehlau (Provinz Preussen) sucht man, wenn Kranke die "Keile" (H ... nvergrösserung) haben, eine armsdicke Eiche im Walde, spaltet den Stamm und zieht das kranke Kind drei Mal durch den Spalt, der dann wieder verkeilt wird. Der Czeche sagt, wenn das Fieber kommt: Raufe dir ein Büschel Haare aus, reisse ein Stückchen vom Kleide ab, stecke die Sachen in das Loch einer weissen Weide und treibe einen Hagedornkeil hinein; so muss das Fieber aufhören. Wenn Krankheit in den Dörfern östlich vom Niassasee herrscht, so kriechen , die Neger unter einer gekrümmten Ruthe hindurch, deren beide Enden in die Erde gesteckt sind, waschen sich dort mit Medicin und vergraben diese sammt dem bösen Einfluss (Livingstone).

Wie noch in unseren Tagen an die besondere Macht der Weide geglaubt und sie geradezu als Wünschelruthe [Wünschelrute] (cf. Corylus Avellana) verwendet wird, geht aus folgendem, vom "Berliner Localanzeiger", 23. Februar 1898, mitgetheilten Falle hervor: "Im Dorfe Dreissigacker bei Meiningen mangelte es schon lange an Wasser. Bereits 1848 legte man einen zweiten Brunnen an; er genügte aber nicht, und so wurden im Laufe der 80er Jahre neue Bohrungen vorgenommen. Mit der zunehmenden Bevölkerung wuchs der Wassermangel wieder. Alle Bemühungen sachverständiger Geologen, die man zu Rathe zog, waren jetzt erfolglos. Von allen Seiten hiess es : " Hier ist eben absolut kein Wasser zu finden." Da wurde bekannt, dass in Ortschaften an der Rhön, die in Bezug auf das Trinkwasser noch schlimmer daran waren, Quellen mit Hilfe von Weidenruthen gesucht und gefunden worden waren. Erkundigungen bestätigten das Gerücht. Nunmehr machte man auch hier Versuche, und siehe da, die Wunderruthen zeigten, fast an der höchsten Stelle der Flur, zwölf Wasseradern.

Natürlich begegneten die Dörfler bei ihren Experimenten Sticheleien und argen Verspottungen. Sie liessen sich aber nicht irre machen. Und der Zufall sollte ihnen Recht gehen! Es wurde mit der Ausschachtung begonnen, und heute herrscht grosse Freude - in einer Tiefe von 6 1/2 m wurde die erste Ader mit genügendem Wasser vorgefunden. In ganz Dreissigacker glaubt man nun steif und fest an die Zauberkraft der Wünschelruthe."

***

Sambucus nigra. Hollunder. Der schirmende Hausgenosse vor des Bauern Wohnung. Bei Hans Sachs nennt eine Frau den Mann ihren "lieben Hollerstock", 27). Ein traulicher Strauch, bei dem man von wirklicher Freundschaft, ja Pietät des Menschen für ihn sprechen kann. Ueber den Namen Hollunder, Holler, ahd. holantar, holuntar, holandir, mhd. holunter, holenter, verkürzt holder, holler, sind verschiedene Ansichten geltend gemacht worden. Die Einen versuchen die Herleitung von Holder = Bruchholz und dar = Baum, Grimm lehnt Holunder an hohl an; es ist nämlich eines der besonderen Merkmale des Strauches, dass seine Aeste im Alter mit leichtem Mark angefüllt sind. Gleichsinnig äussert sich Perger: holantar, engl. the hollowtree, der hohle Baum, Hohl - ter. Unverwehrt bleibt aber, im Bestimmungsworte den Namen Frau Holla's zu erkennen, welche das Volksdenken mit dem Strauche in deutlichen Zusammenhang bringt. Schon in dem bekannten Kinderreime:

Ringel, Ringel, Reiha,
Sai ma uns'ra dreia,
Setz ma uns am Hollerbusch,
Mach ma alle husch, husch, husch!

zumal in der zweiten Strophe desselben, welche die Kleinen singen:

Sitzt 'ne Frau im Ringelein,
Mit sieben kleinen Kinderlein,
Was essens gern? Fischlein.
Was trinkens gern? Rothen Wein 28).

erkennen wir deutlich Frau Holla, die den ihr anvertrauten Menschchen Atzung bietet; diese selbst werden mit Vöglein verglichen, welche von Holla's Strauche auffliegen. Die Beziehung wird noch klarer, wenn man erwägt, dass Frau Holla junger Eheleute Schirmerin war und die Frommen mit Kindersegen beschenkte; merkwürdig ist diesbezüglich die Wiener Redensart: "Die Kinder vom Hollerbaum herabbeuteln", von neugeborenen Kindern. "Wenn man sich", meint Perger, "bei vielen Pflanzen nicht erklären kann, wie sie im Volke Bedeutung bekamen, so begreift man dies beim Hollunder wieder sehr leicht, indem der starke Duft seiner Blüten, seine Fülle von Früchten, sein leichtes Mark und seine im Vertrocknen hohl werdenden Zweige . . . mehr als genügend hinreichen, die Aufmerksamkeit zu erregen, abgesehen davon, dass man auch bald seine schweisstreibende Kraft kennen lernte, die sich in so vielen Krankheiten heilsam erwies, dass man ihn schon zur Zeit des Heidenthums als heilig betrachtete."

27) Grimm, Frauennamen aus Blumen.
28) Man vergleiche auch die Fassung bei J. P. Friedr. Richter, "Flegeljahre" (Stuttgart 1804-1805) Sämmtliche Werke, 21. Band. Berlin 1841, p. 245 :

Ringe, ringe, Reihe,
's sind der Kinder dreie,
Sitzen auf dem Holderbusch.
Schreien alle Musch, Musch, Musch!
Setzt euch nieder!
Es sitzt 'ne Frau im Ringelein,
Mit 7 kleinen Kindern.
Was essens gern? - Fischelein.
Was trinkens gern? - Rothen Wein.
Setzt euch nieder!

Robert B u r n s singt:

O, wär' mein Lieb' ein Holderstrauch,
Wie der, voll Blumen jeder Ast,
O, wär' ich selbst ein Vögelein!
Auf seinen Zweigen hielt ich Rast.

"Wie wollt' ich trauern, säh' ich ihn '
Entblättern des Novembers Weh'n!
Wie singen, sähe blühn'd und grün,
Ich wieder ihn im Lenze steh'n !

Unsere Vorfahren betrachteten den Strauch als die Wohnung des guten Hausgeistes, der Hollermutter oder Frau Ellhorn. Bei den Dänen schaut sie in der Dämmerung durch die Fenster und sieht, ob Alles im Hause in Ordnung ist. Bei den Letten wohnt der Gott Puschkait unter dem Baume, dem Brot und Bier hingestellt werden, und bei den Polen ist es der König der Zwerge Pikulik - jetzt heisst so das aus Hollundermark gefertigte Stehmännchen - der mit seinen Schaaren unter dem Baume haust. Nach der Vorstellung des galizischen Ruthenen hat dagegen der Gottseibeiuns unter der Wurzel des schwarzen Hollunders seinen gewöhnlichen Wohnort, was schon durch den Namen, Baznik-Biesnik, angedeutet wird. Daher darf man den Strauch nur Vormittags abhauen; wenn sich die Sonne zum Untergange neigt, ist unter der Wurzel schon Dämmerung eingetreten, während welcher der Teufel die grösste Macht hat. Erwähnenswert scheint mir, was der abenteuerliche Simplicissimus erzählt:

"Zuletzt nahm ich eine Pistol auf den Arm und band das Pferd an einen starken Holderstrauch" 29).

Für den Landmann ist der Hollunder eine wahre Hausapotheke. Wer Zahnweh hatte, begab sich mit einem Messer zum Hollunder und sprach drei Mal:

Liebe Frau Hölter,
Leih mir ein Spälter,
Den bring ich euch wieder.

Dann löste er ein Stück von der Rinde ab, schnitt sich einen Span aus dem Holze und ging nach Hause. Hier ritzte er mit dem Span das Zahnfleisch, bis derselbe blutig war, worauf er ihn in den Stamm wieder einfügte, um das Weh auf den Hollunder zu übertragen. Auch Fieber und Rothlauf können durch die Formel:

Zweig, ich biege dich,
Fieber, nun lass mich;
Hollerast, hebe dich auf,
Rothlauf, setz' dich drauf,
Ich hab' dich einen Tag
Hab's du nun Jahr und Tag.

auf das geduldige Holz übertragen werden 30). Nett ist, dass in Shakespeare's "Lustigen Weibern" (A. 2, Sc. 3) der Dr. Cajus als "Hollunderherz" apostrophiert [apostrophiert] wird.

Ein Verwandter des schwarzen Hollunders ist der Zwerghollunder oder Attich, Sambucus Ebulus, der früher, als kräftiges Rossmittel galt und daher bei keiner Burg fehlte. Noch heute wächst Attich auf dem Gemäuer der Burgruinen. Zieht der Tiroler Landmann vor "Frau Hasel" den Hut, so ist "Herr Attich" in Hochachtung beim Franzosen. Erkrankt dem Landmanne in der Montagne noire (Südfrankreich) Vieh oder verschlimmert sich ein Geschwür, dann sucht er Attich, Sambucus Ebulus, auf dem Felde, dreht ein Büschel davon in der Hand, macht eine Verbeugung und sagt: "Guten Morgen, Herr Attich, wenn du die Würmer nicht da wieder wegnimmst, so schneide ich dir die Füsse ab."

29) Grimmelshausen, 1. c. Bd. l, p. 253.
30) Wegen des Transplantierens der Krankheiten wären auch Juniperus und Salix zu vergleichen.

***

Scabiosa succisa. Teufelsabbiss. Der Wurzelstock sieht unten wie abgebissen aus. Der Teufel biss hinein, da er das Heilkraut dem Menschen nicht gönnte. Schützt gegen Teufel und Hexen. Wie Prätorius in der "Gestriegelten Rockenphilosophie" zu erzählen weiss, hat der Teufelsabbiss zu Johannis bis 12 Uhr Nachts ganze Wurzeln ; "ergo, so muss der Teufel in dem Moment, da die Mitternacht vorbei ist, gleichsam so schnell als der Blitz in der Erde, als eine Schermaus oder Maulwurf herumreiten und diese Wurzeln abfressen." - Ein "sympathetisches Mittel" : "Vom Teufelsabbiss nehme vier bis fünf Wurzeln, zerschneide sie, hänge die Stücke an einem Faden auf den blossen Hals. Sobald sie eintrocknen, werden die Augen besser. Hernach wirf die Wurzeln in fliessendes Wasser!"

***

Sempervivum tectorum, Hauswurz. War dem Donar gewidmet ("Donnerwurz", "Donnerbart") und wird, in deutlicher Erinnerung daran, noch heutigen Tages überall, wo Deutsche wohnen, auf Dächern gepflanzt. Karl 's des Grossen Capitulare de villis, das dem deutschen Landmann die Gewächse vorschreibt, die wegen ihres Nahrungs- oder Heilwertes zu pflanzen sind, verlangt ausdrücklich, dass jeder Bauer "Jovis barbam" als Mittel gegen den Blitz auf seinem Hause besitze. Französisch heisst das Kraut noch heute: "Barbe de Joves." In Galizien erkennt man die Häuser der deutschen Colonisten schon von weitem an der Hauswurz. Hauswurz legt sich nach Reiterer (l. c.) die steierische Bäuerin auf die Stirne, wenn sie Kopfweh hat. Allgemein bekannt. Speciell nur im Donnersbachthal traf dieser Gelehrte den Aberglauben: der Saft der Hauswurz, vermengt mit Gummi, rothem Arsenik und Alraun, gibt ein Arcanum, das, auf die Hand gestrichen, ermöglicht, glühendes Eisen anzufassen. Nach Neidhart l. c. gebraucht man den Saft der Hauswurz gegen aufgesprungene Lippen, gegen "Scherzen und Schrunden", daher auch "Scherzenkraut" genannt.

Als "unguentum grecum ad caput" ist in Pfeiffer's Arzneibuche aus dem 12. Jahrhundert ein interessantes Recept mitgetheilt, in dem "hûswurz" eine wichtige Rolle spielt; es lautet: "Rute mani palum I, hûswurz m. II, epphes m. V, folia lauri m. V, scozwurze (Artemisia abrotanum !) m. V. Disin allin solt du vil harte nuwen (conterrere) mit dem ezziche joch sîh in durch ein tnoch in ein êrin vaz. Daz selbe vaz solt dû begrabin in der erden niun tage unde solt ez vil vaste obenan betuon (verschliessen). Unde dar nâch solt dû ez biderbum (benützen). Nim ein cupher vaz oder ein hêrîniz vaz unde gûz ein mez oles dirzuo, daz andir des handigin ezzichis dar în unde begrabiz in der erde nûn tage, unde dar nâch, sô engrab sie unde biderbe sie ze allen den erzentin, sô dâ gesribin ist in dem arzinbuoche. Och is sin vile gût ze der wundun unde ze der houbitsweren."

***

Senecio vulgaris. Kreuzkraut. Diese Composite gilt, wie Erigeron acre (s. d.), als Berufskraut. Auch sie hat Früchtchen mit weissen Haarschöpfchen, die an den Bart eines winzigen Kobolds erinnern könnten. Daher auch der Name Senecio, d. i. Greisenkraut. Früher wurde es auch "Baldgreis", "Grimmenkraut" (weil es gegen das Grimmen im Leibe diente) und St. Jacobskraut genannt. Frank berichtet von seinen Kräften: "ist kalt, zer-theilet, ziehet die Wunden zusammen, curiret die Gallenkrankheit, gelbe Sucht, das Brechen und Blutspeyen, Hüftenwehe, den ........ der Weiber und tödtet die Würme. Aeusserlich dient es in Entzündung der Brüste, grindichten Köpfen, Kröpfen, Schmerzen des Magens, verhaltenen U . . ., Gichtschmerzen, Wunden und dergleichen. Man hat hievon ein destillirtes Wasser. Das Kraut hängt man in dreytägigen Fiebern an."

***

Soldanella alpina. Alpenglöckchen. "Beschreikräutel" in Bayern. Des Teufels Glockenblume heisst des Kräutchen im Salzburgischen; er wollte in ihm die Campanula nachahmen.

** *

Stachys recta. Gerader Ziest. Beschreikraut. Unger (1. c. p. 319) macht die flüchtige Bemerkung, dass ihm nicht bekannt sei, wie diese Pflanze "in's Geschrei kam, gegen das Verschreien wirksam zu sein" und erwähnt, dass das Kraut in manchen Gegenden Deutschlands zu abergläubischen Zwecken unter der Thürschwelle vergraben werde. Dagegen berichtet Carus Sterne (1. c. p. 429): "Der straffe Ziest ist eine berühmte Pflanze geworden, seit Leonhard Fuchs in ihm das erste oder herakleische Eisenkraut (Sideritis) des Dioscorides entdeckt zu haben glaubte, welches alle Eisenwunden schnell heilen, Glieder und Sehnen stärken und alle Gliedschmerzen und Geschwülste schnell vertreiben sollte . . . der straffe Ziest . . . führt noch jetzt in den Apotheken den Namen Herba Sideritidis. Ehemals führten die Soldaten und Gladiatoren das angeblich von Herakles, dem Gotte warmer Heilbäder, entdeckte Wundkraut bei sich. Im Mittelalter rechnete man die plötzlich auftretenden Gliederschmerzen, den sogenannten Fluss (Gicht und Rheumatismus), sowie Lähmungen, andauernde Schwäche u. s.w. zu den Krankheiten, welche dämonischer Natur seien und durch den "bösen Blick", Beschreien der Kinder u.s.w. angehext werden könnten, und nannte daher das in Form von Bädern, Waschungen und Räucherungen zum Vertreiben der unnatürlichen Krankheit gebrauchte Bad- oder Gliedkraut auch Abnehmkraut, Beruf- oder Beschreikraut. Das abergläubische Volk trug den Ziest in der Tasche oder vergrub ihn unter der Thürschwelle, um die bösen Einflüsse vom Hause fernzuhalten. Und wie die Weiber nicht in den Tempel des Herakles eintreten durften, so nützt nach Wiener Glauben sein Kraut - dort Rheumatischkraut genannt - nur den Männern, die Frauen müssen bei gleichen Leiden Marienbettstroh (Galium) anwenden. Von diesem verbreiteten Gebrauche zu Bädern und Waschungen, namentlich auch bei der sogenannten "englischen Krankheit" der Kinder, rührt wahrscheinlich der Name Ziest her, der aus dem Slavischen zu stammen scheint. Im Böhmischen heisst die Pflanze nämlich cistec, was unmittelbar mit cistiti, reinigen und cisto, rein, zusammenzuhängen scheint."

Quelle: Zauberpflanzen und Amulette, Dr. E. M. Kronfeld, Wien 1898, S. 54ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Gabriele U., Juni 2005.
© www.SAGEN.at