In der Christnacht
In der Christnacht redet das Vieh im Stall. Darum darf sich bis zur Heiligen Mette kein Knecht in den Stall legen.

In einem Bauernhause war einmal ein Ochse krank, dem der Vieharzt nicht helfen konnte. In der folgenden Mettennacht hörte der Knecht den kranken Ochsen sagen, wenn man das Heu im Stadel zerschmisse, würde man eine Einhagenwurzel (Carlina Acaulis L.) darunter finden. Gäbe man die ihm zu fressen, so würde er wieder gesund werden. Man fand die Einhagenwurzel, gab sie dem kranken Ochsen zu fressen und er wurde wieder in der Tat alsbald gesund.

Einstmals versteckte sich ein Pferdeknecht in der heiligen Nacht unter dem Futterbarn, um zu losen, was seine Pferde sprächen. Da hörte er zu seinem Schreck, wie seine Pferde einander erzählten, daß sie ihn im nächsten Jahre in den Gottesacker ziehen werden.

In der heiligen Nacht geht das Mädchen in den Hausgarten und macht den Zaun entlang drei Schritte. Beim dritten Schritt faßt es den nächsten Zaunstecken und bindet ihm ein Band um. Am Morgen wird gesehen, wie der Pfahl aussieht. Ist er verkrüppelt, so wird das Mädchen einen buckligen Mann bekommen. Ist der Zaunstecken aber schön gerade, so wird der Zukünftige ein hübscher Bursche sein.


In der Christnacht füllt man 12 halbe Eier- oder Zwiebelschalen mit Salz und legt in jede Schale ein Zettelchen mit dem Namen eines Monats. Wenn die Leute aus der Mette kommen, sehen sie nach, in welchen Schalen das Salz mehr oder weniger feucht geworden ist, denn das zeigt an, welche Monate mehr oder weniger regnerisch sein werden.
Zu Weihnachten soll man neunerlei Kletzenbrot essen: dann bleibt man gesund oder wird so stark, daß man neun Fuhren Heu bergauf rechen kann oder heiratet im nächsten Jahre.

Von allem, was man am heiligen Abend ißt, tue man ein Weniges in eine Nußschale und lege dieselbe beim Schlafengehen unter das Haupte. Was man dann träumt, wird im nächsten Jahr wahr. Überhaupt sagt man, was man in der heiligen Nacht träume, werde wahr. In der heiligen Nacht soll der Jäger auf einem Kreuzwege alle seine Gewehre ausschießen. Von 11 bis 12 Uhr fliegen alle Hexen herum und da kann man sie mit gewissen Kugeln erschießen.

Während der Mette (nach anderen von 11 bis 12 Uhr) können alle Tiere reden. Da stecken sie die Köpfe zusammen und teilen einander mit, was sie während des ganzen Jahres erduldet haben und was sie im zukünftigen Jahr erwarten. Viele Bauern wagen es nicht, in dieser Nacht die Tiere zu verwenden, um ihre einzige Freude nicht zu stören, mit der sie Gott für die Last des ganzen Jahres entschädige.

In Grünau an der Pielach sagt man: Zu der Christnacht von 11 bis 12 Uhr können die Ochsen reden, weil sie auch bei der Krippe Jesu standen.

Während der Mette (nach anderen von 11 bis 12 Uhr) geben alle Brunnen Wein. Aber wer solchen zu schöpfen wagt, dem haut ein spukhafter schwarzer Mann eine Watschen ins Gesicht.

Ein mutiger Mann ging Punkt zwölf Uhr nachts mit einem Kruge zum Hofbrunnen hinaus, schöpfte und sprach: „Ich hab g'hört: In der Christnacht wird Wasser zu Wein." Da sagte eine Stimme hinter ihm: „Und ich hab g'hört: dein Kopf g'hört mein!" Dabei wurde ihm von unsichtbarer Hand der Kopf abgerissen.

In den Rauhnächten, vornehmlich in der Mettennacht, steigen verborgene Schätze aus der Tiefe empor. In der Mette kann man mit Hilfe gewisser Zaubermittel die Hexen, die Bergmandel und andere geisterhafte Wesen sehen. Doch ist das ein Wagnis.

Quelle: Sagenreise ins Pielachtal, Sagen, Erzählungen, Geschichten - aus dem reichen Sagenschatz des Pater Willibald Leeb. Zusammengestellt und herausgegeben von der Arbeitsgruppe Heimatforschung im Verein für Dorferneuerung in Hofstetten und Grünau. Text: ca 1900.
Von Gerhard Hager, Verein für Dorferneuerung, 3202 Hofstetten-Grünau, freundlicherweise für SAGEN.at zur Verfügung gestellt.