Die Eule

In schwülen Sommernächten ertönt von manchem Dachfirste der beängstigende Ruf: „Hohu - huhu!" Das ist
der Ruf des Totenwichtels (Käuzchens), der verkündet, daß eines aus dem Hause sterben muß. Dann gehen die Leute des Hauses wochenlang kleinlaut und kopfhängerisch herum. Trifft aber die Totenankündigung nicht ein, so heißt es halt: „ S' Wichtel hat sich verflogen!" Man meint damit, es habe das Haus verfehlt, weil just aus einem anderen Hause eines verstorben ist. Schreit das Wichtel auf dem Kirchendach, so hat die Gemeinde einen bösen Pfarrer.

Setzt es sich auf das Feuerwehrdepot, so droht dem Orte Krieg oder Brand. Ruht es im Fluge, so soll man zu ihm nicht emporschauen.

Das Wichtel gilt wie die Schwalbe - letztere auch Marienvogel genannt - als geweihtes Tier. Wer sich an demselben vergreift, den trifft die Strafe des Himmels.So erblindete tatsächlich ein glaubenloser Fleischhauer, weil er Wichtel vom Dache geschossen hatte.

Wenn der Waldkauz, das Wichtel, die Steineule, der Uhu (Auf) vor dem Fenster schreit, so stirbt bald jemand im Hause. Darum wird die Eule auch Totenvogel genannt. Wenn eine Eule über ein Haus fliegt und schreit: „Kuwitt!", so meinen die Leute, sie sagt: „Komm mit!".
Der Schleierkauz wird lebendig (?) an das Scheunentor genagelt, damit der Blitz nicht ins Haus schlage.


Quelle: Sagenreise ins Pielachtal, Sagen, Erzählungen, Geschichten - aus dem reichen Sagenschatz des Pater Willibald Leeb. Zusammengestellt und herausgegeben von der Arbeitsgruppe Heimatforschung im Verein für Dorferneuerung in Hofstetten und Grünau. Text: ca 1900.
Von Gerhard Hager, Verein für Dorferneuerung, 3202 Hofstetten-Grünau, freundlicherweise für SAGEN.at zur Verfügung gestellt.