Der Ordnung nach numeriret
Die Geschichte der Hausnummern in Wien, Teil 1
Teil 1: Die Geschichte der Hausnummern in Wien
Teil 2: Die Geschichte der Hausnummern in Wien - Impressionen

Bis zum Jahr 1763 waren in Wien die Häuser nicht nummeriert. Hauszeichen, die an den Fassaden angebracht dienten zur leichteren Auffindung. Nicht nur in der eigentlichen Stadt, dem heutigen Ersten Bezirk, sondern auch am Land, in den Vororten waren diese Zeichen, von denen einige noch heute erhalten sind, üblich  Die Adresse lautete damals nicht, wie heute etwa

Wien 7., Mariahilferstraße 45, sondern

Zum goldenen Hirschen, Geburtshaus Ferdinand Raimund © Harald Hartmann
„Zum goldenen Hirschen“ (das Geburtshaus Ferdinand Raimunds)

oder Wien 1., Bäckerstraße 12, sondern

Wien 1, Bäckerstrasse 12, Kuh am Brett © Harald Hartmann
„Allwo die Kuh am Brett spielt“

Einige schöne Beispiele für Hauszeichen und deren Geschichten sind in der Dokumentation "Wo der Wolf den Gänsen predigt" zusammengefasst.

Im Jahr 1770 wurden aus zwei Gründen „alle Häuser … worinnen Partheyen wohnen oder wohnen konnten … der Ordnung nach numerieret und nach ihren numeris beschrieben“. Zum einen benötigte der Staat dringend Geld, um seine Schulden zu tilgen, zum zweiten und vor allem wollte das Militär alle wehrfähigen Männer erfassen.

In Wien wurde die Zählnummer, die sogenannte Konskriptionsnummer in roter Farbe an der Fassade des Hauses angebracht. Die Nummerierung erfolgte willkürlich. Entlang des Weges, den die Kommmissionen gingen, wurden sie der Reihe nach vergeben. Lediglich die Hofburg erhielt, da der Kaiser mit gutem Beispiel vorangehen wollte, die Nummer 1.

Das Haus „Allwo die Kuh am Brett spielt“, zum Beispiel,  wurde zum „Haus Numero 769“:

Allwo die Kuh am Brett spielt © Harald Hartmann
Wien 1., Bäckerstraße 12

Eine der wenigen erhaltenen Nummern aus dieser ersten Konskription findet sich auch auf dem Haus Wien 1., Kleeblattgasse 5:

Wien 1, Kleeblattgasse 5, Hausnummer © Harald Hartmann
Es trägt die Nummer 452.

Die so neu geschaffene Adressierung wurde von der Bevölkerung recht schnell angenommen. Bereits vier Monate nachdem die neuen Nummern angebracht waren, erscheint im Wiener Diarium (der heutigen Wiener Zeitung) vom 5. Jänner 1771 der erste Verweis auf eine Konskriptionsnummer:  Ein Klosterneuburger bietet zwei Häuser zum Verkauf an:

Wiener Diarium, 5. Jänner 1771
Anzeige im Wiener Diarium vom 5. Jänner 1771.
Quelle: Österr. Nationalbibliothek, Austrian Newspapers Online

Wenige Tage später, am 2. Februar 1771 sucht ein Wiener sein aus der Bognergasse Nro. 222 entlaufenes, “ganz weißes Bologneserhündl, ein Mändl, welches blaue Augen hat“.

Entlaufenes Bologneserhündl, Bognergasse, Wien
Anzeige im Wiener Diarium vom 2. Hornung (Februar) 1771.
Quelle: Österr. Nationalbibliothek, Austrian Newspapers Online

In weiterer Folge wurden die Nummern der Reihe nach, so wie die Häuser errichtet wurden, vergeben. Das führte zu einem heillosen Durcheinander und  daher werden im Jahr 1874  die Konskriptionsnummern neu vergeben. Sie werden nicht nur außen angebracht sondern auch in den Hauseingängen montiert, wie etwa diese in der Bäckerstraße in Wien 1.

Franziskanerkloster Wien 1, Franziskanerplatz 1 © Harald Hartmann

Franziskanerkloster Wien 1, Franziskanerplatz 1

Als 1850 die Vorstädte (Die Bezirke 2 bis 9) eingemeindet wurden, wurde ein neues System notwendig. Die Häuser wurden Straßenweise nummeriert. 1862 war das Geburtsjahr der wiener Hausnummern, wie wir sie heute kennen.

Die Bezeichnung folgt einem ausgeklügelten System:

  1. Die Nummerierung begann auf Radialstraßen, vom Stephansplatz ausgehend und auf Querstraßen im Uhrzeigersinn um den Stephansplatz
  2. Die ungeraden Nummern wurden auf der linken Seite vergeben, die geraden Nummern auf der rechten.

Bei den an den Häusern angebrachten Tafeln und die Tafeln der Straßennamen hatte auch die Form eine Bedeutung:

  1. Rechteckige Tafeln bezeichneten Radialstraßen

Landstraße Haupt-Straße 17 © Harald Hartmann

  1. Ovale Tafeln waren an Querstraßen angebracht.

Pfarrhof Gasse 4 © Harald Hartmann

Auch die Farbe der Tafeln hatte ihre Bedeutung: Grundsätzlich auf weißem Hintergrund mit einer Umrandung waren

  1. Straßen in schwarzer Frakturschrift und
  2. Plätze in roter Frakturschrift bezeichnet.

Minoriten-Platz, Petrarca-Gasse © Harald Hartmann

Die neun Bezirke trugen jeder eine andere Umrandungsfarbe:

1. Bezirk: rot

Stephans-Platz 7 © Harald Hartmann
Hausnummer Wien 1., Stephansplatz 7: Die rote Schrift zeigt einen Platz an, die rote Umrandung den 1. Bezirk


2. Bezirk: violett
3. Bezirk: grün

Rochus Gasse 7 © Harald Hartmann

Hausnummer in der Quergasse Wien 3., Rochusgasse 7: ovales Schild mit grüner Umrandung

4. Bezirk: rosa

Wiedner Haupt. Straße 32 © Harald Hartmann
Hausnummer in der Radialstraße Wien 4.,Wiedner Hauptstraße 32: rechteckiges Schild mit rosa Umrandung.
Wohn- und Sterbehaus des Komponisten Christoph Willibald Gluck

5 .Bezirk: schwarz
6 . Bezirk: gelb

Gumpendorferstraße, Millöcker-Gasse © Harald Hartman
Gelb umrandete Hausnummern in Wien 6.

7. Bezirk: blau
8. Bezirk: grau
9. Bezirk: braun

Als die Vororte außerhalb des Gürtels eingemeindet wurden, wurden auch hier ab 1890 die Hausnummern und Straßentafeln nach diesem System, allerdings einheitlich mit rotem Rand, ausgeführt.

Zehnermarie, Ottakringer Straße 224 © Harald Hartmann

Hausnummer im ehemaligen Vorort Ottakring (Wien 16.) auf dem Heurigenlokal „Zehnermarie“

Seit 1923 sind alle Tafeln blau, in lateinischer Schrift und mit einem weißen Rand versehen. Heute regelt das Landesgesetz ABl 1958/100 vom 24.10.1958 das einheitliche Aussehen von Hausnummern.

Boschstrasse 9, Karl Marx-Hof, Wien 19 © Harald Hartmann

Moderne, nach dem Wiener Landesgesetz von 1958 hergestellte Hausnummer. Eine der vielen Hausnummern auf dem Karl Marx-Hof in Wien 19.


weiter zu Teil 2: Die Geschichte der Hausnummern in Wien

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Quellen:

- Anton Tantner: Adressierungs-Fragmente. Konskriptionsnummern in Wien
(dérive, Zeitschrift für Stadtforschung, Ausgabe 11)

- Anton Tantner: Ordnung der Häuser, Beschreibung der Seelen - Hausnummerierung und Seelenkonskription in der Habsburgermonarchie.

- Webpräsenz der Gemeinde Wien