Die Sillwerke bei Innsbruck
Repro: www.SAGEN.at

Bericht Bauunternehmung Ingenieur Josef Riehl:
I. Teil: Die Wasserbauten
II. Teil: Die Wasserkraftmaschinen
III. Teil: Die elektrischen Anlagen
IV. Teil: Die Stubaitalbahn

Bericht Zeitschrift Verein Deutscher Ingenieure:
Teil 1: Die Wasserkraftmaschinen der Sillwerke bei Innsbruck, A. Stamm, 1905.
Teil 2: Die Wasserbauten, Von Ingenieur Josef Riehl, Innsbruck, 1906.
Teil 3: Die elektrischen Anlagen. Von Dr. Ing. C. Arldt, 1906.
Teil 4: Die Sillwerke bei Innsbruck. Von Dr. Ing. C. Arldt, 1906.
Die Wasserkraftmaschinen der Sillwerke bei Innsbruck, Von Dipl.-Ing. Andreas Stamm, 1905.

(Hinweis www.SAGEN.at: dieser Text wegen schlechter Vorlagequalität ohne Bilder; die Bilder sind im Bericht der Bauunternehmung enthalten)

Für die Versorgung der Stadt Innsbruck mit elektrischer Energie war im Jahre 1899 eine Wasserkraftanlage im Dorfe Mühlau nordöstlich von der Stadt errichtet worden. Dieses Kraftwerk enthielt im ausgebauten Zustand im Jahre 1901 1) 2 Partialturbinen von je 300 PS bei einem Bruttogefälle von rd. 123 m und 2 Partialturbinen von je 1250 PS bei einem Gefälle von 357 m; von den letzten beiden Turbinen stand eine in Reserve. Alle Turbinen waren mit Dynamomaschinen unmittelbar gekuppelt.

1) s. Z. 1901 S. 1386.

In späterer Zeit war aber diese Anlage nicht mehr imstande, den Anforderungen an den Strombedarf zu genügen; man entschloss sich daher, neue Wasserkräfte an geeigneter Stelle unweit der Stadt aufzubauen, um ein Kraftwerk zu schaffen, das zugleich den Strombedarf der Stadt decken und auch die in der Umgebung liegenden Ortschaften mit elektrischer Energie versorgen konnte. Dabei war mit einer stark schwankenden Stromentnahme zu rechnen, da nicht allein Beleuchtungsanlagen und Motoren für industrielle Zwecke an das Werk angeschlossen werden sollten, sondern auch das Netz der neuen Stubaitalbahn von Innsbruck nach Fulpmes 2) zu speisen war. Dieser Umstand wirkte auf die Bauart der Kraftmaschinen insofern ein, als sie in weiten Grenzen und äußerst genau selbsttätig regelbar sein mussten.

2) s. Z. 1904 S. 1127.

Diese Aufgabe ist von der Prager Maschinenbau-A.-G. vormals Ruston & Co in Prag, welche die Wasserkraftmaschinen mit Rohrzuleitung und allein sonstigen Zubehör entworfen und ausgeführt hat, aufs Beste gelöst.

Es soll zunächst der vom Ingenieur Riehl in Innsbruck ausgearbeitete Entwurf für die wasserbaulichen Arbeiten, dem ein größter Wasserverbrauch von 7 cbm/sk zugrunde gelegt ist, ganz kurz erörtert werden.

Westlich von der Stadt ergießt sich in den Inn die überaus wasserreiche, reißende Sill; der Fluss windet sich durch tiefe, beinahe unzugängliche Schluchten, die sich erst etwa 15 km von der Stadt entfernt beim Dorfe Matrei zu einem Tal erweitern. Am Nordausgang dieses Dorfes ist die Wehranlage errichtet. Das Wasser der Sill gelangt teils unmittelbar aus dem Fluss durch einen Vorrechen, teils aus dem Untergraben der etwas weiter flussaufwärts liegenden Brennerwerke in 2 hintereinander angeordnete, durch einen Feinrechen getrennte Sandfänge, worin Geschiebe und Sand zur Ablagerung gelangen. Ein kurzer, mittels Schleusen absperrbarer Kanal und ein rd. 7 km langer Stollen führen zum Wasserschloss, wo ein dritter Sandfang mit Feinrechen und Drahtsieb eine letzte gründliche Reinigung des Wassers vor dem Eintritt in die Rohrleitung besorgt.

Ein in Beton ausgeführter Kaskaden-Leerlauf, Fig. 1, leitet den Wasserüberschuss in den Untergraben; dieser Leerlauf ist mit einem Holzdach überdeckt, da der Wasserstaub sonst im Winter gefrieren würde. Was die Regelung des Wasserzuflusses an der Wehranlage in Matrei anbetrifft, so wird der Anschluss etwa eines 100 pferdigen Motors an das städtische Netz oder die Stromentnahme für die Beleuchtung großer Gasthöfe bereits zwei Stunden vor dem Einschalten der betreffenden Anschlüsse nach Matrei signalisiert und danach das Wehr eingestellt.

Die Höhenkote des Oberwasserspiegels beträgt 881,25 m, die des wenig schwankenden Unterwasserspiegels 694 m über dem Meere. Das Gesamtgefälle ergibt sich daher mit 187,25 m.

Die Anordnung einer einzigen Rohrleitung für die in Aussicht genommenen 6 Turbinen von je 2500 PS wurde ebenso aus Gründen der Betriebssicherheit wie auch wegen der örtlichen Verhältnisse, welche die Verlegung einer Leitung von rd. 1800 mm Dmr. nicht unerheblich erschwert hätten fallen gelassen; es wurden vielmehr zwei Leitungen von je 1250 mm Dmr. in Aussicht genommen für die sich, je nach der Betriebsart, folgende Wassermengen, mittlere Geschwindigkeiten und Widerstandshöhen ergeben:

Turbinen im
Betriebe

Wassermenge
ltr/sk
mittlere
Geschwindigkeit
m/sk
Widerstandshöhe
m
1
1285
1,05
0,70
2
2570
2,10
1,75
3
3855
3,14
3,60

Die Rohrleitung, Fig. 2, verläuft in einer senkrechten Ebene; im Längsprofil zeigt sie eine einzige Richtungsänderung, indem bei Kote 697,90 die Neigung von 33° der bis dahin 327,4 m langen Strecke in den kurzen waagrechten, zum Krafthaus führenden Strang übergeht. Wegen der Kreuzung mit der Brennerstrasse musste ein Teil der Leitung in einem rd. 93 m langen Tunnel verlegt werden. Die einzelnen Rohre sind 6 m lang und mit Flanschen verbunden; sie bestehen aus Flusseisenblech von 3600 bis 4200 kg/qem Bruchbelastung und 20 vH Dehnung. Die Blechstärke wächst stufenweise von 8 mm auf 21 mm; sie ist für die verschiedenen Zonen auf Grund einer Beanspruchung von rd. 800 kg/qem ermittelt, wobei für Abnutzung 1 bis 1 ½ mm zugegeben sind.

Je nach der Druckhöhe weisen die Leitungsnähte 1- bis 3fache, die Rundnähte 1- bis 2fache Überlappungsnietung auf.

Die schmiedeeisernen Flansche sind, wie Fig. 3 zeigt, mit Kautschukringen a gedichtet.

Die Rohre liegen auf glatten Betonsockeln. Das Rohr Nr. 29 am oberen Tunnelende und der Krümmer am unteren Ende der geneigten Strecke sind aus besonders starken Blechen hergestellt, mit Winkeleisenringen armiert und in mächtigen Betonblöcken verankert; sie bilden die beiden einzigen festen Punkte der Leitung. Der Krümmer hält den ganzen Rohrstrang bis an das obere Tunnelende, wo eine Ausdehnungsvorrichtung (Stopfbüchse mit Hanfdichtung) eine Bewegung nach oben gestattet. Das in der Kopfmauer des Tunnels einbetonierte Rohr Nr. 29 nimmt den Schub des oberen Stranges auf, dessen Längenänderungen durch die am Rohre Nr. 1 angebrachte Ausdehnungsmuffe unschädlich gemacht werden.

Vor der Verteilleitung, s. Fig. 6, ist eine Drosselklappe mit Umleitrohr und Entlastungsventil eingeschaltet, deren zweiteiliges Gehäuse aus einer Kugelzone von 1400 mm Dmr. mit zwei Anschlussstutzen von 1250 mm l. W. besteht. Da die Belastung der Drehklappe bei ruhender Wassersäule den Betrag von 280 000 kg erreicht, so musste diesem wichtigen Teil besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Das Gehäuse, die Drehklappe mit ihren angegossenen Zapfen von 250 mm Dmr. und der größte Teil des Getriebes sind aus Stahlguss hergestellt.

Die Verteilleitung weist doppelte Laschennietung auf; die Längsrohre sowie die aus Stahlguss hergestellten Anschlussstutzen zu den Maschinen sind ebenfalls durch Flansche miteinander verbunden, die in üblicher Weise durch Nut und Zahn mit eingelegtem Kautschukring gedichtet sind. An der tiefsten Stelle der Leitung befindet sich ein Entleerschieber von 250 mm Dmr.

Dank der einfachen Linienführung und den getroffenen Vorkehrungen gestaltete sich die Verlegung der Rohrleitung verhältnismäßig einfach. Mit Hülfe von Wagen, Gleisen und Winden wurden die einzelnen Rohre teils vom unteren Leitungsende beim Maschinenhause, teils von der Reichsstraße aus die Berglehne hinaufgezogen und vorläufig seitlich niedergelegt. Im Tunnel mussten wegen seines geringen Querschnittes die einzelnen Rohre vom oberen Ende aus hinabgelassen werden. Der Zusammenbau ging von dem genau verlegten unteren Knierohr aus nach aufwärts vor sich.

Die Druckprobe erfolgte vertragsgemäß in den Werkstätten der Prager Maschinenbau-A.-G. vormals Ruston & Co., indem 3 bis 5 zusammengeschraubte Rohre dem 1 1/2 fachen des größten örtlich auftretenden Wasserdruckes ausgesetzt wurden.

Nach der Dichtigkeitsprobe an Ort und Stelle, wobei die Flansche und Nähte der mit Wasser gefüllten Leitung keinerlei Spur von Undichtigkeit erkennen ließen, wurde die ganze Leitung angestrichen und zugeschüttet. Einzelne in geeigneter Weise längs der Rohrstrecke angeordnete Einsteigschächte gestatten, jederzeit zu prüfen, ob die Leitung dicht ist.

Fig. 4 bis 6 veranschaulichen das Maschinenhaus von 650 qm Grundfläche. Diese große Fläche ergab sich aus der Absicht, die einzelnen Maschinen von allen Seiten bequem zugänglich zu machen und auch sämtliche Rohrleitungen mit ihren Abschlussorganen leicht bedienen zu können. Die ganze Grundfläche wird von einem Laufkran von 20 t Tragfähigkeit, der mittels Kette von unten bedient wird, bestrichen.

Das Kraftwerk ist für 6 Maschinensätze derart hergerichtet, dass alle Fundamente bereits bestehen; auch ist ein unter dem ganzen Hause hergehender Abflusskanal vorgesehen, der von einem Gewölbe überdeckt wird. Beim Arbeiten aller 6 Maschinen und einer Wasserhöhe im Abflusskanal bis zum Kämpfer beträgt die Abflußgeschwindigkeit rd. 1 m/sk.

Außerhalb des Maschinenhauses mündet in den Abflusskanal auch der Leerlaufkanal.

Der Fußboden des Maschinenraumes konnte, da die Höhenkote des sehr wenig schwankenden Unterwassers 694,6 m beträgt, auf 696,66 m gelegt werden; die Höhenkote der Turbinenwelle ergab sich damit zu 697,5 m so dass  ohne wesentliche wirtschaftliche Einbuße von einer Ausnutzung des Sauggefälles abgesehen werden konnte. Das Gesamtgefälle vermindert sich demnach um den Betrag der Höhenlage der Turbinen über dem Unterwasserspiegel; nimmt man als normale Belastung einer Rohrleitung den Betrieb mit zwei Maschinensätzen an, so erhält man einen Rohrverlust von 1,7 m oder ein wirksames Gefälle von 182,0 m an der Turbine, das auch der Bestimmung der Turbinenabmessungen zugrunde gelegt ist.

Die beiden bis heute aufgestellten Maschinensätze leisten, wie schon erwähnt, bei einem Wirkungssgrade von 80 vH, 315 Uml./min und einem Verbrauch von 1285 ltr/sk je 2500 PS. Um bei dieser verhältnismäßig bedeutenden Wassermenge, die unter den vorher angeführten Verhältnissen am Leitapparat einen Austrittsquerschnitt von rd. 240 qem erfordert, einen so hohen Wirkungsgrad zu erreichen, musste das Aufschlagwasser auf mehrere Einläufe verteilt werden; die Wahl zweier, auf gemeinschaftlicher Stahlwelle aufgekeilter Löffelräder mit je einem Leitapparat findet darin ihre Begründung, dass für Ausführungen mit mehreren Leitschnäbeln untereinander und nur einem Löffelrade bisher keine verlässlichen Versuchsergebnisse vorliegen, die einen sehr hohen Wirkungsgrad ergeben hätten.

Die Welle dieser Doppelturbine, Fig 7 bis 9, dreht sich in 2 Lagern von 240 mm Dmr. und 600 mm Länge mit doppelter Ringschmierung und Wasserkühlung der unteren Schalen.

Jedes Laufrad hat 21 Pelton-Schaufeln, von denen je 3 zu einem Segment zusammengegossen sind; letztere sind auf einer gemeinschaftlichen gusseisernen Rosette sicher befestigt. Diese Anordnung gestattet, ein Segment rasch und leicht auszuwechseln.

Mit Rücksicht auf das zeitweise viel Sand führende Wasser sowie überhaupt auf die hohe Beanspruchung des Schaufelmaterials (die Umfangskomponente des Wasserdruckes erreicht pro Schaufel einen mittleren Betrag von rd. 3200 kg) ist eine besonders widerstandsfähige Bronzelegierung verwendet wendet, die sich im Betrieb vollständig bewährt hat und kaum eine Abnutzung zeigt.

Die Turbinenwelle von 240/260 mm Dmr. ist mittels einer elastischen Lederbandkupplung mit dem Generator verbunden.

An den Gehäuseunterteil einerseits und an den in der Vertikalebene der Turbinenwelle geteilten Gehäuseoberteil andererseits sind die beiden Einlaufgehäuse angeschraubt. Zwischen ihnen, durch Anschlussstutzen verbunden, befindet sich der Zylinder des Druckreglers.

Die aus Stahlguss hergestellten zweiteiligen Leitapparate haben rechteckigen Austrittsquerschnitt, dessen Größe dem jeweiligen Kraftbedarf durch eine bewegliche Regelzunge selbsttätig angepasst wird.

Bevor ich näher auf die Regelung dieser Turbinen eingehe, mögen einige Worte über die Regelung der Turbinen mit bloßem Geschwindigkeitsregler vorausgeschickt werden.

Wenn ein Motor in einer kurzen Zeit von einer größeren Leistung zu einer kleineren übergehen soll, wobei die Aufschlagwassermenge vermindert wird, so muss die mit einer bestimmten Geschwindigkeit durch die Zuleitung strömende Wassermenge ihre lebendige Kraft an das Zuleitrohr und an die damit verbundenen Teile abgeben; dadurch wird ein Stoß her vorgerufen, der mitunter recht folgenschwere Betriebsunfälle verursacht.
So ist z. B. durch bloße Geschwindigkeitsregelung einer Turbine ein gusseiserner Krümmer, der zwischen Turbine und Verteilleitung eingeschaltet war, infolge eines Stoßes zertrümmert worden; bei derselben Turbine ist, nachdem der Krümmer durch einen schmiedeisernen ersetzt war, der Leitring aus Bronze in drei Teile zerbrochen; der Laufring mit den Schaufeln erlitt hierbei ebenfalls erhebliche Beschädigungen. Bei einer andern Anlage mussten sämtliche Turbinen stillgesetzt werden, weil die Zuleitung, welche ein Gefälle von 60 m hatte, durch einen Stoß so zugerichtet war, dass sie einer größeren Reparatur bedurfte 1).

1) Diese Unfälle sind nicht an Ausführungen der Prager Maschinenbau-A.G. vorm. Ruston & Co. in Prag vorgekommen.

Diese Unzuträglichkeiten werden, wenn nicht ganz beseitigt, so doch sehr vermindert, sobald die Turbine mit Geschwindigkeits- und Druckregelung ausgestattet ist.

Allerdings lässt sich der Druckregler nur bei hohen Gefällen, guter Reinigung des Druckwassers mittels leicht auswechselbarer Filter und zweckmäßiger Ausführung des Apparates am Gehäuse der Turbine einbauen, wie das bei der vorliegenden Anlage aufs beste gelungen ist.

Bei Turbinen mit kleineren Gefällen verengt man wohl den Eintrittsquerschnitt am Leitapparat durch einen Schieber, der durch einen meist waagerecht angeordneten hydraulisch betriebenen Kolben verstellt wird; das hierzu nötige Druckwasser wird dabei entweder unmittelbar der Zuleitung entnommen oder durch besondre von der Turbine angetriebene Hülfseinrichtungen erzeugt. Diese Bauart mit waagerechten Presskolben hat sich jedoch nicht bewährt, weil die Stulpdichtung des Kolbens schon nach einigen Betriebswochen undicht wird; dies ist dem Umstand zuzuschreiben, dass der Presszylinder von dem von Sand verunreinigten Wasser in seiner unteren Lauffläche stark angegriffen wird.

Es ist weiter zu erwähnen, dass bei niedrigem Wasserdruck die Abmessungen des Servomotors übermäßig groß werden.

Sobald im Servomotor eine Undichtigkeit auftritt, arbeitet er nicht mehr genau und die ohnedies schon auftretenden Stöße werden dadurch noch erhöht, so dass nunmehr die Regulierung von zwei Wärtern besorgt werden muss: einer, der am Schaltbrett steht, also da, wo sich die Belastungsschwankungen am ersten bemerkbar machen, gibt die nötigen Anweisungen dem zweiten, der sich an dem Handregler befindet. Dass in diesem Falle nicht mit der nötigen Schnelligkeit und Genauigkeit geregelt werden kann, braucht nicht erst erwähnt zu werden.

Die Geschwindigkeit der Turbine wird in folgender Weise geregelt.

Die Regelzunge r, Fig. 10, auf die vom Wasser ein stets im Sinne des Öffnens wirksamer Druck ausgeübt wird, ist als Doppelhebel ausgebildet und durch Laschen mit dem Kolben k eines hydraulischen Servomotors verbunden. Die untere Fläche des Kolbens steht unter dem unveränderlichen Druck der Zuleitung, die obere dagegen wird, je nach der Stellung eines vorgeschalteten Steuerventiles v, entweder mit filtriertem Betriebswasser von gleichem Druck wie in der Zuleitung oder mit der Außenluft in Verbindung gesetzt, so dass eine Bewegung des Reglers im Sinne des Öffnens oder Schließens eintreten kann. In der neutralen Lage des Ventiles v hält der Druck auf der oberen Kolbenfläche das Reglerwerk im Gleichgewichte. Die Zylinder der beiden Servomotoren sind durch ein Rohr von 40 mm I. W. mit Absperrventil miteinander verbunden, um den Druckausgleich zu bewirken.

Das Steuerventil v ist als einfachwirkender Differential-Schwebekolben ausgebildet. Wie aus Fig. 10 leicht zu erkennen ist, bewirkt es Öffnen oder Schließen, je nachdem der Regulierstift s abwärts oder aufwärts bewegt wird.

Die Verschiebung des Reglerstiftes wird von einem äußerst empfindlichen, mit Ölkatarakt versehenen Hartung-Pendelregler eingeleitet, der seinen Antrieb durch Schraubenräder von der Hauptwelle erhält und, wie Fig. 9 zeigt, die Steuerung beider Servomotoren besorgt. Hierdurch ist der große Vorteil erreicht, dass der Regler stets genau auf die Steuerteile einwirkt, ein Umstand, der bei derartig großen Maschineneinheiten von hohem Wert ist; ein Regler mit Riemenantrieb ist dagegen immer mit dem Nachteil behaftet, dass der Riemen abrutschen kann.

Ein Rückführgestänge abcd, Fig. 10, mit Handrad h zur Einstellung der Umlaufzahl beim Parallelschalten bringt in gewohnter Weise bei jeder Bewegung des Servomotorkolbens den Steuerstift s und somit das Steuerventil v in die neutrale Lage zurück. Eine besondre Vorrichtung gestattet, falls das Steuerventil des einen Einlaufes beschädigt ist, die Betätigung vom andern Ventil aus. Der Zeiger an der verlängerten Kolbenstange lässt stets das Maß der Öffnung des Leitapparates genau erkennen.

Um die, wie bereits erwähnt, für die Sicherheit des Betriebes gefährlichen Druckanschwellungen in der Rohrleitung bei plötzlichem Schließen der Leitöffnungen zu vermeiden, ist jede Maschine mit einer gedrängt angeordneten selbsttätigen Druckregelvorrichtung, Fig. 11, ausgestattet. Diese muss bei raschem Schluss der Regelzunge, Fig. 10, eine Nebenöffnung in der Druckleitung, den sogen. Leerlauf, in dem Maße öffnen, wie sich der Leitapparat schließt, und sie ebenso selbsttätig allmählich wieder schließen, so dass die Geschwindigkeit des Wassers in der ganzen Leitung langsam und ohne schädliche Druck-Zunahme zu verursachen, die neue Größe annimmt.

Es entspricht somit jeder Stellung des Zentrifugalregulators eine bestimmte Stellung des Servomotors, also auch eine bestimmte Beaufschlagung der Turbine. Bei allen nicht plötzlich auftretenden Bewegungen der Servomotoren hat sich Druckregelung passiv zu verhalten.

Diese vielseitige Aufgabe hat die ausführende Firma in folgender sinnreicher Weise gelöst.

Die Differentialfläche des als Kolben ausgebildeten Leerlaufventils l, Fig. 11, steht durch Anschlussstutzen mit dem links und rechts angeordneten Einlaufgehäusen in Verbindung und daher unter dem Druck des Aufschlagwassers. Der obere Raum p erhält durch die Drosselöffnung filtriertes Wasser, dessen Druck durch die Lage des die Öffnung o abschließendes Stiftes s bedingt wird. Letzterer ist an dem schweren, senkrecht verschiebbaren Zylinder c eines Ölkataraktes befestigt, dessen Kolben k durch einen Querhebel h mit den Servomotoren in Verbindung steht. Bei Abwärtsbewegung der letzteren (Öffnen der Turbine) trifft der auf der Kolbenstange befestigte Anschlag a auf die obere Fläche des Kataraktkolbens und macht dabei einige in dessen Boden angebrachte Öffnungen frei, wodurch die weitere Bewegung ohne Kataraktwirkung erfolgen kann. Bei raschem Schließen der Leitvorrichtung dagegen (Hinaufschnellen der Servomotoren) wird bei richtiger Wahl der Kataraktöffnungen unter dem Kolben k eine Luftleere entstehen, welche die Mitnahme des Zylinders c und somit des Stiftes s veranlasst; dadurch wird das Filterwasser von p durch die zentrale Öffnung des Differentialkolbens in den Ablauf fließen und das Leerlaufventil l von seinem Sitze gehoben. Bei dieser Bewegung aber nähert sich die Öffnung o dem nun hochliegenden Stifte s, das Steuerorgan führt sich von selbst zurück, und es tritt Gleichgewicht des Ventils l dann auf, wenn der Weg des letzteren ungefähr gleich dem des Kataraktes ist. Bei richtiger Bemessung des Leerlaufes und insbesondere der Rotationsflächen m n wird die freigegebene Ausflussöffnung die eingetretene Verengung des Leitschnabelquerschnittes gerade ausgleichen können. Durch sein Eigengewicht sinkt nun allmählich der Kataraktzylinder c und, wie leicht begreiflich, mit ihm das Leerlaufventil l.

Es ist an dieser Stelle hervorzuheben, dass die Geschwindigkeits- und die Druckregelung vorzügliche Ergebnisse geliefert haben. Bei einer plötzlichen Entlastung um 100 vH verzeichnete der Hornsche Tachograph eine größte Geschwindigkeitsänderung von nicht ganz 7 vH, wobei die Druckanschwellung in der Rohrleitung kaum 2 at erreichte.

Als Abschlussorgan dient für jeden Maschinensatz ein zwischen der Verteilleitung und dem Doppelkrümmer angebrachter hydraulisch betätigter Schieber von 750 mm Durchgangsweite, Fig. 4 bis 6.

Das Steuerwasser der Regelvorrichtungen und des hydraulischen Schiebers wird der Hauptleitung entnommen und in 2 miteinander vertauschbaren Filtern sorgfältig gereinigt.

Die im vorstehenden kurz beschriebene Anlage wird nach dem Ausbau sechs Maschinensätze von je 2500 PS enthalten, also 15 000 PS liefern. Bisher sind, wie bereits erwähnt, zwei Sätze und ein Rohrleitungsstrang ausgeführt, die in Bezug auf Betriebssicherheit und Leistung sowie auf Wirkungsgrad und Regelfähigkeit allen Anforderungen entsprochen haben.

Die mit den Turbinen gekuppelten Generatoren von 2000 KW bei 10 000 V und die gesamten elektrotechnischen Einrichtungen der Sillwerke und des Hochspannungsnetzes sind von der Österreichischen Union Elektrizitäts-Gesellschaft in Wien ausgeführt.

Zum Schluss sei es mir noch gestattet der Prager Maschinenbau-A.-G. vormals Ruston & Co. in Prag für ihre freundliche Unterstützung bei diesem Bericht meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.


Quelle: Die Wasserkraftmaschinen der Sillwerke bei Innsbruck. Von Dipl-Ing. Andreas Stamm, Berlin. In: Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, 17. Juni 1905. Nr. 24. Band 49. S. 989 - 994.

weiter zu VDI-Teil 2: Die Wasserbauten, Von Ingenieur Josef Riehl, Innsbruck, 1906.

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