Die Sillwerke bei Innsbruck
Repro: www.SAGEN.at

Bericht Bauunternehmung Ingenieur Josef Riehl:
I. Teil: Die Wasserbauten
II. Teil: Die Wasserkraftmaschinen
III. Teil: Die elektrischen Anlagen
IV. Teil: Die Stubaitalbahn

Bericht Zeitschrift Verein Deutscher Ingenieure:
Teil 1: Die Wasserkraftmaschinen der Sillwerke bei Innsbruck, A. Stamm, 1905.
Teil 2: Die Wasserbauten, Von Ingenieur Josef Riehl, Innsbruck, 1906.
Teil 3: Die elektrischen Anlagen. Von Dr. Ing. C. Arldt, 1906.
Teil 4: Die Sillwerke bei Innsbruck. Von Dr. Ing. C. Arldt, 1906.
Die elektrischen Anlagen. Von Dr. Ing. C. Arldt, 1906.

Für die Ausnutzung der in den Sillwerken erzeugten Elektrizität kommen drei Absatzgebiete in Frage, Fig. 18: in erster Linie die Landeshauptstadt Tirols, Innsbruck, zweitens eine Überlandanlage für die wichtigsten Ortschaften des oberen Stubaitales und drittens die von Innsbruck nach Fulpmes führende Stubaitalbahn.

Gesamtplan des Verteilgebietes der Sillwerke

Bei der Wahl der Stromart und Spannung für die Versorgung Innsbrucks war auf das in dieser Stadt bereits vorhandene Netz Rücksicht zu nehmen. Das schon erwähnte Elektrizitätswerk Mühlau liefert zwei- phasigen Wechselstrom von 42 Per/sk. Es sind dort eine einphasige Dynamo zu 450 KVA, eine zweiphasige zu 300 KVA und 2 zweiphasige zu je 1800 KVA aufgestellt. Ursprünglich verwandte man in Innsbruck Einphasen-Wechselstrom; bald indessen ging man, besonders mit Rücksicht auf die Elektromotoren, auf zweiphasigen Wechselstrom über, wobei ein besonderes Kabel für die zweite Phase verlegt wurde. Die Motoren sind an beide Phasen angeschlossen, die übrigen Anschlüsse möglichst gleichmäßig auf beide Phasen verteilt.

Die Spannung von 2000 V des Verteilnetzes in Innsbruck wird durch Transformatoren auf 100 V an den Abnahmestellen vermindert.

Diese Verhältnisse waren auch für das neue Kraftwerk maßgebend. Die Sillwerke sind dementsprechend für zweiphasigen nicht verketteten Wechselstrom mit 42 Per/sk eingerichtet.

Mit Rücksicht auf die Entfernung der Werke von Innsbruck, die rd. 8 km beträgt, wählte man eine Fernleitungsspannung von 10 000 V pro Phase. Die hiermit festgelegte Stromart und Spannung eignete sieh gleichzeitig zur Verwendung für die Überlandanlage sowie für die mit einphasigem Wechselstrom betriebene Stubaitalbahn.

Maschinenraum der Sillwerke

Das Maschinenhaus der Sillwerke 1) ist so bemessen, dass im ausgebauten Zustande 6 durch Wasserturbinen angetriebene Dynamomaschinen Platz darin finden. Zunächst sind zwei davon aufgestellt, Fig. 19.

1) Vgl. Z. 1905 S. 990/91, Fig. 4 bis 6.

Gehäuseanker der Dynamomaschine

Die Dynamomaschinen haben einen feststehenden Gehäuseanker, Fig. 20, in dem sich das Magnetrad dreht. Für Leistung und Abmessungen jeder Dynamomaschine gilt folgendes:

Leistung
Gesamtleistung
2 500
KVA
Spannung pro Phase
11 000
V
Stromstärke pro Phase
114
Amp
Uml. min
315
 
Erregerspannung
125
V
Erregerstrom bei Leerlauf
110
Amp
Erregerstrom bei Vollast
155
 

 

Anker
Anzahl der Nuten
96
 
Anzahl der Leiter pro Nut
16
 
Dmr. innen
2 700
mm
wirksame Breite des Ankereisens
570
"
Höhe des Ankereisens
240
"
Luftspalt
16
"
Widerstand pro Phase warm
0,62
Ohm
Gewicht
23 000
kg

 

Magnetrad
Polzahl
16
 
Anzahl Windungen pro Pol
92
 
Polteilung
530
mm
Widerstand warm
0,48
Ohm
Gewicht
20 500
kg

Um eine genügende Lüftung des Ankereisens zu erzielen, sind zwischen seinen Eisenblechen 6 Luftschlitze angeordnet, welche die wirksame Breite von 570 mm des Ankereisens auf eine Gesamtbreite von 620 mm erhöhen. Die Wicklungen sind in 7 mm starken Hülsen aus Glimmer, die mit 40 000 V geprüft worden sind, untergebracht; außerdem sind die fertigen Wicklungen gegen Eisen mit 22 500 V, also mit mehr als der doppelten Betriebsspannung, geprüft worden.

Hochspannungsdynamo Sillwerke Innsbruck

Der feststehende Anker ist zweiteilig. Seine untere Hälfte trägt die Gehäusefüße und ragt teilweise in das Fundament; s. Fig. 21 bis 23. Um zu diesem unteren Teil zu gelangen, kann man den ganzen Anker drehen, nachdem er vorher vorsichtig durch Holzkeile am Magnetrade befestigt ist. Die Gehäusefüße stehen auf besonderen Grundplatten, die nach Anheben der Maschine und Lösen der erforderlichen Schrauben weggezogen werden können. Die darunter befindlichen, in Beton fest eingemauerten Auflagerplatten haben U-förmige Gestalt, so dass die Gehäusefüße durch sie hindurchgedreht werden können.

Das Magnetrad hat einen aus Stahlguss hergestellten Kranz, der durch ein doppeltes Armsystem mit der Nabe in Verbindung steht. Auf diesem Kranze sind die Polkerne mit schwalbenschwanzförmigen Einsatzstücken befestigt. Eine seitliche Verschiebung der Kerne wird durch Ringsegmente, die an das Rad angeschraubt sind, verhindert Auf den durch eine Isolierhülle bedeckten Polkernen sitzen die aus Flachkupfer hochkant und blank gewickelten Magnetspulen. Das Flachkupfer ist 42 mm breit und 2 mm hoch. Zwischen seine einzelnen Windungen ist beim Wickeln das erforderliche Isoliermaterial eingelegt. Die Polschuhe und seitlich liegende Holzkeile, welche zwischen den einzelnen Spulen durch Schrauben gegen das Magnetrad angepresst werden, halten die Spulen selbst an ihrer Stelle fest. Mit jeder Dynamomaschine ist eine Erregermaschine, Fig. 24, gekuppelt. Der Erregerstrom wird den Spulen des Magnetrades durch 2 Schleifringe zugeführt, die auf der Seite der Erregermaschine auf der Welle festigt sind, Fig. 21.

Hochspannungsdynamo mit Erregermaschine gekuppelt - Sillwerke

Die Schaltanlage ist so eingerichtet, dass die nach vollständigem Ausbau des Werkes vorhandenen sechs Dynamomaschinen sowohl gemeinsam parallel auf die Sammelschienen, als auch durch Teilung der Sammelschienen getrennt arbeiten können. Die Sammelschienen bestehen zu diesem Zweck aus einer Ringleitung, Fig. 25, in welche 7 Sektionsschalter SA eingefügt sind. Diese Schalter werden durch einfache Kupferstücke gebildet, die je mit 2 Schrauben in die Sammelschienen eingefügt sind. Jede der Dynamomaschinen D ist an eines der durch die Sektionsschalter gebildeten Stücke SS1, SS2 usw. der Sammelschienen angeschlossen. Das Ringleitungsstück SS7 bildet die Verbindung zwischen den Sektionsschaltern SA1 und SA2. Innerhalb dieser Ringleitung sind die Abzweigschienen AS1 und AS2, welche durch den Sektionsschalter SA8 untereinander verbunden oder getrennt werden können, angebracht. Von dem Sammelschienenstück SS2 ist die Verbindung nach dem Abzweigschienenstück AS1 hergestellt, von dem Sammelschienenstück SS5, nach dem Abzweigschienenstück AS2. Von den Abzweigschienen gehen nach oben die eigentlichen Fernleitungen H1, H2, Ue usw. ab. Sollen alle Maschinen parallel arbeiten, so werden sämtliche Sektionsschalter eingesetzt. Ist dagegen eine Trennung in den Abzweigschienen wünschenswert, so wird der Sektionsschalter S A8 geöffnet, und es können nun die Dynamomaschinen je nach der- erforderlichen Leistung in verschiedener Anzahl auf die eine oder die andre Seite der Abzweigschienen geschaltet werden. Werden die Schalter SA1, SA4 und SA7 geöffnet, so arbeiten die Maschinen D1, D2, D3 auf das Sammelstück AS1 und die Maschinen D4, D5, D6 auf das Sammelstück AS2.

Nach Öffnen der Sektionschalter SA2 und SA5 und Schließen der übrigen arbeiten die Maschinen D2, D3, D4 auf das Abzweigschienenstück AS1, die Maschinen D1, D5, D6 auf AS2. Es ist leicht einzusehen, dass durch Aus- oder Einschalten andrer Sektionssehalter noch zahlreiche andre Schaltungsweisen für die Dynamomaschinen möglich sind, so dass auf diese Weise eine große Sicherheit für den Betrieb geschaffen ist. Gleichzeitig ist es auch möglich, jede der Maschinen und damit auch der zugehörigen Apparate von den Sammelschienen abzuschalten, so dass die Maschinen in vollkommen stromlosem Zustande untersucht oder instandgesetzt werden können.

Grundschema der Schaltanlage in den Sillwerken

Bis jetzt sind 2 Maschinen aufgestellt, und zwar die Dynamos D2 und D3, Fig. 25. Die Sammelschienen für Dynamo D1 sind bereits mit verlegt. Von den Abzweigschienen ist nur das eine Stück AS1 bisher angebracht. Die Ringleitung ist daher vorläufig zwischen dem Sammelschienenstück SS3 und der Mitte von SS7 geschlossen, wobei von SS7; auch zunächst nur die Hälfte zur Ausführung gelangt ist; s. Fig. 26.

Schaltschema der Sillwerke

Gegenwärtig gehen von der Abzweigschiene AS1 2 Hochspanungsfernleitungen H1, H2 nach Innsbruck und eine Hochspannungsfernleitung Ue nach dem oberen Stubaital ab. Im Übrigen lässt das Schaltschema für die Sillwerke, Fig. 26, alles Erforderliche ersehen. Die Spannungsmesser für 26 000 V dienen zum Parallelschalten der Maschinen. Die 4 Spannungsmesser für 13 000 V, die mit einem Pole gemeinsam an die Erde gelegt sind, haben die Bestimmung, einen etwa vorhandenen Erdschluss anzuzeigen. Auch die Erregermaschinen E arbeiten in Parallelschaltung auf gemeinsame Sammelschienen Sg, von denen aus die Leitungen nach den Magnetpolen der Hochspannungsdynamos abzweigen.

Schaltanlage der Sillwerke

Die ganze Schaltanlage ist in einem geräumigen Anbau des Maschinenhauses untergebracht. Nach dem Maschinenraum zu liegt die eigentliche Schalttafel. Hinter dieser sind in der Höhe des Maschinenfußbodens die Hochspannungs-Schalter und -Sicherungen sowie die Messtransformatoren für die Dynamos, darüber die Sammel- und Abzweigschienen angebracht; im ersten Stock die entsprechenden Vorrichtungen für die Fernleitungen, Fig. 27 und 28. Auf diese Weise ist erreicht worden, dass die eigentliche Schalttafel mit den anzeigenden Messgeräten und den zu bedienenden Schalthebeln und Widerständen nur Niederspannung führt; die Hochspannung führenden Geräte dagegen konnten in angemessener Entfernung voneinander aufgestellt werden, so dass jeder Teil der Schaltanlage auch während des Betriebes leicht zugänglich ist und zugleich die Hochspannungsleitungen bis zu den Dynamos nur kurz sind. Wie schon das Schaltschema, Fig. 26, zeigt, sind sämtliche Messinstrumente für Hochspannung mit Strom- oder Spannungswandlern angeschlossen. Die Sekundärwicklungen der Wandler sind dabei einpolig geerdet, so dass auch, wenn einer von ihnen schadhaft wird, keine gefährliche Hochspannung auftreten kann.

Hauptschalttafel Sillwerke

Die Hauptschalttafel besteht aus 18 Marmortafeln von je 80 cm Breite und 220 cm Höhe, Fig. 29, die durch einen gemeinsamen Rahmen zusammengehalten sind. Je 2 dieser Tafeln bilden eines der 9 Felder der Schalttafel. Das erste und das letzte Feld sind für die Fernleitungen bestimmt, das mittelste für die Erdschlussanzeiger und die zwischenliegenden 6 Felder für die Dynamomaschinen, so dass jede Maschine ihr eigenes Feld hat. Die linke Seite jedes Maschinenfeldes enthält die Apparate für die Gleichstromerregung, die rechte Hälfte diejenigen für den zu liefernden Wechselstrom. An der Seite sind noch 2 kleine drehbare Felder angebracht, von denen bis jetzt das eine die beiden Gleichstromvoltmesser Vg, Fig. 26, für den Erregerstrom trägt. Auf dem ersten Felde sind die Geräte für die beiden Hochspannungsleitungen nach Innsbruck angebracht, bestehend aus je einem Strommesser, einem Zähler und einem Kontaktapparat für die selbsttätigen Ölschalter; darunter die Messgeräte für die Fernleitung der Überlandanlage des oberen Stubaitales. Hinter der Schalttafel befinden sich zunächst, durch einen geräumigen Bedienungsgang von ihr getrennt, die Hochspannungs-Ölschalter der Dynamomaschinen. Jeder dieser vierpoligen Ölschalter OeA, Fig. 26 bis 28, ist in einer besonderen Mauerzelle, Fig. 30, untergebracht. Die Bedienung erfolgt von der Vorderseite der Schalttafel aus durch eine Stangenübertragung, die unterhalb des im Bedienungsgang angebrachten isolierenden Laufsteges hindurch geht. Es werden dabei alle vier Kontakte des Schalters von einer gemeinsamen Welle aus betätigt, die mittels Stangenübertragung gedreht wird. Das Ölgefäß kann nach Lösen der Befestigungsschrauben leicht nach unten entfernt werden, so dass die Schalterkontakte für eine Besichtigung zugänglich sind. Im unteren Teile jeder Mauerzelle befindet sich eine auszementierte Mulde, in welcher sich das bei der Besichtigung etwa abtropfende Öl sammeln kann. Die Zellen selbst sind gegen den Bedienungsgang durch eiserne Türen geschlossen. Hinter diesen Schalterzellen sind auf einem eisernen Gestell die Hochspannungssicherungen sowie die Strom- und Spannungswandler untergebracht. Durch 2 Bedienungsgänge, die gleichfalls mit isolierenden Laufstegen ausgerüstet sind, ist dieses Gerüst auf beiden Seiten gut zugänglich.

Rückseite der Schalttafel Erdgeschoss - Sillwerke

Im ersten Stock sind auf einem ähnlichen Gerüst wie dem eben erwähnten die Sicherungen sowie die Strom- und Spannungswandler für die Fernleitungen untergebracht. Vor diesen befinden sich in besondern Kasten die selbsttätigen Hochspannungsschalter Aut. Oe A, Fig. 26 und 31. Diese Schalter stehen in Aussparungen der Zwischendecke und haben ihre Klemmen unten, Fig. 30, so dass die Zuleitungen von den darunter befindlichen Sammelschienen in die Schalter eingeführt werden konnten. Sie wirken als selbsttätige Maximalschalter und unterbrechen mit Sicherheit 300 Amp pro Phase, im ganzen also eine Leistung von 6000 KW. Die Schaltung wird von einem kleinen Gleichstrommotor betätigt, der durch den schon erwähnten, auf der Hauptschalttafel befindlichen Kontaktapparat beim Überschreiten der höchst zulässigen Stromstärke selbsttätig eingeschaltet wird. Die Einschaltung erfolgt indessen nicht sofort mit Eintritt der Stromstärke, sondern erst dann, wenn diese höchste zulässige Stromstärke eine gewisse Zeit angedauert hat. Diese Zeit selbst kann an dem Kontaktapparat in den erforderlichen Grenzen eingestellt werden. Plötzliche, Ausschaltung, was von besonderer Wichtigkeit ist, da bei oberirdisch geführten Freileitungen öfter infolge äußerer Einflüsse vorübergehende Kurzschlüsse auftreten können, die sich aber von selbst sofort wieder beseitigen, so dass ein Ausschalten nicht erforderlich ist. Wenn also die Schalter augenblicklich wirken würden, könnte oft eine unnötige und unangenehme Betriebsunterbrechung eintreten. Der Antriebmotor dieser Hochspannungsschalter kann aber auch noch mit der Hand durch einen Umschalter betätigt werden, und der letztere dient gleichzeitig dazu, wiedereinzuschalten, wenn eine selbsttätige Unterbrechung stattgefunden hat. Zwei an der Schalttafel angebrachte Signallampen, die eine von roter, die andre von grüner Farbe, lassen erkennen, ob der Hochspannungsschalter aus- oder eingeschaltet ist.

Schaltanlage für die Fernleitungen - Sillwerke

Die gesamte Schaltanlage wird also von der im Maschinenraum befindlichen Schalttafel aus beobachtet und bedient.
(Schluß folgt)

Quelle: Die Sillwerke bei Innsbruck. 2) Die elektrischen Anlagen. Von Dr.-Ing. C. Arldt. In: Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure. Sonnabend, den 26. Mai 1906. Nr. 21. Band 50. S. 811 - 816.

weiter zu VDI-Teil 4: Die Sillwerke bei Innsbruck. Von Dr. Ing. C. Arldt, 1906.

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