Die Sillwerke bei Innsbruck
Repro: www.SAGEN.at
Bericht Bauunternehmung Ingenieur Josef Riehl:
I. Teil: Die Wasserbauten
II. Teil: Die Wasserkraftmaschinen
III. Teil: Die elektrischen Anlagen
IV. Teil: Die Stubaitalbahn
Bericht Zeitschrift Verein Deutscher Ingenieure:
Teil 1: Die Wasserkraftmaschinen der Sillwerke bei Innsbruck, A. Stamm, 1905.
Teil 2: Die Wasserbauten, Von Ingenieur Josef Riehl, Innsbruck, 1906.
Teil 3: Die elektrischen Anlagen. Von Dr. Ing. C. Arldt, 1906.
Teil 4: Die Sillwerke bei Innsbruck. Von Dr. Ing. C. Arldt, 1906.
Die Wasserbauten, Von Ingenieur Josef Riehl, Innsbruck, 1906.
Eifrig ist die Landeshauptstadt von Tirol bestrebt, sich die modernen Einrichtungen des Verkehrs und der Hygiene zu eigen zu machen. Ein Netz von Lokalbahnen ist teils geplant, teils schon ausgeführt; eine umfassende Kanalisierung des ganzen Stadtgebietes steht in Arbeit, die Vereinigung mit den Vororten ist vollzogen.
Unter den großen Werken, die der Gemeinderat der Stadt Innsbruck in letzter Zeit geschaffen hat, steht das neue Elektrizitätswerk an der Sill, die „Sillwerke“, begonnen September 1901, vollendet September 1903, nicht in letzter Reihe.
Um die Anregung und Durchführung dieser zur Versorgung der Stadt mit Licht und Kraft, zum Betriebe von Lokalbahnen sowie zur Heranziehung von Industrie geschaffenen Anlage haben sich vorzugsweise der Bürgermeister Wilhelm Greil und der Obmann des Verwaltungsrates der städtischen Elektrizitätswerke Karl Kapferer verdient gemacht. Mit dem Entwurf und der Ausführung des Werkes waren die Bauunternehmung Ingenieur Josef Riehl in Innsbruck für den bautechnischen Teil, die Prager Maschinenbau-A.-G. (vormals Ruston & Cie.) in Prag für die Wasserkraftmaschinen und die Österreichische Union-Elektrizitätsgesellschaft in Wien für den elektrischen Teil betraut.
Bereits im Jahr 1888 war, hauptsächlich für Privatbeleuchtung in Innsbruck, von der Firma Ganz & Cie. ein elektrisches Kraftwerk in Mühlau errichtet worden, wofür das Wasser des Wurmbaches mit einem Gefälle von 123 m ausgenutzt wurde. Bei der geringsten Wassermenge von 0,4 Bis 0,5 cbm ergab sich hierbei eine Leistung von 500 bis 600 PS. Diese Anlage ging im Jahr 1897 in den Besitz der Stadt über. Die stets steigende Zahl der Abnehmer für Licht und Kraft und das rasche Anwachsen der Landeshauptstadt machten in kurzer Zeit eine Vergrößerung des Werkes nötig, welche im Jahr 1899 durch die Ausnutzung eines höheren Gefälles (rd. 357 m) bewirkt wurde; die dadurch gewonnene Kraftleistung betrug 1000 bis 1200 PS. Im Jahr 1901 wurde unterhalb der Schweinsbrücke in Mühlau ein weiteres Aushülfs-Kraftwerk mit 150 bis 200 PS Leistungsfähigkeit erbaut. Allein auch diese Kraftmengen konnten ihm gesteigerten Anforderungen nur für kurze Zeit genügen; der Gemeinderat der Stadt Innsbruck musste daher auf eine neue Kraftquelle bedacht sein.
Da ein weiterer Ausbau am Wurmbach ausgeschlossen war, richtete der Gemeinderat sein Augenmerk auf die Gewinnung einer Wasserkraft an der Sill. Auf Vorschlag des Verfassers wurde die Ausnutzung der mittleren Sillstufe als am vorteilhaftesten für die Interessen der Stadt ins Auge gefasst und ein ins Einzelne gehender Entwurf vom Ingenieur Karl Innerebner im August 1900 in Arbeit genommen und noch in demselben Jahre beendet. Nachdem die Stadtvertretung diesen Entwurf am 11. April 1901 genehmigt und die behördliche Konzession erhalten hatte, konnte im September 1901 der Bau in Angriff genommen und binnen 2 Jahren vollendet werden. Die Eröffnung und Inbetriebsetzung des Werkes fand am 7. Oktober 1903 statt.
Die Sill nimmt ihren Ursprung im Brennersee, erhält ihre Hauptzuflüsse aus dem Obernberg-, Gschnitz-, Valser, Schmirn-, Navis- und Ruetztale und mündet bei Innsbruck in den Inn; ihr Niederschlaggebiet umfasst 854,5 qkm, wovon 320 qkm auf den Ruetzbach (Stubaital) entfallen. Die Länge des Flusslaufes beträgt 37 ½ km, das Gesamtgefälle vom Ursprung (Brennersee in 1303 m Meereshöhe) bis zur Mündung in den Inn 733 m, woraus sich ein mittleres Gefälle von 19,6 vH ergibt.
Regelmäßige Beobachtungen der Wasserstände der Sill liegen seit dem Jahr 1895 vor. Zwischen dem bisher am Pegel in Steinach beobachteten niedrigsten Wasserstande (- 0,53 m) und dem größten Hochwasser (+ 0,80 m) ergibt sich ein Unterschied von 1,33 m. Alle übrigen Wasserstände bewegen sich innerhalb dieser Grenzen, Fig. 1.
Von der k. k. hydrographischen Landesabteilung in Innsbruck sind die Niedrigwassermengen des Sillflusses mehrfach gemessen worden, und eine dieser Messungen ist von besonderem Wert, weil sie zur Zeit des niedrigsten seit 1895 festgestellten Pegelstandes — am 28. Februar 1901 — bei der Wehranlage der Brennerwerke angestellt wurde. Sie hat 3,55 cbm/sk Wasser ergeben. Für die Sillwerke nahm man demzufolge ein geringstes Niedrigwasser von 4 cbm an, da unterhalb des Wehres der Brennerwerke noch kleinere Zuflüsse einmünden.
Der tiefste Wasserstand und daher die geringste Wassermenge treten stets Ende Februar und Anfang März auf.
Die Hochwassermengen des Sillflusses dürften 90,0 cbm nicht überschreiten und sind nach langjährigen Erfahrungen nicht besonders gefahrbringend.
Wie aus der graphischen Darstellung der Wasserstände des Sillflusses, Fig. 1, ersichtlich, ist das angeführte absolute Minimum selten, tritt auch nur für verhältnismäßig kurze Zeit auf. In der Regel ist noch gegen Ende Dezember und ebenso gegen Ende März eine Wassermenge von 7,0 bis 8,0 cbm vorhanden.
Die für die Sillwerke ausgenutzte Gefällstufe des Flusses beginnt am Krafthaus der Brennerwerke und hat bei einer Leitungslänge von rd. 8 km ein Gefälle von 195 m. Bei 4 cbm Wasser gibt das eine Mindestleistung von rd. 7500 PS, bei einem Mittelwasser von 7,5 cbm über 13 000 PS.
Obschon die Geschiebeführung des Sillflusses ziemlich bedeutend ist, wird sie doch durch mehrere Seen im oberen Flussgebiete, die als Klärbecken dienen, gemildert; grobes Geschiebe führt die Sill unterhalb Matrei nicht mehr mit. Der Fluss und seine Seitenarme verlaufen fast durchweg im Urgebirge, und daher ist der mitgeführte Sand ziemlich quarzreich.
Die Eisverhältnisse des Flusses sind im Allgemeinen nicht ungünstig. Nur in sehr kalten Wintern kommen ein die ganze Wassertiefe durchsetzendes Schneeeis und einzelne kleinere Eisstöße vor. Wie die Erfahrung bei den bestehenden Werken gezeigt hat, ist es bei einiger Sorgfalt nicht schwierig, die daraus entspringenden Übelstände zu beseitigen und einen ungestörten Betrieb zu ermöglichen.
Wie aus dem Lageplane, Fig. 2, ersichtlich, schließt die Wasserfassung der Sillwerke unmittelbar an den Unterwassergraben der Brennerwerke an. Dadurch wird das Verbleiben einer unausgenutzten Gefällstufe zwischen beiden Kraftwerken vermieden.
Für die Zuleitung des Wassers von der Fassungsstelle zum Kraftwerke wurde die linke Talseite benutzt. Es erschien auf den ersten Anblick etwas kühn, eine 7 ½ km lange Zuleitung in diese Tallehne einzufügen. Ein offener Kanal, der den Windungen des Geländes hätte folgen müssen, erwies sich als unsicher, weil bei der steilen Lehne infolge der wechselnden Beschaffenheit des Untergrundes ungleichmäßige Fundamente erforderlich gewesen wären. Man beschloss daher, die ganze Zuleitung als Stollen auszuführen. Für einen solchen war die Schichtung des Gesteines, das von der Lehne in das Berginnere fällt, von Vorteil und bot die größte Sicherheit; daneben gestatteten die vielen Talwindungen, den Stollen an zahlreichen Stellen in den Mulden nahe an die Oberfläche zu legen, wodurch eine Menge Angriffspunkte für den Bau gewonnen wurden.
Der Zuleitungsstollen mündet in den Behälter am Schönberge, im Wasserschloss, von dem die Rohrleitungen zum Kraftwerk sowie der Leerlauf abzweigen.
Der Platz für das Kraftwerk war innerhalb der vorerwähnten Gefällstufe von der Natur bereits gegeben. Das felsige, schluchtartige Silltal weitet sich 2 km oberhalb der Stefansbrücke und bildet links und rechts vom Flusse flache Wiesengründe. Hierhin war das Turbinenhaus zu legen; eine zweite, auch nur geringfügige Talverbreiterung, die den Einbau eines großen Kraftwerkes ermöglicht hätte, ist zwischen dieser Stelle und der Wehranlage nicht vorhanden.
Unterhalb des Kraftwerkes mündet der Leerlauf in den Unterwasserkanal ein, der das Wasser wieder in die Sill zurückleitet; s. Fig. 3.
Eine Anzahl Gebäude für Betriebzwecke und Wohnungen für das Bedienungspersonal vervollständigen die Anlage.
Der Höhenunterschied zwischen dem Wasserspiegel im Unterwassergraben (bei mittlerem Wasserstande) und dem Oberwasser beträgt 194,6 m. Hiervon werden 7,6 m für die Zuleitung des Wassers von der Fassung zum Behälter im Wasserschloss verbraucht; s. Fig. 4. Es verbleibt sohin eine ausnutzbare Druckhöhe von 187 m. Da Saugrohre bei den Turbinen vorerst nicht eingebaut sind, reicht die wirksame Druckhöhe mit 183,75 m nur vom Wasserspiegel im Behälter bis zur Turbinenwelle.
Die wasserbaulichen Teile des Werkes sind für eine Wassermenge von 8 cbm/sk bemessen, die, wie schon erwähnt, während des größten Teiles des Jahres der Sill entnommen werden kann. Bei weiterem Ausbau des Werkes wird die jetzige Mindestwassermenge von 4 cbm durch Einbeziehung des Ruetzbaches und andrer kleinerer Zuflüsse indessen noch um weitere 1 ½ bis 2 cbm/sk vermehrt werden können.
Da die Wasserfassung der Sillwerke knapp an die Brennerwerke anschließt, lag es nahe, in erster Linie das bereits entkieste Abwasser aus dem Unterwassergraben der letzteren Werke zu verwenden. Um jedoch nicht auf die stark schwankende Menge dieses Abwassers allein angewiesen zu sein, musste man einen eigenen Wehrbau zum Bezug unmittelbar aus dem Sillfluss errichten. Denn nicht nur durch die Brennerwerke, sondern besonders auch durch mehrere andre flussaufwärts gelegene Werke mit unterbrochenem Betrieb werden starke Schwankungen im Wasserzufluss verursacht, die sich besonders bei Niedrigwasser unangenehm fühlbar machen.
Es war ferner auf die Eisverhältnisse der Sill und auf möglichste Entsandung des Wassers Bedacht zu nehmen, da erfahrungsgemäß der quarzhaltige Sillsand zur raschen Abnutzung der Turbinenschaufeln Veranlassung gibt.
Wie Fig. 5 zeigt, besteht die Wasserfassung aus einem Grundwehr, daran anschließenden Hochwasser- und Schotterschleusen, 2 Sandfängen und den erforderlichen groben und feinen Rechen, Schleusen usw.
Die Unterwassergräben der Brennerwerke sind durch ein gemauertes Gerinne unmittelbar mit den Sandfängen der Sillwerke verbunden; in letzteren hat das Wasser nochmals Gelegenheit, seine Sinkstoffe abzulagern.
Der große Wassertümpel, welcher durch das 3 ½ m hohe Stauwehr im Sillflusse gebildet wird und ungefähr 5000 cbm Inhalt hat, dient zum selbsttätigen Ausgleich der Schwankungen im Wasserzufluss. Gelangt aus den Brennerwerken weniger Wasser, als erforderlich ist, in die Sandfänge der Sillwerke, so fließt das Mehr aus dem Wassertümpel zu. Gelangt zu viel Wasser aus den Brennerwerken in die Sandfänge, so fließt der Überschuss über die Überfallmauern und durch den Grobrechen in den Tümpel zurück.
Die Hochwasserschleusen sind als Doppelschleusen zum Heben und Senken ausgebildet, damit insbesondere die angestauten Eisschollen und die zerkleinerten Eisstöße abgeschleust werden können; s. Fig. 6.
Damit sich die Eisschollen an den Stäben des Grobrechens nicht spießen, und um die umständlichen Abeisungsarbeiten zu erleichtern, ist der obere Teil des Grobrechens mit einer abnehmbaren Holzabdeckung versehen, welche 1 m tief in das Wasser eintaucht. Die verbleibende Durchflussöffnung ist noch immer groß genug, um die erforderliche Betriebswassermenge durchschleusen zu können; s. Fig. 7 und 8.
Der Verbindungskanal der Brennerwerke sichert den Sillwerken stets ohne Störung durch die Vereisung der Sill die Wassermenge, welche den Brennerwerken im Winter zur Verfügung steht.
Seitlich vom Wehr ist ein Haus mit einer Wohnung für den ständigen Schleusenwärter sowie einer Kesselanlage errichtet. Die letztere dient zur Herstellung heißen Wassers, das in isolierten Rohrleitungen zu den Schleusen geleitet wird, um dort Vereisungen an den Aufzügen auftauen zu können. Der sehr geräumige Kesselraum dient gleichzeitig als Wärmstube für die mit den Abeisungsarbeiten betrauten Arbeiter.
Das Eindringen von groben Geschieben in die Kanalleitung wird durch den Grobrechen und dessen Fussmauer, die 1,20 m über die Bachsohle emporsteht, verhindert. Dieses Geschiebe kann durch die Hochwasserschleuse ununterbrochen abgetrieben werden.
Zur Ablagerung der feineren Sinkstoffe schließt sich an die Wehranlage ein breiter Sandfang an; der obere Teil des Zuleitungskanales ist ebenfalls als Sandfang ausgebildet. (Als dritter Sandfang wirkt der Behälter des Wasserschlosses am Stollenende.)
Holz und andre Schwimmkörper werden durch eiserne Rechen von 30 und 15 mm Maschenweite verhindert, in den Kanal einzudringen.
Zur Ableitung des Hochwassers sind 2 Hochwasserschleusen vorgesehen, die bei eintretendem Hochwasser vollständig gezogen werden.
An der linken Seite der Wehranlage führt ein bequemer Fahrweg entlang, und ein 1,8 m breiter Bedienungssteg stellt die Verbindung mit dem rechten Ufer und dem Schleusenwärterhause her; s. Fig. 5 und 9.
Das Mauerwerk bei den Hochwasserschleusen ist aus Granitquadern aufgeführt. Das Grundwehr hat einen Betonkern und Granitquaderverkleidung.
Besondere Sorgfalt wurde der Herstellung der Sohlenpflasterung im Bereiche der Hochwasserschleusen gewidmet; mehrere 3 m tiefe, mit Portlandzement aufgemauerte Steinkasten dienen als Sohlensicherung.
Die Bauausführung wurde sehr dadurch erleichtert, dass der Wehrkörper und der erste Sandfang ohne besondere Wasserbelästigung ausgeführt werden konnten. Es wurde nämlich vor dem eigentlichen Wehrbau der Zuleitungskanal zu den Brennerwerken hergestellt und das ganze Wasser der Sill in diesen eingeleitet. Infolgedessen blieben die Baustellen des Wehres und des Sandfanges frei vom fließenden Wasser und konnte die Gründung mit Hülfe von Handpumpen leicht erfolgen.
Die Fundamente des Wehres und der Sandfänge ruhen auf einer Felsschicht auf.
Von den Sandfängen führt der 7566 m lange Tunnel bis zum Behälter des Wasserschlosses. Die Tunnelquerschnitte sind in Fig. 10 bis 12 abgebildet. Wandungen und Sohle sind aus Beton, das Deckengewölbe aus Bruchsteinmauerwerk hergestellt. Um die Wassergeschwindigkeit zu erhöhen und den Beton wasserundurchlässig zu machen, sind die vom Wasser bespülten Wandflächen mit glattem Portlandzementverputz versehen.
Der Stollen hat ein Gefälle von 0,1 vH. Seine Leistungsfähigkeit beträgt 7,9 cbm/sk. Hierbei reicht der Wasserspiegel bis zur Kämpferhöhe. Bei voller Belastung fließt das Wasser mit einer mittleren Geschwindigkeit von 2 ¼ m/sk und hat daher rd. 1 Stunde nötig, um von der Wehranlage bis zum Behälter zu gelangen.
Sieben Einsteighäuschen, die an geeigneten Stellen in Entfernungen von rd. 1 km errichtet sind, erleichtern die zeitweiligen Besichtigungen und die Ausbesserungen des Stollens.
Die meisten Quellen, welche beim Stollenvortrieb angeschnitten wurden, sind in den Kanal eingeleitet. Damit durch dieses ununterbrochen durchfließende Wasser Reparaturen nicht gehindert werden, führen an 4 Stellen Entleerungsrohre mit abnehmbarem Verschluss aus dem Tunnel nach bestehenden Wasserläufen an der Berglehne.
Zwischen km 3 und 4 des Tunnels wurden starke Wasseradern unterhalb der Kanalsohle angeschnitten, die nicht eingeleitet werden konnten. Sie wurden daher in eigenen, unterhalb der Kanalsohle betonierten Gerinnen zusammengefasst und durch einzelne Seitenstollen, die für den Vortrieb des Hauptstollens hergestellt waren, an die Berglehne abgeleitet.
Der Stollenvortrieb gestaltete sich an den nassen Stellen sehr schwierig, da dort auch starke Druckerscheinungen auftraten.
Am 17. September 1901 wurde mit den Bauarbeiten begonnen, am 31. Oktober 1902 war der Stollen vollständig vorgetrieben, und im März 1903 war er ausgemauert und verputzt.
Der Zuleitungskanal mündet in den Behälter des Wasserschlosses am Schönberge, Fig. 13 bis 15.
Der steile Hang, an dem der Behälter liegt, ließ es ratsam erscheinen, den Bau soweit als möglich in den Berg hineinzuverlegen und nur diejenigen Teile an der Lehne vorragen zu lassen, welche die Schützen und Rechen enthalten, deren Bedienung eine größere lichte Höhe erforderlich macht; s. Fig. 16 Zu zwei Dritteilen ist der Behälter demnach tunnelartig in den Berg eingebaut. Die großen Kosten dieses Einbaues gaben Veranlassung, die Abmessungen des Behälters soweit zu beschränken, als es die Zwecke, die er zu erfüllen hat, zuließen.
Diese Zwecke sind folgende:
In erster Linie soll verhindert werden, dass der Stollen durch das ununterbrochen zufließende Wasser bei plötzlicher Betriebsabstellung unter Druck gesetzt oder der Behälter überschwemmt werde. Eine in den Behälter eingebaute 20 ½ m lange Überfallmauer, deren Krone 0,80 m tiefer liegt als die Bedienungsplattform bei den Schleusen, dient zur Ableitung des überschüssigen Wassers. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass bei vollem Betriebe plötzlich alle Turbinen abgestellt würden, müssten 7,5 cbm/sk Wasser über den Überfall geleitet werden. Die Überflutung würde in diesem Falle rd. 0,35 m hoch sein, so dass sich die Bedienungsplattform immer noch 0,45 m über dem Wasserspiegel befinden würde.
Der Behälter hat ferner die Aufgabe, die Geschwindigkeit des zufließenden Wassers, die bei vollem Betriebe 2 ¼ m/sk beträgt, soweit herabzumindern, dass es ruhig durch die eisernen Rechen in die Rohrleitung strömt und Wirbelbildungen, besonders hinter den Rechen und beim Einfluss in die Rohrleitung, vermieden werden.
Der Wasserquerschnitt im Behälter ist so bemessen, dass die Geschwindigkeit beim Rechen bei voller Belastung 0,30 m beträgt; dabei lagert das Wasser an der Sohle des Behälters weitere Sinkstoffe ab, die von Zeit zu Zeit oder auch ununterbrochen durch die Leerlaufschleuse abgeleitet werden können. Letztere dient auch zur gänzlichen Entleerung des Behälters.
Im Behälter ist weiter eine ziehbare Schneeschleuse eingebaut, die ungefähr 1 m tief in das Wasser eintaucht und schief zur Wasserrichtung gestellt ist. Das etwa noch in den Behälter gelangende Schneeeis, das an der Oberfläche längs dieser Schneeschleuse treibt, wird durch eine sich daranschließende Schützenöffnung der Überfallmauer in den Leerlauf abgeführt.
Vom Behälter zweigen 2 Rohrleitungen ab, die mit Schützen gesperrt werden können; damit keine Schwimmkörper in die Rohrleitungen gelangen, ist vor deren Mündung ein eiserner Rechen von 14 mm Maschenweite angebracht.
Den Zweck eines Ausgleichbeckens erfüllt der Behälter nur in geringem Maße, da, wie schon erwähnt, große Abmessungen außerordentliche Kosten verursacht hätten, im Übrigen auch die Schwankungen des Wasserzuflusses schon durch den Tümpel bei der Wehranlage ausgeglichen werden. Immerhin ist bei Niederwasser, d. i. bei 4 cbm Betriebsmenge, im Behälter und im angrenzenden Stollenteile eine Wasserreserve von ungefähr 2000 cbm angestaut, und dieser Stau reicht vom Behälter 2 km weit in den Stollen zurück. Bei stärkerem Betrieb ist die Wasserreserve naturgemäß geringer. Der Betrieb hat daher so zu erfolgen, dass auch bei größtem Bedarfe stets etwas Wasser über den Überfall abfließt.
Das Wasserschloss steht mit dem Kraftwerk und mit dem Schleusenwärterhaus an der Wehranlage in telefonischer Verbindung.
Der Behälter ist in Beton hergestellt, das Deckengewölbe in Bruchsteinmauerwerk. Alle durch das Wasser bespülten Flächen sind glatt verputzt.
Über die Rohrleitung vom Behälter bis zum Kraftwerk, den zugehörigen Kaskaden- Leerlauf und die Turbinenanlage im Kraftwerk der Sillwerke selbst ist in dieser Zeitschrift 1905 S. 989 u. f. 1) bereits ausführlich berichtet worden.
Der Unterwassergraben zieht sich unter der Maschinenhalle als ein 4,5 m breiter überwölbter Kanal hin. Die Kanalsohle besteht unter den Entleerungsrohren der Turbinen sowie beim Entleerungsrohr der Rohrleitung aus massigen Granitblöcken, um dem starken Angriff des abfließenden Wassers widerstehen zu können.
1) A. Stamm: Die Wasserkraftmaschinen der Sillwerke bei Innsbruck.
Außerhalb des Kraftwerkes ist der Unterwassergraben als offenes Gerinne ausgeführt, Fig. 17. Seine Einmündung in die Sill ist parallel zur Flussrichtung gelegt.
Die wasserbaulichen Arbeiten, Hochbauten, Straßenanlagen usw. erforderten die nebenstehenden Beträge.
1) | Wehranlage und Sandfang | 83 620 |
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2) | Zuleitung | 1 586 950 |
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3) | Behälter | 57 970 |
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4) | Leerlauf | 106 800 |
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5) | Unterwasserkanal | 18 530 |
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6) | Turbinenhaus | 136 000 |
" |
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7) | angebautes Wohnhaus | 30 600 |
" |
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8) | Maschinistenwohnhaus | 34 850 |
" |
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9) | Stallgebäude | 7 650 |
" |
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10) | Schleusenwärterhaus | 14 450 |
" |
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11) | Rohrgraben | 46 750 |
" |
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12) | Zufahrtstraße und Wege | 34 000 |
" |
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13) | Heiz- und Behälteranlage beim Schleusenwärterhaus | 1 275 |
" |
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zusammen | 2 159 445 |
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An Holz wurden 15 600 cbm, an Zement 730 Eisenbahnwagen, an Dynamit 26 000 kg verwendet.
Schließlich sei noch bemerkt, dass seit der Eröffnung des Werkes (Oktober 1903) bis zum heutigen Tage keine Betriebsstörung stattgefunden hat.
Das Wehr von Eis zu befreien, ist nur einmal, am kältesten Tage, erforderlich geworden. Messungen haben ergeben, dass die Wassertemperatur von -1,2° am Wehr auf +1,3° im Behälter stieg; es trat mithin im Stollen eine Erwärmung von 2 ½° ein, welche genügte, das Wasser im Behälter stets eisfrei zu halten.
Der Bau des Werkes wurde vom Ingenieur Karl Innerebner geleitet, der auch den Entwurf im einzelnen ausgearbeitet hatte. Von der Gemeinde Innsbruck war zur Beaufsichtigung der Bauausführung der städtische Ingenieur Albert Leyrer bestellt. Die Ausstattung der Hochbauten rührt von dem städtischen Ingenieur Ferdinand Mayr her.
Quelle: Die Sillwerke bei Innsbruck. 1) Die Wasserbauten. Von Ing. Josef Riehl, Innsbruck. In: Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, Sonnabend, den 19. Mai 1906. Nr. 20. Band 50. S. 753 - 761.
weiter zu VDI-Teil 3: Die elektrischen Anlagen. Von Dr. Ing. C. Arldt, 1906.
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