Die Freilassung der Schwazer Schachte
Die Knappen waren ein mutiges, aber auch kühnes Völkchen, das sich in Schwaz gesammelt hatte und gar bald auch zu einer Macht geworden war, welche sich gegen den Landesherrn auflehnte und ihm mehr als einmal gefährlich zu werden drohte. Die vielen Sachsen hatten aus ihrer Heimat die Gedanken der Reformation und der neuen Lehre mitgebracht, welche überall empfänglichen Boden fanden und eine Gährung hervorriefen, die zum offenen Aufstand führte. Tirol hatte 1525 ebenfalls seinen Bauernkrieg und seine Wiedertäuferstürme, wie Deutschland sie gehabt, und auch der Ausgang war der gleiche, wie er dort gewesen. Blutige Gewalt warf die Empörer nieder und was sie nicht bezwang, das bändigten die dazu ins Land gerufenen Jesuiten. Die Knappen unterwarfen sich auf der Milser Haide, - viele von den fremden mögen auch das unheimlich still gewordene Land freiwillig wieder verlassen haben.
Eine Mitursache des letztern Umstandes, der sicherlich viele der tüchtigsten Kräfte fort führte, war gewiss auch, dass bereits um diese Zeit der so reichhaltige Bergsegen sich zu vermindern begann. Derselbe sank von da an immer mehr und mehr und immer rascher, so dass zu Anfang des vorigen Jahrhunderts der Ertrag an Silber schon auf etwa zweitausend Mark, jener an Kupfer auf achthundert Zentner herabgeschmolzen war. Lange hoffte man auf Besserung - umsonst, die seltsame Erscheinung, wenn auch unerklärt, blieb Tatsache und vor fünfzig Jahren erfolgte die völlige Freilassung der Schachte.
Die Sage allein weiß das rätselhafte Vorkommnis zu erklären:
Sie erzählt, die Knappen seien wegen ihres Reichtums so übermütig geworden, dass sie zu dem Gottesdienst, den sie täglich vor der Einfahrt besuchten, sich nicht mehr mit der gewöhnlichen erzenen Glocke begnügten, sondern eine andere aus gediegenem Silber begehrten. Die Silberglocke ward gegossen und aufgehängt, aber als die Knappen nach dem ersten Läuten derselben in die Schachte einfuhren, waren die Gänge leer geworden und ihre Fäusteln trafen nur auf taubes Gestein. Da zogen, wie ein Tiroler Schriftsteller sagt, die Fremden fort, schwer mit Schätzen beladen; die Einheimischen, mit Ausnahme der Grafen Tannenberg, zeigten dem verarmten Schwaz den Rücken und nur das Knappenvolk blieb zurück, seines lockeren Lebens wegen ohne Ersparnis, ohne Kenntnis eines anderen Erwerbes und darum verarmt.
Zu diesem Übel kamen Pest, wiederholte Überschwemmungen und Erdbeben und im großen Tiroleraufstand von Anno neun ein ungeheurer Brand, indem die Bayern sich in der Nähe mit einer kleinen Anzahl österreichischer Truppen schlugen und in den Markt eindringend, denselben, um ein Exempel zu statuieren, in Brand steckten und zum größten Teile einäscherten.
Quelle: Hermann von Schmid, Das Unterinntal, Schwaz und Hall, in: Wanderungen durch Tirol und Vorarlberg, geschildert von Ludwig von Hörmann, Hermann von Schmid, Ludwig Steub, Karl von Seyffertitz, Iganz Zingerle, Stuttgart 1878, S. 31 - 32.