Der Friedhof auf dem Kahlenberg
© Harald Hartmann
Der Friedhof auf dem Kahlenberg © Harald Hartmann

Der Friedhof auf dem Kahlenberg
© Harald Hartmann, September 2005

Größer könnte der Unterschied zu einer anderen Wiener Sehenswürdigkeit, dem Friedhof der Namenlosen nicht sein: Liegt dieser am tiefsten Punkt Wiens (160 m), so ist jener an einem der höchsten (415 m); Schmücken bei diesem nur schlichte Kreuze die Gräber, so stehen auf jenem prächtige Monumente; ist dieser von Damm und Mauer umfriedet, so liegt jener nur von einem Holzzaun umgeben inmitten des Waldes; Überkommen einem auf diesem schwere Gedanken, so strahlt jener freundliche Ruhe aus.

Friedhof auf dem Kahlenberg © Harald Hartmann

Der Friedhof auf dem Kahlenberg
© Harald Hartmann, September 2005

Mausoleum der Familie Finsterle © Harald Hartmann

Mausoleum der Familie Finsterle
© Harald Hartmann, September 2005

Auf dem Kahlenberg liegt das Josefsdorf. Einstmals lebten hier Camaldulenser-Mönche, die auf dem Berg ein Kloster errichteten. Aus diesen Mönchshäusern entstand das Dorf. Heute noch leben abseits des Touristenrummels und der Querelen um die dortigen Gastronomiebetriebe einige Menschen dort oben am Berg.
1783 wurde unterhalb des Dorfes der Friedhof angelegt. Er liegt mitten im Wald an der Kahlenbergerstrasse. Einige der Biedermeiergräber sind noch schön erhalten. So das neugotische Mausoleum der Familie Finsterle und das Grab des Fürsten von Ligne aus dem Jahr 1814 (von ihm soll der Spruch stammen: "Der Kongress tanzt, aber er geht nicht weiter" - "Le congres danse beaucoup, mais il ne marche pas"). Ein Jahr später trug man hier die schönste Wienerin, Karoline Traunwieser zu Grabe. Leider geht die Zeit und auch die Dummheit mancher Mitmenschen nicht spurlos an dem Friedhof vorüber.

Friedhof auf dem Kahlenberg © Harald Hartmann

Spuren der Dummheit mancher Mitmenschen
Friedhof auf dem Kahlenberg
© Harald Hartmann, September 2005

Grab des Fürsten von Ligne und seiner Frau  © Harald Hartmann

Grab des Fürsten von Ligne "Prinz de Ligne" und seiner Gattin Franziska
© Harald Hartmann, September 2005

Grab des Fürsten von Ligne © Harald Hartmann

Grab des Fürsten von Ligne
© Harald Hartmann, September 2005

Heute hat selbst die Gemeinde Wien großes Interesse an diesem Biedermeierdenkmal. Der Friedhof ist aber im Besitz des Stifts Klosterneuburg und dieses veräußert keinen Besitz ohne absolute wirtschaftliche Notwendigkeit. Mönche vom Orden der Ressurektionisten, die die Kirche am Kahlenberg heute betreuen, bestatten heute noch ihre Mitbrüder auf dem Kahlenberger Friedhof. Die letzte bekannte Person der Gegenwart, die hier begraben wurde, war 1992 Prälat Leopold Ungar, Präsident der österreichischen Caritas. Auch er wohnte auf dem Kahlenberg. Das letzte Begräbnis fand hier 2003 statt.

letztes Begräbnis Kahlenberg © Harald Hartmann

letztes Begräbnis am Friedhof auf dem Kahlenberg
© Harald Hartmann, September 2005

Josefsdorfer Waldfriedhof © Harald Hartmann

Josefsdorfer Waldfriedhof
Harald Hartmann, September 2005


Karoline Traunwieser (1794 - 1815)
("Das schönste Mädchen zur Zeit des Wiener Kongresses" (1815)

"Auf einem Balle (am 18.2.1811) bemerkte ich in einem Teile des Tanzsaales (im "Römischen Kaiser" in der Kärntnerstrasse) ein besonderes Gedränge. Ich drängte mich ebenfalls hin und war das erste und einzige Mal in meinem Leben von einer wirklich himmlischen Schönheit ergriffen, wie nie vorher und seitdem. Es war Fräulein Traunwieser, die schönere Tochter der Besitzerin des Kahlenberges (Josefsdorfes), einer in ihrer Jugend auch sehr schönen Frau (Anspielung auf das Horazwort: O Tochter, die du noch schöner bist als deine Mutter. Oden I 16). Lottchen war unstreitig die größte Schönheit Wiens. Eine Peri (wunderschöne persische Fee),wie ich sie nur geträumt, nie gesehen hatte. Ich kann die Empfindung des reinsten ästhetischen Gefühls, womit mich ihre Schönheit am Boden festzauberte, nur mit der vergleichen, womit ich zu Paris vor dem Apollon vom Belvedere festgewurzelt stand. Mir ward, als strömte sie magnetisches Licht aus, dessen Fluten über meinem Haupte zusammenschlugen. Ich fand damals keine Worte, meine Empfindung auszudrücken und finde sie auch heute nicht. Ich war im eigentlichen Sinne smitten with love (außer mir vor Liebe). Lotte war auch eine vortreffliche Sängerin."

Karoline Traunwieser © Harald Hartmann

Grab von Karoline Traunwieser
© Harald Hartmann, September 2005

So schildert der große österreichische Orientalist Josef Frh. v. Hammer-Purgstall (1774 - 1890), der Gründer der Akademie der Wissenschaften (1847), sein erstes Zusammentreffen als 37jähriger mit der 17jährigen Karoline (Lottchen) in seinen ungedruckten "Erinnerungen" (im Besitze der Akademie der Wissenschaften). Karoline begegnete dem Gelehrten freundlich; aber nicht mehr, auch dann nicht, als er ihr die Übersetzung der Sonette Spencers widmete (Privatdruck von 100 Stück, Wien 1814, Buchhandelsausgabe 1816). In der von Spencer besungenen Schönen, die "schöner war als die Schönsten" (fairer of the fairest) sah er Karoline vor sich.

Als Hammers Freund Ernst Frh. v. Malsburg, hessischer Gesandtschaftssekretär und Calderonübersetzer in unerwiderter Liebe zu Karoline entbrannte veranlasste ihn Hammer zu einer Nachdichtung der persischen Sage von Anahids Verklärung zum Morgenstern (erschienen mit einer "Weihe an Josef v. Hammer" in Malsburgs "Gedichten", Leipzig 1821, S. 171-242, 1920 dreihebige Jamben).

Anahid war die schönste und tugendhafteste der Menschentöchter, mit herrlichem Gesange begabt. Aber Ihr Sinn strebte nur nach Himmlischem. Umgekehrt lockte ihre Schönheit zwei Engel, Harut und Marut, aus dem Himmel auf Erden. Die Erlaubnis zur Erdenfahrt bekamen die Engel nur unter der Bedingung, dass sie schwuren als Menschen auf Erden zu wandeln, Anahid nicht in irdischer Liebe zu nahen und das Zauberwort für die Rückkehr in den Himmel nicht zu verraten. Sie verliebten sich rasend in Anahid und sagten ihr das Zauberwort, vergaßen es aber zur Strafe auf der Stelle. Anahid stieg mit dem Zauberwort in den Himmel auf, wo sie als Morgenstern den Reigen der Gestirne anführt. Ihr Saitenspiel tönt als Sphärenmusik hernieder. Harut und Marut wurden von einer Windsbraut in einen tiefen Brunnen Babylons entführt, wo sie mit dem Kopf nach unten hängen und Anahid nur dann im Wasser als Spiegelbild sehen, wenn der Morgenstern über den Brunnen zieht. (Sage aus Persien).

Karoline schenkte ihre Liebe dem in Wien dienenden französischen Oberst (?)Rameaf. Dieser fiel beim Rückzuge Napoleons aus Moskau im November 1812 an der Beresina. Zweieinhalb Jahre später starb Karoline an Lungenschwindsucht am 8.3.1815, drei Monate nach dem Fürsten de Ligne, gleichfalls Verehrer ihrer Schönheit und auf dem Kahlenberge in einem Sommerhäuschen Mieter und Nachfolger ihrer Mutter und deshalb ebenso wie Karoline auf dem Kahlenberge begraben. Daß Karoline in Fieberträumen ihrem vermeintlich heimkehrenden Verlobten entgegengegangen und in der Winterkälte erfroren sei, ist eine Sage. Nach dem Totenbuche der Stadt Wien starb sie in der Stadtwohnung ihrer verwitweten Mutter Josefa (ihr Vater hieß Johann Michael) in der Kärntnerstrasse Nr. 5. Leider ist kein Bild Karolines erhalten.

Der obere Teil der Grabinschrift (Distichen) stammt von Joris, dem Lotte gleichfalls verehrenden Vizedirektor der Wiener Porzellanfabrik.

Die englische Zeile in der Mitte (Ye that ever lost an angel pely me) bedeutet: "Ihr, die ihr jemals einen Engel verloren habt, bemitleidet mich!" und ist von Edward Young (1682-1765), einen geistreichen Lyriker, der seinen Schmerz über den Verlust seiner Frau und seiner beiden Kinder in seiner Dichtung ausklingen ließ.
Den unteren Teil hat Hammer Purgstall während der "Exequien" in der Kahlenbergkirche" gedichtet ("Erinnerungen"). Die Wendung "Der Schönsten schönere" stammt von Spencer.

Die Leier und der Kranz am Giebel des Steines deuten auf die Sangeskunst Karolinen.

Dar Stein wurde von der Hammer-Purgstall-Gesellschaft mit Unterstützung des Bundesministeriums für Unterricht in Granit erneuert, da der alte Lithographenstein unleserlich geworden war (jetzt im Museum der Stadt Wien). Die Inschrift konnte wieder hergestellt werden, weil sie Hammer-Purgstall in Sartoris "Mahlerischem Tagebuch" (Wien 1817, 177) veröffentlicht hat.

Zum Ganzen vgl. Dr. Erwin Mehl "Hammer Purgstall in Weidling" in den "Klosterneuburger Nachrichten" vom 23. und 30. Mai, 6. Juni und 27. Juli 1959 und im "Führer durch die Hammer-Purgstall-Gedenkstätten in Klosterneuburg-Weidling", Verlag des Kulturreferates der Stadt Klosterneuburg, 1959, Seite 19)

Grab des Stephan Ziegler © Harald Hartmann

Grab des Stephan Ziegler
© Harald Hartmann, September 2005

Grabinschrift Stephan Ziegler © Harald Hartmann

Grab des Stephan Ziegler
"Hier ruhet Herr Stephan Ziegler geb. zu Krems den
26. Dezember anno 1768 gest. in Wien den 27. März 1832
Uns die theure Urne schlingt der Glaube
Schlingt die Lieb und Hoffnung sich.
Nur der niedre Staub verfällt dem Staube,
Doch der Hell lebt ewiglich.
Wo der Born des Lebens quillt,
Kurzer Trennung Schmerz vergilbt. "
© Harald Hartmann, September 2005

Grab Martin Beuerl © Harald Hartmann

Grab des Martin Beuerl
"Hier ligt begraben
Martin Beuerl
Bürger und Schiff-
meister von Regen-
spurg so den 21. Sept.
1706 unglücklich in
den Wirbl ertrun-
cken seinesalters
im 34. Jahr"
© Harald Hartmann, September 2005

Quelle: © Harald Hartmann, September 2005