Die Aufschließung der Nickelerzlagerstätten in Neukaledonien - Teil 2
Von Direktor G[ustav]. Dieterich, Chemnitz.
(Vorgetragen auf der 48sten Hauptversammlung des Vereines deutscher Ingenieure 1907)
Die Aufschließung der Nickelerzlagerstätten in Neukaledonien - Teil 1
Die Aufschließung der Nickelerzlagerstätten in Neukaledonien - Teil 2
Die Aufschließung der Nickelerzlagerstätten in Neukaledonien - Teil 3
Die Aufschließung der Nickelerzlagerstätten in Neukaledonien - Teil 4
Fig. 11.
Die Bahnen nach den Bornet-Gruben
Fig. 11. b.
Der selbe Kartenausschnitt in Google Maps. Die im Jahr 1907 beschriebenen Anlagen, Verladevorrichtungen am Meer und Bergwerke sind bei Zoom in die Karte gut zu erkennen.
Mit einer einfachen Drahtseilbahn zwischen der Endstation der Eisenbahn und einem Punkte der Gruben war aber eigentlich noch wenig gewonnen; denn die ohnehin sehr versprengten Erznester verteilen sich auf die verschiedenen Höhenlagen des Gebirges. Daraus ergibt sich nun aber wieder, dass die Menge, die aus einer einzigen Fundstelle: einem Neste, herauszufördern ist, sehr gering ist, dass es also nicht angängig wäre, etwa von sämtlichen kleineren Gruben aus einzelne Drahtseilbahnen mit ununterbrochenem Betriebe zu führen. Man ließ vielmehr auch hier wieder eine Teilung der Betriebsmittel eintreten, in der Weise, dass man von einem möglichst zentral gelegenen Punkt innerhalb des Gebietes die Hauptdrahtseilbahn mit ununterbrochener Förderung nach der Eisenbahn hinunterführte, dieser Drahtseilbahn aber wieder durch strahlenförmig abzweigende Einzelbahnen, Fig. 11, einfacherer Konstruktion, durch Seilriesen mit hin- und hergehendem Betrieb, Fig. 12 und 13, die Erze aus den einzelnen kleinen Gruben zuführte. Auf der Hochebene der Bornet-Gruben vereinigen sich so sechs einzelne Seilriesen an einem Punkte, die ihre Lasten in einen gemeinsamen Rumpf der Beladestation der Hauptseilbahn abgeben, Fig. 12 und 13. Auf diese Art kommen täglich ungefähr 120 t an der Beladestation der Bornets-Gruben zur Versendung. Eingeschaltet kann hier werden, dass in diesem Gebiete der Bornet-Gruben ungefähr 200 bis 250 Arbeiter beschäftigt , sind, dass also, wie sich aus einem Vergleich ergibt, die tägliche Leistung des einzelnen Arbeiters mit ½ t Erz ziemlich gering ist. Es rührt dies hauptsächlich daher, dass die Erze an Ort und Stelle möglichst sorgfältig ausgeklaubt und dass sie aus den oberen kleineren Nestern in Säcken nach der Zentralstation der Bornet-Gruben befördert werden müssen. Es stellt sich also die Tonne Erz allein an Arbeitslohn auf etwa 10 bis 11 frs, und da in 1 t Erz etwa 50 bis 55 kg Metall enthalten sind, fallen auf 1 kg Metall allein etwa 20 Centimes Lohn für das bergmännische Gewinnen der Erze.
Fig. 12.
Seilriese zum Befördern hochhaltiger Erze in Säcken
Fig. 13.
Seilriesen von der oberen Hochebene der Bornet-Gruben nach dem Sammelrumpf über der Beladestation der Hauptdrahtseilbahn
Der mechanische Transport von den Endpunkten sowohl der Drahtseilriesen nach der Zentralbeladestation der Bornet-Gruben, als auch von da nach der Eisenbahn erfordert nur eine ganz geringe Arbeiterzahl. Für die Bedienung der Hauptdrahtseilbahn sind im ganzen nur 4 Mann, für die der einzelnen Seilriesen alles in allem etwa 20 Mann nötig, so dass sich die ganze Bedienungsmannschaft für die große Seilförderung auf rd. 24 Personen beläuft.
Die Seilriesen haben Einzellängen von 300 bis 1000 m. Die aus den Nestern gewonnenen Erze werden an Ort und Stelle verpackt und die Säcke auf verschiebbaren Feldbahngleisen vom Fundort nach den Riesen gefahren.
Fig. 14.
Beladestation der Hauptdrahtseilbahn in den Bornet-Gruben
Fig. 15.
Drahtseilbahnstrecke im Gebirge
Fig. 16.
Entladestation der Drahtseilbahn und der oberen Station der Eisenbahn vom Bornet-Plateau nach Thio
Die Hauptdrahtseilbahn, Fig. 14 bis 16, hat ganz bedeutende Geländeschwierigkeiten zu überwinden; u. a. kommt, wie schon erwähnt, eine Spannweite von annähernd ¾ km vor, während der gesamte Höhenunterschied etwa 200 m beträgt. Rücktransport kommt auf der Drahtseilbahn nur in ganz geringem Maß in Frage, nur soweit es sich um Grubenbaumaterialien handelt, so dass die Bahn als Bremsbahn betrieben werden kann; d. h. sie bedarf keines besondern Antriebes, sondern das Gewicht der niedergehenden Erze hält sie in dauerndem Betrieb. Die Geschwindigkeit von 2,5 m/sk wird durch selbsttätige Bremsen geregelt.
Die Entladestation der Drahtseilbahn ist eine große Füllrumpfanlage, die bei einem Inhalt von 175 cbm genügt, um 250 t Erz aufzunehmen.
Die eingleisige Eisenbahn schließt unmittelbar an diese Rumpfanlage an, so dass ihre Wagen ohne weiteres aus Schurren der Rümpfe gefüllt werden können. Die Eisenbahnwagen, von denen durchschnittlich etwa 15 zu einem Zuge vereinigt werden, sind eiserne Wagen mit Bodenentleerung; sie enthalten je 3 cbm gleich 4 t Erz. Es haben demnach an jedem Tage 2 Züge nach unten zu verkehren. Natürlich ist die Fahrgeschwindigkeit auf der etwa 12 km langen Eisenbahn ziemlich gering, etwa 15 bis 18 km/st. Ein täglicher Zugverkehr von 2 Zügen zwischen dem Hafen von Thio und den Bornet-Gruben genügt vollkommen. Die Bahn ist eine Schmalspurbahn von 1 m Spurweite und hat, wie schon erwähnt, auf der ganzen Länge nur 25 m Gefälle.
Etwas westlich vom Hafen bei Thio zweigt eine Eisenbahn von ungefähr 4 km Länge nach der Thio-Hochebene, Fig. 4, ab, woselbst sich eine ganz ähnliche, wenn auch kleinere Grube wie bei Bornet befindet. Diese Grube liefert täglich nur ungefähr 10t Erz, nachdem ihr Betrieb eine Zeit lang geruht hatte; sie liegt verhältnismäßig geschlossen, anderseits aber auch in einer Höhe von 300 m und ist ebenfalls mit Hülfe einer Drahtseilbahn an die Endstation der Eisenbahn angeschlossen. Diese Drahtseilbahn, gleichfalls Bleichertscher Bauart, wird bei der außerordentlich geringen täglichen Leistung als hin- und hergehende Bahn betrieben.
Von größter Wichtigkeit war die Schiffsverladung und die Anlage einer Erzsammelstelle bei Thio selbst, unmittelbar am Meer.
Fig. 17.
Alte Erzhalde bei Thio und Landungssteg zum Beladen der Schuten
Ursprünglich bestand die ganze Sammelstelle aus einer großen Erzhalde, auf welche die Züge mit Hülfe von verlegbaren Gleisen hinauffuhren, um von oben die Erze abzustürzen, Fig. 17. Die Halde hatte, je nach der Größe des Umschlagbetriebes, unregelmäßige Grundfläche. Zur Wiederaufnahme und zum Weitertransporte nach den Schiffen verwendete man einen Trockenbagger, der vor der Halde auf dem natürlichen Boden fuhr und den Inhalt seiner Becher in Kippwagen von je 0,5 cbm Inhalt entleerte, die auf einem ebenfalls von Fall zu Fall verlegbaren Gleise nach einem Landungssteg hinausgeschoben wurden, auf dem sie sich in seitlich anlegende flachgehende Schuten entleerten. Die Schuten von je 50 oder 100 t Inhalt wurden dann mit Hülfe kleiner Bugsierdampfer nach dem weit draußen im Meere verankerten Schiffe geschleppt, dort festgemacht und mit Hülfe von Körben und tragbaren Kübeln durch Eingeborene in die Schiffe entleert: eine sehr umständliche, teure und außerdem gefährliche Arbeit. Die nördliche Küste von Neukaledonien enthält, wenigstens einigermaßen in der Nähe der Bornet-Gruben, keinen natürlichen Hafen. Der einzige Platz, der für die Anlage eines solchen in Betracht kam, war die Mündung des Thio-Flusses, da sich hier eine größere Strandfläche befindet, während sonst das Ufer ziemlich felsig und steil ist. Nun ist der Strand zum unmittelbaren Anlegen von Schiffen auch an dieser Stelle nicht geeignet; er zieht sich sehr lang und flach ins Meer hinaus, zunächst über felsige Korallenriffe, auf denen sich durch die hereinkommende Dünung des Meeres leicht eine schwere Brandung bildet; weiter hinaus bei geringer Wassertiefe findet sich Schlamm, so dass die Schiffe keinen genügenden Ankerhalt finden.
Der Thio bringt große Mengen von Sand und Schlamm aus dem Innern. Vor und längs dem Strande bewegt sich eine langsame Strömung, die aus den seitlichen kleinen Flusstälern alle Schlammmassen in die Bucht hineintreibt, kurzum: diese einzige Landungsstelle ist zugleich die denkbar ungünstigste. Abgesehen von den schon geschilderten Schwierigkeiten beim Überladen der Erze vom Lager nach dem Schiff war auch der sonstige Schiffsbetrieb recht umständlich. Die großen Segelschiffe kommen mit etwa 1200 bis 1500 t Ballast herein und müssen ihn löschen, ehe sie Erz aufnehmen. Der Ballast, meist Sand, liegt aber nur im hinteren Teil und in der Mitte des Schiffes. Nun war es gewöhnlich notwendig, die Schiffe erst mit Hülfe eines kleinen Dampfers hinter die etwa 3 km vom Land entfernten Riffe zu schleppen, um dort den Ballast aus dem hinteren Schiffsraum zu entfernen, da die großen Sandmassen nicht in der Nähe der Liegeplätze versenkt werden dürfen. Das geleichterte Schiff wurde dann nach dem Strande geschleppt und dort im vorderen und hinteren Raum von den Schuten aus beladen. Waren der vordere und der hintere Schiffsraum beladen, so musste das Schiff erst wieder losgemacht und wieder hinter die Riffe geschleppt werden, woselbst dann wieder der Ballast aus dem mittleren Schiffsraume zu entfernen war. Das dann wieder etwas geleichterte Schiff musste von neuem an seinen alten Ankerplatz geschleppt werden, um dort endlich voll beladen werden zu können. Solange das Wetter günstig blieb, keine Brandung aufkam oder kein bemerkbarer Sturm einsetzte, ging dieses Beladen derart von statten, dass ein solches Schiff von 3000 t schon in 50 bis 60 Tagen nach seiner Ankunft wieder segelfertig war. Setzte aber schlechtes Wetter ein, so wurde diese Zeit wesentlich überschritten; es sind Fälle vorgekommen, wo ein solches Schiff volle 120 Tage liegen musste, bis es endlich fertig beladen war. Dabei waren aber auf den Erzplätzen am Ufer und zum Beladen und Löschen der Schiffe unter Umständen 400 bis 500 Mann erforderlich. Gewöhnlich musste eine große Anzahl von Arbeitern aus den Gruben erst herangezogen werden, um genügend Hülfskräfte für das Beladen der Schiffe und den Umschlag auf den Lagerplätzen zu haben.
Unter ähnlichen Schwierigkeiten ging natürlich auch das Löschen der Kohlenschiffe vor sich; Dampfer mit sonstigen in der Kolonie gebrauchten Waren kamen wegen der schlechten Anlegeverhältnisse überhaupt nicht nach Thio, sondern zogen es vor, um die Insel herum nach Nouméa zu fahren, dort zu löschen und ihre Waren auf einem beschwerlichen Landweg über die Insel hinüber nach dem nördlichen Ufer zu bringen. Die ungeheuren Kosten, die dieses Beladen verursachte, ebenso wie die Unsicherheit in der Abfertigung der Schiffe — vielfach kam es vor, dass bei plötzlich einsetzenden Stürmen die großen Segler losgerissen und in die Klippen getrieben wurden, noch häufiger aber, dass die Schuten teils auf das Land geworfen, teils in das Meer hinausgetrieben wurden — machten es überhaupt fraglich, ob es auf die Dauer möglich sein würde, einen regelmäßigen Schiffsverkehr von und nach Thio durchzuführen.
Der Transport der Erze von Thio nach Europa stellt sich mit dem Segelschiff auf ungefähr 30 frs für 1 t Erz. Da aber, wie erwähnt, 1 t Erz durchschnittlich nur 55 kg Metall enthält, so entfallen auf 1 kg Metall, schon ehe das Erz nach Europa kommt, 55 Centimes Seefracht, zu denen die schon vorher angeführten Häuerlöhne in Höhe von 20 cent. kommen. Es sind dies außer den Transportkosten von der Grube nach dem Lager schon 75 cent. für 1 kg Metall, Kosten, die auch nicht gut heruntergedrückt werden können, da sie an unabänderliche Größen gebunden sind. Deshalb ist es klar, welche Wichtigkeit der Transport zwischen Lager und Schiff besaß, da an ihm einzig und allein noch zu sparen war, nachdem durch Anlage der verschiedenen Seilbahnen und der Eisenbahn auch der Transport von der Grube nach dem Lager geregelt war. Man musste sich daher entschließen, eine Landungsanlage künstlich zu schaffen.
Es mag nicht ohne Interesse sein, die dortigen Verhältnisse mit denen unsrer Kolonie in Südwest-Afrika zu vergleichen, da beide ziemlich miteinander übereinstimmen. Auch dort befindet sich an der Ausmündung eines kleinen Flusses, des Swakop, der große Sandmengen aus dem Innern bringt, ein flacher Strand, auf den oft eine heftige Brandung aufläuft, und auch dort war vor Schaffung einer Landungsstelle ein Verkehr zwischen Land und Schiff nur durch flachgehende Prähme [Anm.: Der Prahm (mittelhochdeutsch prâm, tschech. prám = Fahrzeug; Plural: Prahme oder Prähme) bezeichnet ursprünglich eine flache Fähre (Prahmfähre) zum Übersetzen von Menschen, Vieh und Wagen] zu ermöglichen. Während man aber in Swakopmund zur Anlage einer Mole gegriffen und damit zunächst keinen Erfolg erzielt hat, ließ man in Thio nach kurzen Erwägungen den Gedanken, einen von Land aus vorgeschobenen festen Bau in das Meer zu führen, vollständig fallen; denn man sagte sich mit vollem Recht, dass eine Mole nur vorübergehend Abhilfe schaffen kann, da sie notwendigerweise wie ein Sandfänger wirken und selbst versanden muss, und dass ihre fortwährenden Verlängerungen und das Weiterhinausschieben ihres Kopfes in das Meer dauernde Unkosten und immer größere Betriebserschwerungen herbeiführen würden. In heftiger Brandung ist übrigens eine Mole sehr gefährlich, da sie leicht überflutet wird und selbst zur Bildung einer Brandung an ihrer Außenseite beiträgt 1).
1) Ein berüchtigtes Beispiel hierfür ist die Nordmole bei Hoek van Holland, die Strandungsstelle einer sehr erheblichen Anzahl großer Dampfer.
Man entschloss sich daher auf Vorschlag von Adolf Bleichert & Co., eine Landungsbrücke im Meer etwa 1 km weit vom Lande zu erbauen und diese Landungsbrücke, die natürlich mit allen erforderlichen Einrichtungen zum Löschen und Laden der Schiffe zu versehen war, mit dem Ufer durch eine Drahtseilbahn zu verbinden, über die der ganze Verkehr zwischen Schiff und Land zu gehen hätte. Hierdurch erzielte man eine vollständige Unabhängigkeit der Landungsanlage von der ungünstigen Beschaffenheit des Strandes. Die Brücke war mit Leichtigkeit weit ab vom Lande in tiefem Wasser anzulegen, so das auch den größten Schiffen die Möglichkeit des Anlegens geboten ist. Sie konnte auch bequem unter dem Schutz einer vorspringenden, sehr steil in das Meer abfallenden Halbinsel außerhalb des Brandungsgürtels errichtet werden, so dass die Schiffe stets in ruhigem Wasser festmachen können. Die Unterstützungen der Drahtseilbahn erfordern nur geringe Breitenausdehnung; sie legen der am Ufer entlang gehenden Strömung kein Hindernis in den Weg, das zum Absetzen, von Sand oder Schlamm Veranlassung geben könnte, und außerdem konnten die als Verbindgleise mit dem Land dienenden Tragseile sehr leicht so hoch gelegt werden, dass auch bei den stärksten Stürmen die Wogen sie nicht erreichen können.
Aber auch in andrer Beziehung war die Anlage einer Seilbahn von sehr großem Vorteil. Das Gelände hinter dem Strand, auf dem die Erzlager anzulegen waren, und auf dem sich der Bahnhof der aus dem Innern kommenden Eisenbahn befand, zeigt sehr bedeutende Höhenunterschiede, die bei Niveaubahnen oder Standbahnen sehr teure Hülfsmittel zum Transport der Erze auf den Lagerplätzen und ein mehrmaliges Umladen in verschiedene Transportgefäße notwendig machen würden. Es war ferner zu berücksichtigen, dass die zu fördernden Materialien nicht allein durch die Eisenbahn zugeführt werden, sondern dass auch Erze aus benachbarten, am nördlichen Ufer der Insel liegenden Gruben mit kleinen Schiffen ankommen, die auch wieder auf die Sammelplätze entleert und von dort aus in große Schiffe umgeladen werden müssen. Namentlich die Bildung einer hohen Halde, die für das Erzlager von großem Vorteil ist, wäre mit Standbahnen nur sehr schwer ausführbar. Da aber zum Lagern der bedeutenden Erzmengen das Aufschütten einer bis 20 m hohen Halde dringend erforderlich war, hätte man ohnehin notwendigerweise eine hochliegende Drahtseilbahn gebraucht, so dass man sich um so leichter dazu entschließen konnte, die gesamten Lager- und Ladeeinrichtungen im Land mit der nach der Landungsbrücke führenden Drahtseilbahn in Verbindung und diese selbst als seilbetriebene Hängebahn zur Durchführung zu bringen. Man hatte hierdurch den Vorteil, dass man die beträchtlichen Höhenunterschiede ohne weiteres von der zwangläufig betriebenen Drahtseilbahn überwinden lassen konnte, und dass man für die gesamte Lagerung auf den sämtlichen Betrieben ein einheitliches Transportmittel hatte, das in weitgehendem Maße zu einem selbsttätigen Betriebe verwendet werden konnte. Die höheren Kosten einer solchen Anlage haben sich im Verlaufe des Betriebes als an richtiger Stelle angewendet erwiesen. Ferner musste sich eine solche Landungsbrücke nach allen Erfahrungen auch wesentlich billiger stellen als die Anlage einer Mole, wie nachher durch die Ausführung bestätigt worden ist.
Ehe nun auf die Einzelheiten der Bauausführung dieser Umschlaganlage eingegangen werden kann, muss erst die Gesamtanordnung verfolgt werden. Die Anlage zwischen Eisenbahn und Schiff sollte nach dem Vorangegangenen folgende Aufgaben erfüllen:
1) die Segelschiffe und Dampfer von Ballast oder von etwa mitgebrachter Kohle zu entladen;
2) die kleinen aus den benachbarten Gruben ankommenden Erzschiffe zu entladen;
3) die unter 2) genannten Erze auf einer Halde am Lande aufzustapeln;
4) den von den Schiffen mitgebrachten Sandballast fortzuschaffen;
5) die von den Segelschiffen oder Dampfern mitgebrachten Kohlen auf ein Kohlenlager an Land zu bringen;
6) die mit der Eisenbahn aus dem Innern des Landes gebrachten Erze auf ein Erzlager zu bringen, wie unter 3);
7) die mit der Eisenbahn angekommenen Erze an der Landungsstelle in Segelschiffe oder Dampfer zu verladen;
8) die auf der Sammelstelle liegenden Erze wieder aufzunehmen und sie in Schiffe zu verladen, wie unter 7);
9) die Kohle wieder aufzunehmen und sie in die zu bekohlenden Schiffe an der Landungsstelle zu verladen;
10) den übrigen Personen- und Warenverkehr zwischen Schiff und Land zu vermitteln.
Die wichtigsten und umfangreichsten Arbeiten sind die unter 7) und 8).
Fig. 18 Teil 1 (links)
Hängebahn bei Thio
Fig. 18 Teil 2 (rechts)
Hängebahn bei Thio
Fig. 19 bis 21.
Hängebahn in Thio
Fig. 22.
Hängebahn in Thio
Da die gesamte Transportanlage als seilbetriebene Hängebahn ausgeführt werden sollte, für die mit Rücksicht auf die verschiedenen Zugseile eine zentrale Maschinenstation vorteilhaft erschien, ging man von dem Gedanken aus, die sämtlichen den einzelnen Arbeiten dienenden Hängebahnlinien in einem Punkte zu vereinigen und von diesem Punkt aus die Arbeitsbewegungen nach den einzelnen Arbeitsplätzen zu verteilen. Fig. 18 bis 22 und Fig. 23, zeigen die Gesamtanlage.
Fig. 23.
Gesamtansicht der Hängebahnanlagen bei Thio
Die Zentralstation liegt dicht am Meer neben dem Endpunkt der von Bornet kommenden Eisenbahn. Die Eisenbahn fährt mit geringer Steigung auf einen durch natürliche Geländeverhältnisse gebildeten Damm hinauf, so hoch, dass die Wagen durch Bodenklappen in eine große Füllrumpfanlage entleert werden können, die vor dem Kopf des Dammes steht. Unter den Schurren der Rümpfe beginnt die Hängebahn, die sich von der anliegenden Zentralstation aus strahlenförmig verzweigt, und zwar nach dem Meer, dem Erzlager und dem Kohlenlager. Ein Abzweig des letzteren Stranges läuft neben dem Erzlager her.
Fig. 24.
Umkehr- und Spannstation B, Linie I
Fig. 25.
Erzhalde der Linie I mit blechverkleideten Stützen
Verfolgt man den Weg des mit der Eisenbahn ankommenden Erzes, so findet man die Eisenbahnzüge auf dem hochliegenden Damm über den in der Zentralstation eingebauten Umladerümpfen A, Fig. 18, in welche sie entleert werden. An diese Überladerümpfe schließt sich unmittelbar die Seilbahnlinie I an, deren Wagen unter die Schurre der Rümpfe gefahren, dort gefüllt und dann über die hohen Blechstützen hinweg nach der Umkehrstation B, s. a. Fig. 24, geleitet werden, woselbst sie selbsttätig umkehren und wieder nach A zurücklaufen. Über dem Platz, auf dem die als Erzlager dienende Halde liegen soll, befinden sich verschiebbare Anschlagvorrichtungen, die den gefüllten Erzwagen zum Kippen und damit während der Fahrt zur Entleerung bringen, Fig. 25. Nun ist es notwendig, die Halde mit Rücksicht auf den Erzvorrat, der rd. 50.000t betragen soll, bis zu einer Höhe von 20 m anzuschütten. Die auf dem Haldenplatze stehenden 24 m hohen Stützen werden deshalb bis annähernd zu den Schutzrollen des Tragseiles in das Erz eingeschüttet. Um eine Beschädigung der Stützen durch die herunterstürzenden Erzmassen zu vermeiden, hat man sie — entgegen den sonst üblichen Ausführungsformen — nicht aus Profileisen, sondern als starke Blechkegel hergestellt, Fig. 25. Die klebrigen Lehmerze können sich nicht zwischen die Konstruktionsteile setzen; die Stützen haben viel größere Steifigkeit und werden durch den einseitigen Druck der Erze nicht verbogen. Diejenigen Erze, die unmittelbar von dem Zug aus in die Schiffe verladen werden, werden ebenfalls aus den erwähnten Rümpfen A abgezogen und gehen von diesen über die Linie II nach der Landungsbrücke und dem Meer. Dort geben die Wagen ihren Inhalt in die auf der Landungsbrücke eingebauten fahrbaren Füllrümpfe ab, aus denen die von den Verladekranen zu bedienenden Kübel gefüllt werden, die in die Schiffe entleert werden. Die leeren Wagen kehren dann auch wieder selbsttätig über die Seilbahnlinie II nach den Rümpfen zurück.
Fig. 26.
Verfahrbare Querbrücke über dem Erzlager
Zur Wiederaufnahme der auf Lager befindlichen Erze und zu deren Abfuhr nach den Schiffen ist die Linie IV eingerichtet, die sich ebenfalls als doppelter, seilbetriebener Hängebahnstrang neben der Halde herzieht, und zwar in der nur geringen Höhe von etwa 2,5 m, an die aber eine verfahrbare Querbrücke C, Fig. 18 und 26, anschließt. Diese Querbrücke überspannt ebenfalls in der geringen Höhe von etwa 2,5 m den ganzen Haldenplatz. Sie trägt 2 Füllrümpfe, aus denen die Hängebahnwagen gefüllt werden. Das eigentliche Wiederaufnehmen der gelagerten Erze findet mit Hülfe von zwei Baggern statt, die auf dem Haldenplatz entlang auf Gleisen fahren und die aufgenommenen Erze den Füllrümpfen der Querbrücke zuführen. Da auf dem Lagerplatz selbst die beiden hohen Blechstützen stehen, man aber mit nur einer Querbrücke auskommen wollte, besteht letztere aus 2 einzelnen Teilen, die in der Mitte durch seitlich ausschwenkbare Schienen miteinander verbunden sind. Soll die Querbrücke an den Stützen vorübergefahren werden, so wird sie in der Mitte getrennt, Fig. 26, die Schienen werden ausgeschwenkt, und nun können die Teile einzeln an den Stützen vorbeigelangen. Hinter den Stützen wird die Brücke dann wieder zusammengesetzt. Damit aber auch neben den Stützen, wenigstens an der einen Seite, die Erze wieder aufgenommen werden können, ist die Querbrücke in der Mitte mit einem Umführgleis versehen, so dass sie auch nur in halber Länge benutzbar bleibt. Über die Querbrücke werden die Wagen mit der Hand geschoben. Am Ende der Brücke befindet sich eine mit ihr verfahrbare Kuppelstelle, wo die Wagen an das Zugseil der Linie IV angeschlagen werden. Die mit dem Bagger durch die Trichter der Brücke gefüllten Erzwagen laufen je nach der Stellung der Brücke der ganzen Halde entlang an der Innenseite des die Hängebahn tragenden Gerüstes der Linie IV bis zu der Umkehrstelle, wo sie nach der Mitte des Hängebahngerüstes zu umkehren. Hier beginnen nun die bis dahin auf nur 2,5 m Höhe liegenden Schienen anzusteigen, bis sie in der Mitte an der Übergang-und Winkelstation eine Höhe von etwa 10m erreichen. Diese Winkelstation verzweigt sich einerseits nach der Zentralstation an den Erzfüllrümpfen A und geht an ihnen unmittelbar durch Weichen und Kreuzungen in die nach dem Meere rührende Linie II über und zweigt anderseits nach dem Kohlenlager ab, das bei einem Inhalt von rund 1800 cbm etwa 1500 t Kohle aufnehmen soll. Die Erzwagen, die nun auf den rückkehrenden Strang der Linie IV bis zur Höhe der Winkelstation aufgestiegen sind, werden hier mit der Hand der Linie III zugeschoben und laufen auf dieser Linie und über die Linie II geradeswegs nach dem Meer und den Verladebrücken; s. Fig. 27.
Fig. 27.
Drahtseilbahn nach der Landungsbrücke im Meere
Die Linie III musste ziemlich hoch gelegt werden, denn sie muss über die Linie IV hinwegschneiden, und außerdem überschreitet sie drei Eisenbahngleise, die zwischen der Zentralstation und dem Erzlager liegen. Vor der Zentralstation senkt sie sich so tief, dass sie auf die Höhe der Beladung der Linie I kommt, so dass die Zentralstation nur Gleise in einer Höhe, etwa 2,5 m über Gelände, enthält.
Die Linie III dient demnach, wie sich aus der Anordnung erkennen lässt, verschiedenen Zwecken; ihr nördlicher Teil bildet einerseits die Verbindung zwischen der Wiederaufnahmebahn und dem Meer, anderseits aber auch die Verbindung zwischen dem Kohlenlager und dem Meere. Gleichzeitig ist aber auch etwa in der Mitte des nördlichen Teiles, und zwar über den vorerwähnten drei Eisenbahngleisen, die von ihr überschritten werden, eine Füllrumpfanlage eingebaut, die den aus den Schiffen entnommenen Sandballast aufzunehmen hat. Dieser Sandballast wird den Schiffen mit Greifern entnommen, in Hängebahnwagen gefüllt und über Linie II nach der Zentralstation, von dieser nach Linie III gefahren und dort in die Füllrümpfe über den Gleisen entleert. Von diesen Füllrümpfen wird der Sandballast dann in Eisenbahnwagen abgezogen, um zum Auffüllen der Lagerplätze und zum Einebnen des Geländes zu dienen. Durch diese Anordnung hat man den Vorteil, dass man auf der einen Seite der Linie III den Schiffen Erze zuführen und die auf der Landungsbrücke entleerten Erzwagen sofort wieder mit Ballastsand füllen kann, so dass sie nicht leer zurückzulaufen brauchen: man nutzt damit die Bahnlinie nach beiden Seiten in sehr hohem Maße aus.
Anderseits geht aber auch über die Linie III wieder der ganze Kohlentransport; die Kohlenwagen laufen wieder von der Linie II über die Zentralstation und Linie III nach der Winkelstation und werden hier auf den südlichen Teil dieser Linie, die ebenfalls in 10 m Höhe liegt, übergeschoben. Im Zuge dieser Strecke entleeren sich die Wagen wieder selbsttätig und kehren, an der Umkehrstation wieder mit dem Zugseil verbunden, nach den Schiffen zurück.
Auch im Falle des Kohlenladens ist es möglich, die ganze Anlage zwei Arbeiten gleichzeitig ausführen zu lassen, indem ganz gut ein Kohlendampfer gelöscht werden kann, der seinen Inhalt an die entleerten Erzwagen abgibt, welche über Linie III nach dem Kohlenlager fahren, sich dort entleeren, dann als Leerwagen von Linie III auf Linie IV übergeschoben werden, wo sie wieder mit Erz beladen werden, um von Linie IV wieder auf Linie III überzugehen und von da aus nach den Schiffen zu laufen.
Als Gleise für die Hängebahnen sind für Linie II, die über das Meer hinausgeht, wie für Linie I über dem Erzlager verschlossene Tragseile mit großer Spannweite gewählt worden. Die Spannweiten über dem Erzlager — die Entfernungen der Stützen von einander — betragen auf einander folgend 63 m, 70 m, 55 m und 50 m, die der im Meere stehenden Stützen je 120 m. In der ganzen übrigen Anlage sind jedoch als Gleise die bekannten Doppelkopf-Hängeschienen von 160mm Höhe und 40 mm Kopfbreite in Anwendung gebracht, die an portalartigen Gerüsten von entsprechender Höhe mittels gusseiserner Hängeschuhe aufgehängt sind.
Fig. 28
Blick in die Zentralstation mit Weiche, Kreuzungen und Abzweigen nach den verschiedenen Linien
Sämtliche Zugseile werden von einer einzigen gemeinsamen Station aus in Bewegung gesetzt, und zwar liegt diese Station am Endpunkt der Kohlenabsturzbrücke, Fig. 28. Vor dem Kopf der Endstation dieser Strecke IV befindet sich das Maschinenhaus mit der Dampfmaschine, einer Zwillingsmaschine von 235 mm Dmr., 350 mm Hub und 130 Uml./min, welche bei 27 vH Füllung 30 PS, bei 50 vH Füllung 50 PS leistet Sie arbeitet mit einem Dampfdruck von 10 at und treibt mit Hülfe eines Vorgeleges das Zugseil der Strecke III an. Dieses Zugseil ist im Winkel bis zur zentralen Verteilstation an den Erzfüllrümpfen durchgeführt. Es umschlingt in der Winkelstation ein doppeltes Scheibenpaar, von der aus ein Übertrieb mit Hülfe konischer Zahnräder nach der Seil der Linie IV zur Wiederaufnahmebahn vom Erzlager hinübergeht. Ferner umschlingt das Zugseil der Linie III in der Zentralstation an den Füllrümpfen eine mehrfach gerillte große Scheibe, von der aus sich zwei Übertriebe abzweigen: einer nach Linie II zur Bahn über das Meer, ein andrer nach Linie I zur Absturzbahn für das Erzlager. Die Spannvorrichtung des Zugseiles für Linie III ist mit dem Antrieb vereinigt; für Linie I befindet sie sich in der Umführstation am Ende der Linie, für Linie IV in der Mitte am Antrieb und für Linie II auf der Füllrumpfstation an der Landungsbrücke.
Auf die vorbeschriebene Art wird die ganze Lagerplatz- und Umladeanlage einschließlich der in das Meer hinausführenden Bahn von rund 2 km doppelgleisigen Hängebahnsträngen überspannt, insgesamt sind die einzelnen, Hängegleise einschließlich der verschiedenen Abzweigungen, Weichen und Umführungen annähernd 2500 m lang. Die Leistung der einzelnen Linien ist mit je 100 t in einer Richtung angenommen, mit Ausnahme der Linie I, für die eine Stundenleistung von 40t genügt.
Die Aufschließung der Nickelerzlagerstätten in Neukaledonien - Teil 1
Die Aufschließung der Nickelerzlagerstätten in Neukaledonien - Teil 2
Die Aufschließung der Nickelerzlagerstätten in Neukaledonien - Teil 3
Die Aufschließung der Nickelerzlagerstätten in Neukaledonien - Teil 4
Quelle: G. Dieterich, Die Aufschließung der Nickelerzlagerstätten in Neukaledonien, in: Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, 16. November 1907, Nr. 46, Band 51, S. 1805 - 1815, Nr. 47, 23. November 1907, S. 1858 - 1867.
Rechtschreibung behutsam angepasst: Wolfgang Morscher.
© digitale Version: Wolfgang Morscher, www.SAGEN.at