Gottes Hand und die Teufelsbratze [Brunelle]
Die beliebte Brunelle hat zwei handförmige Wurzeln, die wird Teufelsbratze genannt. Wenn zwei, die sich einander versprachen, den Bund recht kräftig machen wollen, nahmen sie dieses Blümchen und riefen es zum zeugen ihrer Treue an.
Da war auch einmal ein Bursche, der hätte gerne ein Mädchen geheiratet. Und das Kind war schön wie der Frühling, und in seinem Goldhaare hatte es, solange die Blume blühte, eine Brunelle stecken. Das Mädchen sagte nicht neun, und so gaben sie sich das Versprechen, einander anzugehören. Und sie schwuren einen heiligen Eid, ihre Treue nimmer zu brechen, und riefen die Brunelle zur Zeugschaft an. Der Bursche mußte aber fort und vergaß in fremden Lande des Eides; er wurde untreu. Kaum hatte das Mägdelein die Untreue ihres Verlobten in Erfahrung gebracht, als es auch vor Kummer und Leid hinzusiechen begann. Nach etlichen Wochen war es eine Leiche. Zur immerwährenden Erinnerung an diesen Eidbruch ließ der Herrgott der Braunelle, die zwei handförmigen Wurzel wachsen, die eine weiß wie Schnee, die anderer schwarz wie Kohle. Die weiße ist die Hand des treuen Mädchens, sie schwarze dagegen die treulose Hand des Burschen. (Strengen.)
Quelle: Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, gesammelt und herausgegeben von Johann Adolf Heyl, Brixen 1897, Nr. 36, Seite 32.